
Delmenhorst. "Das ist Handball" – so kurz und knapp beschrieb Frederic Oetken die finalen Sekunden in einem nervenaufreibenden Spiel, das die HSG Delmenhorst mit 32:31 (19:16) glücklich gegen die SG HC Bremen/Hastedt gewann. Damit sicherte sich die Sieben von Trainer Jörg Rademacher bei der Rückkehr in die Oberliga Nordsee zwei immens wichtige Punkte.
Vor allem die Schlussphase bot alles, was den Handball so kurzweilig und spannend macht. Rund 90 Sekunden vor dem Ende der Partie lagen die Delmenhorster mit zwei Toren zurück, die Spieler gingen auf dem Zahnfleisch. Kein Wunder, mussten beinahe alle HSG-Akteure 60 Minuten auf der Platte stehen, da der Kader arg dezimiert war. Neben den beiden bereits länger verletzten Kreisläufern Thies Kohrt und Michael Schröder fehlten auch die Rückraumschützen Torben Sudau und Jörn Janßen verletzt, Neuzugang Lasse Till spendete unter der Wochen Knochenmark und spielte daher nicht, Alexander Schoeps weilt beruflich in Mexiko.
Der reaktivierte Dominik Ludwig gehört zwar eigentlich nicht mehr zu Kader, sprang jedoch aufgrund der Notlage ein und spielte stark, traf fünf seiner sechs Würfe. So auch 94 Sekunden vor Ende der Partie zum 30:31. Die Defensive hielt im Gegenzug stand, sodass Oetken einen haltbaren Notwurf 22 Sekunden vor Spielende im Kasten von Drazen Lucic zum 31:31 unterbrachte. Bremen nahm eine Auszeit, um den letzten Angriff zu besprechen. Sieben Feldspieler sollten den Auswärtssieg holen, für die HSG ging es darum, den einen Punkt zu sichern. Doch dann unterlief dem ansonsten überragenden Spielertrainer Marten Franke – der elf Treffer erzielte und etwa ebenso viele vorbereitete – ein folgenschwerer Patzer: Er beging ein Offensivfoul und hielt dann den Ball fest. Die Konsequenz daraus: Rote Karte für Franke und Siebenmeter für die HSG. Laut Regel folgt diese Bestrafung, wenn ein Spieler in den finalen dreißig Sekunden regelwidrig eine Wurfausführung – in diesem Fall einen Abwurf – unterbindet. "Ich dachte, wir bekommen einen Freiwurf. Das Ding geht klar auf mich, ich entschuldige mich bei meinem Team. Wir haben das vorher 59 Minuten lang gut gemacht", kommentierte Franke.
Und so waren die 60 Minuten abgelaufen, als Oetken mit dem Ball in der Hand an die Siebenmeterlinie schritt. Knapp drei Minuten vorher war er mit seinem ersten Siebenmeter des Abends noch an Lucic gescheitert. Doch dieses Mal behielt er die Nerven, setzte das Leder unten rechts in die Maschen und drehte zum Jubeln ab, während die Musik ertönte und seine Mitspieler auf das Parkett stürmten. Das lautstarke Publikum stand derweil längst und feierte den perfekten Auftakt in die neue Spielzeit. "Gerade bei den vielen Verletzten muss ich Verantwortung übernehmen", sagte Oetken zu seinen Aktionen zum Ende des Spiels und lobte ausdrücklich die Mannschaft. Das tat auch Rademacher im Anschluss an die Partie: "Die Emotionen sind der Wahnsinn, das Spiel war eigentlich schon weg. Wir mussten auf sechs Stammspieler verzichten. Klasse, dass Ludwig und Marcian Markowski eingesprungen sind – ebenso wie die Jungs von der zweiten Mannschaft auf der Bank", sagte der HSG-Trainer.
Der Sieg kam aufgrund der Schlussphase sicherlich glücklich zustande, da waren sich Rademacher und Oetken einig. Verdient hatten ihn sich die Delmenhorster aber allemal. Oetken absolvierte die komplette Spielzeit ohne Pausen, agierte auf der für ihn ungewohnten Position im Rückraum links. Er baute gemeinsam mit Ole Goyert die Spielzüge auf, der im Rückraum Mitte auflief – normalerweise kommt er über linksaußen. Als einziger etatmäßiger Rückraum-Shooter stand Tim Coors im Kader, auf den sich die Gäste auch fokussierten. Bereits nach zwei Minuten war sein Trikot zerrissen, in der Schlussphase wurde er komplett in Manndeckung genommen und konnte sich aus dieser nur selten befreien. Ohnehin deckten die Bremer extrem offensiv, zogen sich fast nie in die 6:0-Formation an den Sechsmeterkreis zurück, sondern spielten mit zwei oder drei vorgezogenen Akteuren. Das nutzte Phillip Freese immer wieder geschickt, der acht seiner zehn Versuche im Tor unterbrachte.
Die HSG brauchte in beiden Halbzeiten jeweils einige Minuten, um in die Begegnung zu kommen. Gegen Ende der ersten Hälfte erspielte sie sich jedoch eine Vier-Tore-Führung, die die Bremer nach 40 Minuten egalisiert hatten. In der Folge legte die HSG erneut zwei Tore vor, spielte in Überzahl, doch Ludwig, Coors und Oetken scheiterten jeweils an Lucic und verpassten so die Entscheidung in dieser Phase. Stattdessen drehten Franke und Co. die Partie. Absetzen konnten sich die Bremer jedoch nicht, da Sönke Schröder im HSG-Tor in der zweiten Hälfte gleich mehrere überragende Paraden zeigte. Neuzugang Deni Provonozac, der von der 20. bis zur 40. Minute im Kasten stand, führte sich zwar direkt mit einem gehaltenen Ball ein, agierte dann jedoch unglücklich und wurde gleich dreimal von außen in der kurzen Ecke überrascht.
Drei Minuten vor Schluss hatten die Bremer dann eigentlich zwei, mindestens einen Punkt im Sack. Oetken verpasste mit seinem Siebenmeter den Ausgleich, Marten Franke spielte einen Pass auf Jan Wiezorrekt, der mit Kempa-Trick auf 31:29 stellte und kurz für hängende HSG-Köpfe sorgte (58.). Doch dann folgten verrückte 90 Sekunden. "Wir hatten die Chance zur Vorentscheidung und haben sie nicht genutzt. Das ist unglücklich. Aber so ist Handball", sagte Bremens Teambetreuer Jörn Franke.
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