
Mit einem roten BMX-Rad fing alles an. Und wie ein roter Faden zieht sich seit 1983 das Rad durch das Leben von Kerstin Meyer. Ortswechsel der Liebe wegen, Momente des Triumphs, noch heute juckende Operationsnarben, die Lust aus eigener Kraft zu fliegen, sich zu beweisen und weiterzuentwickeln – all das hat für Deutschlands erfolgreichste BMX-Fahrerin mit der Leidenschaft für den Radsport zu tun.
Auch in Bremen-Nord hinterließ die 50-Jährige Spuren. Für den Vegesacker BXM-Club war Kerstin Meyer so viele Jahre sportliches Aushängeschild und Motor auf der Grohner Bahn am Oeversberg. Mittlerweile lebt die gebürtige Berlinerin in Nordheim bei Heilbronn.
Die sportliche Karriere und das Medaillensammeln sind beendet, doch die Leidenschaft für das BMX-Fahren ist noch lange nicht gestillt. „Es ist wie eine Sucht, die ich nicht aufgeben möchte. Ich finde es einfach cool, durch die Lüfte zu fliegen“, verrät sie. Sich technisch weiterzuentwickeln und das eigene Wissen weiterzugeben, sind auch jetzt noch die Ziele der Vollblut-Sportlerin mit einer Trainer-A-Lizenz.
„Just for fun“ durch den Hinderniskurs zu rasen, ist derzeit ihre Devise beim Training auf der Bahn des MSC Ingersheim. Dort trifft sich Kerstin Meyer mindestens einmal in der Woche mit Freunden zum gemeinsamen Fahren. „Ich bin technisch nicht stehengeblieben und liebe es, den Double zu springen“, erklärt sie. Aber auch das Wheelen zu perfektionieren, stehe auf dem Programm. Beim MSC war Kerstin Meyer bis vor zwei Jahren Trainerin. Diesen Job kündigten ihr die Verantwortlichen des Vereins nach achtjähriger Tätigkeit. „Ich war anfangs not amused über die Art und Weise der Kündigung. Aber recht bald habe ich die Vorteile voll ausgelebt“, erklärt sie.
Ihre aktuelle Tätigkeit als Coach beschränkt sich auf sporadische Einsätze bei Trainingslagern, für die sie angeheuert wird. „Da kommen die Vereine auf mich zu“, berichtet die Nordheimerin. Überall, wo Kerstin Meyer auftritt, ist sie Vorbild für die BMX-Nachwuchstalente. „Ich gebe gerne Tipps, und jeder, der mich fragt, erhält eine Antwort.“
Der Rat der BMX-Fachfrau ist wertvoll. Schließlich schöpft Kerstin Meyer ihr Wissen aus jahrelanger Erfahrung, unzähligen Trainingseinheiten und Rennen auf den Hindernisbahnen dieser Welt. Ihre Ausbeute an sportlichen Erfolgen ist bundesweit beispiellos. „Ich hatte mir niemals erträumt, so erfolgreich zu werden“, verrät sie. Das erste Mal stand Kerstin Meyer – damals noch unter ihrem Mädchennamen Munski und für den RC Charlottenburg am Start – 1985 bei deutschen Meisterschaften auf dem Siegerpodest (Bronze).
In den Jahren danach erzielte sie jede Menge DM-Titel und Medaillenränge bei internationalen Wettbewerben. „1996 war mein erfolgreichstes Jahr“, erinnert sich die Sportlerin, die damals schon für den Vegesacker BMX-Club fuhr. Die Ausbeute in der starken Elite-Klasse – jeweils Platz eins bei der DM und bei der Europameisterschaft, sowie WM-Bronze und Gesamtsiegerin im World-Cup der Ladies.
Es folgten neun weitere DM-Titel in der Eliteklasse, sowie zahlreiche vordere Platzierungen auf internationaler Ebene – unter anderem auch EM-Gold 1998. Außerdem war Kerstin Meyer bei den Bundesliga-Serien 14 Mal Gesamtsiegerin. Bis zum Ende der sportlichen Karriere 2017 behauptete sie sich, in vielen Wettbewerben auch gegen jüngere Fahrerinnen, in der Spitzenposition. So endete der Medaillenregen nach 33 bewegten Jahren mit drei weiteren Titeln in der Challenge-Class: DM-Erste bei den Cruisern weiblich und Women 17+ sowie Weltmeisterin (Women Cruiser 40+). Ein echtes Highlight zum Schluss sei das WM-Finale in Rockhill South Carolina gewesen, als Kerstin Meyer von Beginn an geführt hatte. „Ich bin immer noch stolz wie Oskar.“
Mit den Schattenseiten ihrer BMX-Laufbahn geht Kerstin Meyer offen um. So zum Beispiel mit dem Ende ihrer dreijährigen Episode als Bundestrainerin. „2007 legte ich meinen Posten nieder, da auf allen Ebenen keine zukunftsweisende Zusammenarbeit möglich war.“ Wunden anderer Art hinterließ 1999 einer ihrer schlimmsten Sportunfälle: Es passierte beim Training auf dem Oeversberg. Ein Sturz auf das Gesicht hatte gravierende Folgen – durchtrennte Nasenscheidewand mit verschobenem Knorpel, fast ganz abgetrennte Zungenspitze, perforierte Oberlippe, Unterlippe innen einmal der Breite nach offen plus eine Gehirnerschütterung mit Amnesie. „Zum Glück hatte ich nach dem Sturz einen Blackout. Ich habe aber nur 24 Stunden darüber nachgedacht, ob ich mit dem BMX-Sport aufhören sollte.“ Sie tat es nicht, beschloss aber, künftig nur noch mit einem Full-Face-Helm zu fahren.
Zur Anlage des Vegesacker BMX-Clubs hat Kerstin Meyer ein ganz besonderes Verhältnis. Doch der Anlass, 1993 von Berlin nach Bremen-Nord zu ziehen, war privater Natur. Wolfgang Fritscher, Gründungsmitglied des Vegesacker BMX-Clubs und wohnhaft in St. Magnus, war ihr damaliger Lebensgefährte, den sie sechs Jahre später „stilecht“ während des Internationalen Puma-Cups auf der BMX-Bahn in Herzogenaurach heiratete.
18 Jahre lang war Kerstin Meyer Mitglied im Vegesacker BMX-Club. In der Zeit trug sie bei ihren Rennen nicht nur den Namen des Vereins in die Welt, sondern packte beim ständigen Umbauen und Ausbessern der Bahn am Oeversberg kräftig mit an – schichtete Kubikmeter an Erdreich auf und um. Mittlerweile beschränken sich Erdarbeiten auf den heimischen Garten in dörflicher Umgebung. „Das Gärtnern macht mir Spaß. Ich ziehe Tomate oder Paprika aus Kernen, freue mich, eigene Himbeeren und Erdbeeren ernten zu können, und über alles, was gerade blüht. Dieses Jahr hatte ich wegen der Corona-Pandemie viel Zeit. Unsere Rosen waren so gepflegt wie nie zuvor“, verrät die Hobby-Gärtnerin.
Sie ist mittlerweile seit zehn Jahren mit Gerhard Meyer verheiratet, den sie – wie nicht anders zu vermuten – einst durch den BMX-Sport kennengelernt hat. Zusammen mit ihrem Ehemann, der neben anderen Funktionen BMX-Bundesfachwart im Bund Deutscher Radfahrer war, teilt sie auch die Lust am Reisen. Bevorzugtes Ziel ist Florida. Delfine zu beobachten, Meer, Strand und Seeluft zu genießen oder im Kajak durch die verzweigten Flusslandschaften zu paddeln – gehören zu den Urlaubs-Aktivitäten des Ehepaares.
Nicht über den großen Teich, sondern in ihre Geburtsstadt Berlin, soll möglichst bald die nächste Reise gehen. „Ich möchte meine Familie besuchen, nachdem wir wegen der Corona-Beschränkungen alle Geburtstage telefonisch abgehakt haben“, erzählt sie. Für die Zukunft hat Kerstin Meyer keine speziellen Pläne. Fest steht aber: Der rote Faden BMX wird weitergesponnen. „Man ist nie fertig, und es macht einfach noch Spaß“, sagt die BMX-Ikone.
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