
Andreas Friederichsen: Die Nachfrage ist seit dem Ausbruch in Valencia schlagartig in die Höhe gestiegen. Ich bin deshalb auch bei weitem nicht in der Lage, alle Anfragen zu beantworten und alle Wünsche zu befriedigen. Uns mangelt es ähnlich wie bei Corona schlichtweg an der nötigen Menge an Impfstoff.
Weshalb gibt es davon nicht genug?Die Hersteller produzieren immer nur so viel Impfstoff, wie voraussichtlich in den nächsten Wochen benötigt wird. Es ist anders als zum Beispiel bei einem Antibiotikum, weil der Impfstoff gegen das Herpesvirus schnell verbraucht werden muss. Durch den dramatischen Anstieg der Nachfrage, ist nun zu wenig Impfstoff vorhanden.
Wann haben Sie denn das letzten Mal den Impfstoff bestellt?Ich hatte noch mit dem Hersteller telefoniert, zwei Stunden nachdem ich von dem Virusausbruch in Valencia erfahren hatte. Da wusste dieser davon noch gar nichts. Drei Stunden später gab es dann schon keinen Impfstoff mehr. Dabei hat der Hersteller sogar seine eisernen Reserven verkauft.
Und nun?Nun wird es erst einmal ein paar Monate dauern, bis dieser dramatische Zustand abgearbeitet ist. Bis dahin herrscht erst einmal eine Impflücke.
Wie hoch ist denn aus Ihrer Erfahrung heraus etwa der Prozentsatz der Pferde-Halter, die ihre Pferde impfen lassen, wenn nicht gerade ein akuter Virusausbruch herrscht?Meine eigene Kundschaft lässt ihre Pferde in etwa zu 20 Prozent impfen. Da es auch bei den Turnierreitern keine Impfpflicht gibt, werden auch längst nicht alle Profireiter ihre Pferde gegen das Herpesvirus impfen lassen, auch wenn viele dies gerne mal behaupten. Wenn selbst bei einem internationalen Turnier in Valencia Teilnehmer dabei sind, die ihre Pferde nicht haben impfen lassen, dann wird es umso mehr Fälle geben, desto lokaler es wird.
Wie kann es denn sein, dass sogar geimpfte Pferde gestorben sind?Die Impfung führt nur dazu, dass das geimpfte Pferd kein anderes Pferd mehr anstecken kann. Wenn aber nicht geimpfte Pferde auf geimpfte Pferde treffen, kann der Erreger auch bei einem geimpften Pferd ausbrechen. Irgendwann ist auch bei einem geimpften Pferd die Menge an Antizellen aufgebraucht. Jedes Pferd hat einen großen Behälter mit Antikörpern. Wenn sich unten aber eine Öffnung befindet, ist das Immunsystem irgendwann erschöpft. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass alle Pferde geimpft sind. Eine Impfung ist nur sinnvoll, wenn der gesamte Bestand eines Stalls geimpft wird.
Weshalb verzichten denn viele Reiter dennoch auf eine Impfung?Weil es ganz schöne Kosten verursachen kann. Pferde zu halten, ist auch so schon mit hohen Kosten verbunden. Es kommen ja schließlich auch noch andere Impfungen wie die gegen die Pferde-Influenza dazu. Aber ein Mann wie Paul Schockemöhle kann es sich gar nicht leisten, seine Pferde nicht impfen zu lassen, weil der finanzielle Verlust bei Erkrankungen und Sterbefällen viel zu groß wäre.
Was kostet denn eigentlich eine Impfung gegen das Herpesvirus?In den Medien war etwas von 70 bis 90 Euro zu lesen. Bei mir kostet die eigentliche Impfung 35 Euro. Dazu kommen aber noch die Kosten für den Impfstoff, für die Anfahrt und die erforderliche Untersuchung. Der Kunde bekommt die Impfung also nur in einem ganzen Paket. Die Impfung muss zweimal im Jahr erfolgen. Stuten werden sogar dreimal während der Trächtigkeit geimpft.
Weshalb ist dies bei Stuten erforderlich?Ich impfe die Pferde gegen das Equine Herpesvirus 1 und 4. Derzeit geht das EHV1-Virus um. Dieses führt bei trächtigen Stuten häufig zu einer Verfohlung, also zu einer Abstoßung des Fohlens. Das betrifft dann oft alle trächtigen Stuten aus einem Stall.
Was sind noch Folgen des Herpesvirus?Bei der neurologischen Variante, wie sie in Valencia aufgetreten ist, können sich die Pferde häufig nicht mehr richtig bewegen. Es kommt also zu motorischen Störungen, die bis zu einem Festliegen führen können. Die Pferde können also nicht mehr Stehen und müssen mechanisch angehoben werden, damit sie mit einem Tropf versorgt werden können. Dann gibt es aber nur noch wenig Chancen, diese intensivmedizinisch heilen zu können. Dazu gab es ja auch die schrecklichen Bilder aus Valencia.
Sind Ihnen Herpesvirus-Fälle im Landkreis Osterholz bekannt?Nein. Gott sei Dank nicht. Es müssen aber wie bei der Corona-Pandemie unbedingt die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Ansonsten besteht wie bei Corona eine Ansteckungsgefahr. Auch der Mensch kann das Herpesvirus an ein Pferd weitergeben. Wenn ein infiziertes Pferd einem Menschen auf die Schulter niest und ein anderes Pferd dann mit dieser Schulter in Berührung kommt, kann es unter Umständen mit dem Virus angesteckt werden. Generell handelt es sich aber wie bei Corona um eine Tröpfcheninfektion.
Wie zuversichtlich sind Sie im Hinblick auf eine baldige Rückkehr in den Turniersport?Wenn das zuständige Veterinäramt sich davon überzeugt hat, dass die aus Valencia nach Deutschland zurückkehrenden Pferde gesund sind, sollten diese schon bald wieder möglich sein. Ich weise aber darauf hin, dass es ohne Impfungen jederzeit wieder zu einem erneuten Ausbruch kommen kann.
Was schlagen Sie deshalb vor?Ich plädiere für eine Impfpflicht für alle Pferdebesitzer. In diesem Zusammenhang habe ich die Hoffnung, dass diese über die Reiterliche Vereinigung, also die FN, durchgesetzt wird. Das ist die einzige Chance, die wir haben.
Befinden sich unter Ihren Kunden auch professionelle Reiter?Ja, sogar jede Menge. Namen darf ich hier aber wegen meiner Schweigepflicht nicht nennen. Ich betreue aber auch Kunden mit großen Beständen von etwa 60 Pferden im Stall. Bei diesen habe ich aber glücklicherweise schon viel im Vorfeld von Valencia geimpft, sodass bei deren Pferden Gott sei Dank eine Grundimmunisierung vorliegt.
Reiten Sie eigentlich auch selbst?Nein. Aber während meiner Studienzeit in Hannover bin ich geritten. Ich habe beruflich von früh morgens bis spät abends mit Pferden zu tun. Wenn ich dann nach Hause komme, kann ich keine Pferde mehr sehen.
Weshalb haben Sie sich denn überhaupt auf die Behandlung von Pferden spezialisiert?Ich habe bereits während meiner ersten Praktika im Studium gemerkt, dass Pferde meine Leidenschaft sind und ich nicht so viel mit Rindern und Kleintieren anfangen kann.
Und weshalb haben Sie Ihre Praxis ausgerechnet in Worpswede eröffnet?Ich bin nach meinem Studium in Hannover einfach im Norden hängen geblieben. Nach meinen diversen Stationen als Assistenzarzt habe ich vor 15 Jahren eine eigene Praxis aufgemacht. Weil meine Frau Künstlerin ist, bot sich Worpswede an. Hier können wir Kunst und Pferde gut kombinieren.
Das Gespräch führte Karsten HollmannAndreas Friederichsen (57)
praktiziert seit 25 Jahren als Tierarzt und hat seit 15 Jahren eine eigene Praxis in Worpswede. Der gebürtige Münchener behandelt ausschließlich Pferde und hat in Hannover studiert. Durch den Ausbruch des Herpesvirus bei Pferden im Rahmen einer Turnierserie im Springsport in Valencia beschäftigt er sich noch mehr mit dem Impfen der Pferde als ohnehin schon. Friederichsen ist seit 23 Jahren mit der Künstlerin Christine Friederichsen verheiratet, mit der er einen gemeinsamen Sohn (21) hat.
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macht ihn letztlich zum lachenden zweiten.
egal, wie es am ende steht.