
Bokel. Manchmal liegen Schmach und Triumph im Sport ganz dicht beieinander. Der frühere Fußball-Torwart des MTV Bokel, Helmut Niemeyer, kann davon ein Lied singen. In der Saison 1991/1992 hätten die Schwarz-Weißen den Aufstieg in die Bezirksklasse 4 bereits am vorletzten Spieltag mit einem Sieg beim TSV Altenwalde perfekt machen können. Doch Niemeyer griff ein paar Mal fürchterlich daneben – und verschuldete so eine 1:4-Niederlage.
In der Woche darauf rettete der Keeper seinen Farben dann daheim mit tollen Paraden einen 1:0-Sieg über den Lokalrivalen SG Frelsdorf/Appeln/Wollingst, der den Titelgewinn in der Kreisliga Cuxhaven und den damit verbundenen Aufstieg bedeutete. An seiner schwachen Form bei der Pleite in Altenwalde war „Bobby“ Niemeyer aber nicht ganz unschuldig. Ausgerechnet am Vorabend des so wichtigen Spiels ließ es der Schlussmann in einer Hagener Diskothek mächtig krachen. „Das habe ich ab und zu mal gemacht. Es ging auch meistens am nächsten Tag gut, nur eben nicht in Altenwalde“, versichert der 60-Jährige. Seine Teamkollegen und sein damaliger Spielertrainer Marko Rebien seien ahnungslos gewesen.
„Ich habe ihnen vorher nichts erzählt, ich war ja nicht blöd“, so Niemeyer. Zwei bis drei Gegentore in Altenwalde seien dann auf seine Kappe gegangen. Nach dem Spiel habe er es seinem Coach dann gebeichtet. „Marko war mächtig sauer auf mich“, erinnert sich Helmut Niemeyer zurück. Der gescholtene Torwart konterte jedoch ziemlich lässig. „Ich habe zu Marko gesagt, dass man schließlich zu Hause Meister wird.“ Deshalb nahm sich Niemeyer selbst in die Pflicht – und blieb am Vorabend des finalen Saisonspiels natürlich zu Hause. Was definitiv half.
Vor 400 Zuschauern auf dem Bokeler Bätjerplatz trieb er die Offensivkräfte der SAW mit seinen Paraden schier zur Verzweiflung. „Ich musste ja Wort halten“, begründet Niemeyer seine famose Leistung beim 1:0-Sieg über den Nachbarn. An das Siegtor von Björn Kraft auf Vorlage von Heiko Rathjen kann sich Niemeyer aber nicht mehr so genau erinnern, dafür aber mehr an das sich anschließende Fest. „Es gab Freibier. Wir haben oben im neuen Vereinsheim richtig gut gefeiert“, informiert der gelernte Zimmermann, der 32 Jahre auf der Lloyd-Werft in Bremerhaven gearbeitet hat. Er und seine Teamkameraden hatten vorher schon ein wenig mit dem Aufstieg spekuliert und sich in weiser Voraussicht für den Montag auf der Arbeit freigenommen. Vor dem Spiel in Altenwalde hatte aber niemand Helmut Niemeyer in die Hagener Diskothek begleitet. „Die anderen waren alle vernünftig“, betont der Keeper. Sein eigenes „Feier-Gen“ könnte auch mit seinem Geburtstag am 11.11., also dem Karnevalsbeginn, zu tun haben.
Für den MTV Bokel war es damals bereits der zweite Aufstieg in Folge. Marko Rebien kehrte im Jahre 1990 vom SV Blau-Weiß Bornreihe zurück und führte die Schwarz-Weißen gleich in seiner ersten Spielzeit als Spielertrainer aus der 1. Kreisklasse in die Kreisliga Cuxhaven und zum Kreispokalsieg. Im Jahr darauf sprangen die Bokeler dann in die Bezirksklasse 4. „Es war eine starke Saison von uns“, schwärmt Helmut Niemeyer noch heute. Der zweite Aufstieg wird immer auch mit seinen Leistungen an den beiden abschließenden Spieltagen verbunden bleiben. „Marko Rebien spricht mich noch heute auf das Spiel in Altenwalde an. Aber mit den Sprüchen muss ich leben“, sagt Niemeyer. Gerne wird auch über Werder und den HSV gefrotzelt. „Marko Rebien, Mark Fresen und Mario Knieriem waren und sind extreme HSV-Fans. Die anderen im Team haben aber überwiegend zu Werder gehalten“, so Niemeyer, der in Bokel von allen „Bobby“ gerufen wird.
Dieser Spitzname stammt von seiner Großmutter. „Da mein Vater auch Helmut hieß, hat meine Oma, als ich sechs Jahre alt war, gesagt, das geht so nicht und mich von da an Bobby genannt“, berichtet Helmut Niemeyer. Wie seine Großmutter auf den Namen gekommen ist, wisse er bis heute nicht. Mit Mitte 30 verabschiedete sich Niemeyer mehr oder weniger aus der Herrenmannschaft des Vereins, half aber immer noch mal aus, wenn Not am Mann war. Das war in der Saison 2011/12 der Fall. Zwei Tage nach seinem 51. Geburtstag sprang Niemeyer im Match beim Spitzenteam TuS Harsefeld für den verletzten Stammkeeper Florian Leschnik ein. Niemeyer zeigte eine starke Vorstellung und trug so wesentlich zu einem 2:1-Erfolg der Männer vom Bätjerplatz bei. „Das, was Bobby im Alter von 51 Jahren heute gehalten hat, verdient allergrößten Respekt“, schwärmte sein Coach Marko Rebien damals. „Wir hatten damals ein starkes Team mit Leuten wie Tino Brünjes, Andy Helck und Marcel Baake“, so Niemeyer.
Der Oldie hätte sogar noch weitere Spiele für Florian Leschnik in der Spielzeit 2011/12 bestreiten sollen. Doch zwei Tage später erlitt er einen schweren Arbeitsunfall. „Mir ist ein Teil mit einem Gewicht von eineinhalb Tonnen auf den Fuß gefallen. So etwas halten die Knochen nicht aus“, so Niemeyer. Mit einem Schien- und Wadenbeinbruch sowie einem Bruch des Mittelfußes kam Niemeyer fast noch glimpflich davon. Das Kapitel im Herrenteam war damit aber endgültig geschlossen. Vor drei Jahren hängte Helmut Niemeyer seine Fußballstiefel dann endgültig nach einem letzten Einsatz in der Bokeler Ü40 an den Nagel. „Ich hatte gerade in meiner neuen Firma angefangen, als ich mir einen Muskelfaserriss in der Wade zuzog“, berichtet der zweifache Großvater. Also war definitiv Schluss mit Fußball.
Aus Helmut Niemeyer hätte aber auch noch ein ganz anderer Torwart werden können. Als er 14 Jahre alt war, wurde der Ur-Bokeler vom SV Werder Bremen zu einem Probetraining eingeladen. „Mein Cousin hat aber vergessen, mich dort hinzufahren“, bedauert der große Werder-Fan. Im Jahre 1979 habe er dann 10.000 DM für einen Wechsel zur SFL Bremerhaven angeboten bekommen. „Da ich aber zum 1. Januar 1980 zur Bundeswehr nach Goslar musste, wollte ich mir nicht nachsagen lassen, dass ich das Geld mitnehme und dann nicht regelmäßig trainieren kann“, erklärt Helmut Niemeyer. So blieb er Zeit seines Lebens seinem Heimatverein MTV Bokel treu und lief dabei immerhin in der Cuxhavener Kreisauswahl unter Coach Manfred Eps auf.
Für zwei Jahre übernahm Niemeyer auch als Trainer das zweite Bokeler Team, mit dem er in der Saison 2003/2004 Meister in der 3. Kreisklasse Cuxhaven wurde. Als Betreuerin fungierte damals seine Tochter Jennifer Niemeyer. Die 34-Jährige lebt heute mit ihrem Mann und ihren Kindern Henry (5) und Emma (3) in Krefeld. Für Helmut Niemeyer war das Bokeler Jubiläumsspiel im Jahre 1997 gegen eine Traditionsauswahl des SV Werder Bremen und Freunden mit Dieter Burdenski, Jonny Otten, Felix Magath und Manfred Kaltz vor knapp 2000 Zuschauern ein großes Highlight. Hier durfte Niemeyer anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Klubs eine Halbzeit lang ran.
Bereits seit knapp 35 Jahren ist „Bobby“ Niemeyer auch als Platzwart des MTV Bokel im Einsatz. Vom derzeitigen MTV-Stammkeeper Joel Prehn ist er überzeugt: „Das ist ein richtig guter Torwart.“ Weshalb er eigentlich Torhüter geworden ist, wisse er nicht mehr so genau. „Wir haben immer auf dem damals etwa 6000 Quadratmeter großen Grundstück meiner Eltern gebolzt. Irgendjemand musste dabei ja auch ins Tor gehen“, lässt der Vize-Schützenkönig des SV Bokel aus dem Jahre 2000 wissen.
Helmut Niemeyer (60)
durchlief von frühester Jugend an bis zum Alter von 57 Jahren sämtliche Fußball-Mannschaften beim MTV Bokel und ist heute noch als Platzwart für den Verein tätig. Der gelernte Zimmermann arbeitet für ein auf Schwimmkräne spezialisiertes Unternehmen der Rönner Gruppe in Bremerhaven. Niemeyer lief viele Jahre in der Kreisauswahl des Landkreises Cuxhaven als Torwart auf und fungierte zudem zwei Jahre als Coach der zweiten Fußball-Herrenmannschaft des MTV. Der frühere Keeper ist mit Hilde Niemeyer verheiratet, mit der er die gemeinsame Tochter Jennifer (34) hat. „Jenny“ Niemeyer machte ihren Vater bereits zum zweifachen Großvater.
Der bejubelte Aufstieg oder ein tränenreicher Abstieg. Ein unvergessener Sieg oder die bittere Niederlage in letzter Sekunde. In unserer Serie „Das Spiel meines Lebens“ erinnern sich Sportlerinnen und Sportler an den größten Moment ihrer Laufbahn – ganz egal, ob positiv oder negativ.
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