
Das Buch seiner größten und außergewöhnlichsten Fußball-Saison ist dick. Ein echter Wälzer. Weit über 100 Seiten sind zusammengekommen, von jener legendären Verbandsliga-Saison 1975/1976, als Klaus Pophal den 1. FC Osterholz-Scharmbeck nach einer sensationellen Spielzeit in die Landesliga führte. Zum Vergleich: Damals war das die vierthöchste Liga in Deutschland, die heutige Regionalliga. Der zuvor neun Jahre beim SV Blau-Weiß Bornreihe tätige Pophal hatte damit endgültig den Gipfel erklommen – und wollte diese außergewöhnliche Leistung für die Geschichtsbücher auch tatsächlich in einem solchen verewigen.
So entstand ein einzigartiges Zeitdokument, das für jeden Fan des hiesigen Amateursports einer Art Bibel gleichkommt. Gespickt mit Namen und Spielen, die bis heute unvergessen sind. „Hexe“ Wendelken, „Pummel“ Stöhr, „Wischi“ Kamp oder Wolfgang Neika. Noch immer stehen diese Namen für die glanzvollen FCO-Jahre, die Zeit, als die „Weinroten“ zur Beletage der norddeutschen Fußballszene gehörten und sogar Bundesligist Werder Bremen ein 1:1 abtrotzten. Und ganz eng mit dieser Leistung verbunden ist der Name Klaus Pophal. Doch nicht nur den FCO hat der frühere Ritterhuder Schulleiter maßgeblich geprägt. Vor allem die Spuren, die der mittlerweile 85-Jährige beim SV Blau-Weiß Bornreihe hinterlassen hat, wirken bis heute nach. Und auch beim FC Hambergen hat Pophal Mitte der 1980er-Jahre noch einmal Dutzende von Spielern – und späteren Trainern – nachhaltig geprägt.
Während es das Buch seiner größten Saison also tatsächlich in gedruckter Form gibt, so wäre das Buch über Pophals Fußballerleben wohl eine Enzyklopädie mit dutzenden Bändern. Und dann ist da neben dem Fußballer Pophal ja auch noch der Mensch Pophal. Geboren in Hamburg, am 7. Juni 1935, aufgewachsen in Hinterpommern, nach Kriegsende als Zehnjähriger mit der Mutter und dem vier Jahre jüngeren Bruder über diverse Lager in Mecklenburg-Vorpommern irgendwann im beschaulichen Rethwisch in der Nähe von Itzehoe gelandet. Es ging ums Überleben und Fußball war oftmals die einzige Flucht aus dem tristen Alltag.
Über einen Onkel mütterlicherseits bekam die junge Familie – der Vater war mittlerweile aus der Gefangenschaft zurückgekehrt – eine kleine Wohnung in Hamburg-Hammerbrook. Vier Personen, zwei Zimmer. Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. In damaligen Verhältnissen war es mehr als die meisten anderen hatten. Der jugendliche Klaus Pophal machte sein Abitur in der Hansestadt und begann zu studieren, Lehramt. Englisch, Latein und natürlich Sport. Das Leben verlief langsam in die richtigen Bahnen. Und Pophal war fest entschlossen, die Weichen eigenständig zu stellen.
Sein Studium finanzierte er sich mit Gelegenheitsjobs auf dem Bau. „Ich war immer arbeitswillig. Außerdem musste meine Mutter die Familie ernähren, da sollte sie nicht auch noch mein Studium finanzieren“, erinnert sich Pophal. Und seine positive und weltoffene Einstellung schien ihn direkt zum Erfolg zu führen. Nach dem Staatsexamen hatte Pophal sofort ein entsprechendes Jobangebot, hätte früh als Lehrer anfangen können. Doch der junge Mann wollte sich weiterbilden – und etwas von der Welt sehen. So zog es ihn 1959 an die East Barnet School nach Nord-London, wo er ein Jahr seine angelsächsischen Sprachkenntnisse perfektionierte und schließlich mit einem herausragenden Zeugnis zurückkehrte.
Die Welt, oder zumindest die Weltstadt Hamburg, stand Pophal nun endgültig offen. Und dennoch zog es ihn nach Osterholz-Scharmbeck. „Ich war eigentlich nie so der Großstadtmensch, habe mich auf dem Land immer sehr wohl gefühlt“, verrät Pophal. Und, natürlich, hatte auch der Fußball seinen Anteil daran. Denn in Hamburg spielte Pophal in der Amateurliga-Reserve des Hamburger SV. Dort hatte er Achim Laband kennengelernt, den Bruder des 54er-Weltmeisters Fritz Laband. „Nach einem Freundschaftsspiel in Buxtehude merkten Achim und ich, wie sehr es uns in solch einem Dorfverein gefällt. Das gesellige Miteinander, die Identifikation der Menschen, das fanden wir toll. Also wechselten wir kurzerhand nach Buxtehude.“
Ungefähr zur selben Zeit hatte Klaus Pophal auch die Stadt Osterholz-Scharmbeck kennengelernt. Die Eltern seiner damaligen Freundin und späteren Frau Ilona hatten Bekannte in der Kreisstadt. Bei einem der regelmäßigen Besuche war auch Klaus Pophal dabei – und bekam Osterholz-Scharmbeck nicht mehr aus dem Kopf. „So eine Stadt konnte ich mir gut vorstellen für unseren Lebensmittelpunkt“, erinnert sich der 86-Jährige. Und das Leben spielte ihm erneut gute Karten zu.
Denn Pophal hörte, dass das neue Gymnasium in Osterholz-Scharmbeck Lehrkräfte suchte – und erneut war er zur Stelle und griff zu. 1966 folgte der Umzug in den Landkreis Osterholz, nach 14 Jahren am Gymnasium OHZ dann die Beförderung zum Studiendirektor und Schulleiter des neuen Gymnasiums Ritterhude. Zu diesem Zeitpunkt war Pophal längst eine Institution in der Osterholzer Fußballszene. Denn es hatte nicht lange gedauert, bis sich rumgesprochen hatte, dass da eine echte Koryphäe in den Landkreis gezogen war. Ein A-Lizenz-Inhaber, der als Jahrgangsbester sogar eine Einladung an die berühmte Sportschule Köln ausgeschlagen hatte. „Ich hätte dort meinen Fußballlehrer machen können“, erinnert sich Pophal, „aber das war für mich gar nicht so interessant, denn die Bundesliga gab es zu dieser Zeit noch nicht und alles andere habe ich auch so trainieren können.“
Glück für den Landkreis Osterholz – und dort vor allem für die „Moorteufel“. Der Bornreiher Lehrer Karl Denecke hatte schnell gehört, dass da ein neuer Lehrer im Landkreis sei, der über eine außergewöhnliche Fußball-Expertise verfügte. So konnten die Blau-Weißen Pophal für ein Engagement begeistern. Im Sommer 1966 begann also die erste Ära Pophal bei den Blau-Weißen. „Wir waren der kleinste Verbandsliga-Klub der ganzen Bundesrepublik“, erinnert sich Pophal schmunzelnd an eine Zeit, in der es gang und gäbe war, dass die gegnerischen Fans bei Auswärtsfahrten fragten: „Bornreihe? Wo liegt das denn?“ Doch um Spieler wie Hans „Hexe“ Wendelken und den langjährigen Kapitän Reinhard Gieschen gelang es immer wieder, ein konkurrenzfähiges Team auf die Beine zu stellen und die „Moorteufel“ viele Jahre in der damals vierthöchsten Liga zu halten. Nicht zuletzt aufgrund der akribischen Trainertätigkeit Pophals.
Das bekamen sie natürlich auch beim großen Rivalen 1. FC Osterholz-Scharmbeck mit, der sich in derselben Liga tümmelte und 1974 den anvisierten Aufstieg in die Landesliga Niedersachsen knapp verpasst hatte. Dort wollten die Weinroten aber zu gerne hin – und mit dieser Perspektive gelang es schließlich, Pophal nach neun Jahren am Stück bei den Blau-Weißen loszueisen. Das alleine löste schon ein mittleres Erdbeben im Teufelsmoor aus. Doch dann wollte ausgerechnet Bornreihes Gallionsfigur Hans „Hexe“ Wendelken seinem Coach auch noch folgen. „Er stand eines Tages vor mir und fragte: Trainer, was würdest Du sagen, wenn ich mitkomme?“ erinnert sich Pophal, der darauf bestand, dass Wendelken im Verein deutlich klarstellte, dass er, Pophal, ihn, Wendelken, nicht aktiv abgeworben hätte. „Auf diese Idee wäre ich schließlich nie gekommen. Aber ihm verbieten, zum FCO zu wechseln, konnte ich ja auch nicht.“
Lesen Sie morgen im zweiten Teil der großen „Pophal-Story“, wie eine sagenumwobene Taktikänderung den 1. FC Osterholz-Scharmbeck im Frühjahr 1976 auf den Fußball-Olymp führte, wie Klaus Pophal nach Bornreihe zurückkehrte und wie er später noch einmal sechs Jahre beim FC Hambergen für Furore sorgte.
Rolf Altmann (Spieler beim 1.FC Osterholz-Scharmbeck): Klaus Pophal war eine absolute Autorität. Jeder einzelne Spieler wurde am Donnerstag perfekt auf den kommenden Gegner eingestellt. Ich erinnere mich auch noch sehr gut daran, wie der Trainer im Dezember einmal zu mir kam und fragte: Rolf, könntest Du vielleicht bei meinen Kindern den Weihnachstmann spielen? Ich war ziemlich nervös, das war schließlich eine ziemliche große und wichtige Aufgabe für mich. Aber ich habe es dann natürlich gemacht - und die nächste Aufstellung war damit gesichert."
Dieter Ringe (Spieler SV Blau-Weiß Bornreihe): Ich kam 1978 aus Gnarrenburg nach Bornreihe und wagte als 19-Jähriger damit einen Drei-Ligen_Sprung. Klaus Pophal ist mir dabei außergewöhnlich zur Seite gestanden und hat mir dabei geholfen. Sein Training war sehr hart, Disziplin war alles für ihn. Wir haben zwar nur zweimal pro Woche trainiert, aber vor 21 Uhr war nie Trainingsschluss. Und wir wussten alle, dass das notwendig war, denn wir mussten viel über das Läuferische und Kämpferische lösen. Während des Spiels selbst war Klaus Poiphal eher ein ruhiger Vertreter, aber im Training hat er uns perfekt auf die Gegner eingestellt.
Günter Eilers (Spieler SV Blau-Weiß Bornreihe): Als echter Bornreiher kam ich 1971 als junger Spieler in die erste Herren und merkte schnell, wie leistungsorientiert Klaus Pophal war und wie viel Wert er auf Disziplin legte. Nach dem letzten Training erwartet er, dass sich jeder Spieler bestmöglich auf das anstehende Spiel vorbereitet. Der Schlaf vor 0 Uhr ist der wichtigste, hat er immer gesagt. Vor den Spielen war Alkohol tabu, danach wurde aber oft gefeiert. Der Trainer selbst hat allerdings nur selten mitgetrunken, ist ja auch oft mit dem Auto gefahren. Da war er dann auch ein absolutes Vorbild.
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