Lemwerder/Berne. Deichshausen, Barschlüte, Altenesch – für sieben junge Mitglieder des Naturschutzbundes gab es Montagvormittag einen Schnellkursus in Ortskunde, und zwar in der südlichen Wesermarsch, in Lemwerder. Die fünf Männer und zwei Frauen schrieben fleißig mit, was Franz-Otto Müller, der Leiter der Umweltorganisation Naturschutzbund (Nabu) in der Wesermarsch, ihnen erzählte. Ihre Aufgabe wird es nun in den kommenden Wochen sein, die Menschen in der Wesermarsch über die Arbeit der Organisation aufzuklären und neue Mitglieder zu werben.
„Wir wollen versuchen, eine gesellschaftliche Zeitbombe zu entschärfen“, sagte Nabu-Bezirksgeschäftsführer Rüdiger Wohlers im Rahmen einer Pressekonferenz am Montagvormittag in der Begegnungsstätte in Lemwerder. „Wir versuchen, dem Verlust von Artenkenntnis entgegen zu wirken. Man kann schließlich nur vermissen, was man kennt.“ Es handele sich um die größte Werbeaktion, die der Naturschutzbund in der Wesermarsch gestartet hat, fuhr Wohlers fort. Der Geschäftsführer wünscht sich einen starken Verband, unter anderem, weil dieser bei Bauvorhaben als Sprachrohr der Natur diene.
Die Aufklärung des Werberteams über die Wesermarsch fand laut Wohlers an einem historischen Ort statt. Im dem Raum „Altenesch“ der Begegnungsstätte Lemwerder sei im Jahr 2011 die erste von 20 neuen Gruppen in der Region entstanden. Das jüngste Mitglied ist die Nabu-Gruppe in Elsfleth. Das Besondere an den Gruppen sei, dass sie laut Wohlers „ent-vereinsmeiert“ würden. Soll heißen: Es gibt keinen klassischen Vorstand mehr. Vielmehr gibt es einen Sprecher, der eine enge Zusammenarbeit mit der hauptamtlichen Geschäftsstelle in Oldenburg pflegt.
Der Raum „Altenesch“ bot sich aus Sicht von Hartmut Drebing, dem Sprecher der Stedinger Nabu-Ortsgruppe, aber auch noch aus einem anderen Grund an. Er forderte das siebenköpfige Werberteam auf, aus dem Fenster zu schauen. Die Teilnehmer folgten und lauschten Drebings Worten. In dem kleinen Wäldchen, das sie anschließend nämlich am Horizont sahen, zog ein Seeadlerpärchen im Sommer seinen Nachwuchs groß, berichtete Drebing stolz. Müller sprach von „einem der Edelsteine in der Wesermarsch“ und davon, dass Experten vor 40 Jahren noch hämisch gelacht hätten, wenn jemand die Wiederansiedlung von Seeadlern erwähnt hätte. Hartmut Drebing informierte darüber hinaus das Werberteam, das aus Männer und Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet besteht, über eine weitere Besonderheit Lemwerders: die Kleipütte in Barschlüte. 78 Vogelarten haben die Tierschützer auf der Wasserfläche und an deren Ufern in den vergangenen zwei Jahren gezählt. Zuletzt sei dort laut Drebing ein Singschwan, gut zu erkennen an seinem gelben Schnabel, gesichtet worden.
Als weiteres Projekt beschrieb Drebing das Flussseeschwalbenfloß in Ochtum, mit dem es den Stedinger Naturschützern gelungen sei, der Flussseeschwalbe ein Domizil in hiesigen Gefilden anzubieten. Als neuestes Projekt plane der Nabu, den Steinkauz wieder anzusiedeln. In den Landkreisen Oldenburg und Ammerland sei er durchaus noch zu Hause, berichtete Drebing. Nicht aber zwischen Weser und Jade.
In der mittleren Wesermarsch sollen Streuobstwiesen angelegt werden, um die kleine Eulenart zu locken. In Stedingen versuchten die Naturschützer, dem Steinkauz in den Berner Ortschaften Hiddigwarden und Neuen-huntorf durch spezielle Röhren Anreize zum Nisten zu bieten, klärte Drebing seine Werber auf.
Seit Montagmittag ziehen die fünf Männer und zwei Frauen nun durch die Straßen der Gemeinden Berne und Lemwerder. „Wir wollen jeden Haushalt erreichen“, blickt Leiter Mahsum Iciger voraus. „Ein Großteil der Menschen möchte abgeholt werden“, nennt Rüdiger Wohlers die Gründe für das Werberteam. „Tagesausflüge und Abendveranstaltungen reichen nicht, um die Menschen zu erreichen.“ Die vor den Werbern liegende Arbeit sei von Ehrenamtlichen nicht zu leisten, begründet Wohlers die Werbeaktion.
Voraussichtlich bis Freitag werden die Naturschützer in Stedingen aktiv sein. Wohlers legt Wert auf die Feststellung, dass das Team an den Haustüren nicht um Geld bitten werde. Vielmehr gehe es ihnen um Mitgliedschaften - aktive ebenso wie passive. Die Werbeaktion ist bei den Ordnungsämtern und der Polizei angemeldet. Alle Teammitglieder, die an den Haustüren klingeln, können sich ausweisen, betont Wohlers.
Von Stedingen aus arbeiten sich die Naturschützer in Richtung Norden voran. In der kommenden Woche wollen Sie Elsflether Bürger aufsuchen. Regionalgeschäftsführer Wohlers rechnet damit, dass der Einsatz in der gesamten Wesermarsch mindestens vier Wochen dauern wird.
Bei Rückfragen ist der Naturschutzbund Wesermarsch unter der Telefonnummer 0 44 01 / 7 14 85 zu erreichen.