Bremen/Landkreis Osterholz. Wer am Sonntag in Borgfeld die Alte Grundschule aufsuchte, um seine Stimmen abzugeben, der musste jede Menge Geduld mitbringen. Vor einigen der sechs Wahlräume bildeten sich im Verlauf des Tages lange Schlangen: Die Abgabe der Stimmen für Europa-, Bürgerschafts, Beiratswahl und Volksentscheid brauchte eben Zeit. Nur gut, wenn man vorbereitet war. Eine Borgfelderin hatte sich ein dickes Buch mitgebracht. Ihre Nachbarin habe erzählt, dass man eine Dreiviertelstunde warten müsse, erzählte sie, während sich der Menschenwurm nur langsam voranbewegte. Warum also die Zeit nicht sinnvoll nutzen und ein gutes Buch lesen?
Nicht jeder war so geduldig. Es sei durchaus vorgekommen, so Wolfgang Wanserski, dass Menschen angesichts der Wartezeiten vor dem Wahllokal wieder kehrt gemacht hätten. „Die waren sauer, weil es ihnen zu lange dauerte“, sagte das Mitglied der Bremer Wahlleitung am Sonntagnachmittag und zuckte mit den Schultern. Es sei das Ergebnis politischer Beschlüsse, so viele Wahlen auf einen Tag zu legen. Von Organisatorenseite tue man, was man könne.
Andernorts ging es deutlich entspannter zu. Fünf Kilometer Luftlinie entfernt, in der Grundschule Trupermoor in Lilienthal, konnten die Wahlberechtigten zumeist einfach zur Wahlkabine durchgehen. Die Wählerinnen und Wähler kamen schubweise: Vormittags ging es schon gut los, am frühen Nachmittag aber saßen viele offenbar beim Mittagessen, sodass minutenlang niemand den Weg in das Wahllokal fand.
Gute Zwischenbilanz
Dennoch waren die Helfer zufrieden: 40 Prozent waren bis halb zwei schon da. „Die anderen 30 Prozent kommen noch“, scherzte Kruse mit Blick auf die erwartete Wahlbeteiligung. Mit dieser Prognose rief sie eine Besucherin auf den Plan, die gerade ihren Zettel in die Urne steckte: „60 Prozent! Nicht so pessimistisch sein!“, forderte diese. Kruse winkte ab. Sie verrichte diese Aufgabe seit 30 Jahren, da wisse man, dass eine 100-Prozent-Beteiligung nicht erreicht wird.
Immerhin wurden zwischenzeitlich die Stimmzettel knapp, sodass Kruse im Rathaus anrufen und weitere Exemplare nachordern musste. Am Abend sollte es dann an die Auszählung gehen, bis zum letzten Stimmzettel. In ihrem Bereich, Trupermoor-Süd, gab es rund 900 Wahlberechtigte. Gleich nebenan, in Trupermoor-Nord, hätten es theoretisch etwa 1300 Wahlzettel sein können. „Wir bleiben so lange, wie es dauert“, sagte Kruse und lächelte dabei.
Gut lachen hatte man auch in Waakhausen. Nachdem die sonst genutzte Gaststätte Zur Semkenfahrt wegen Renovierung dieses Mal nicht als Wahllokal zur Verfügung stand, mussten sich Wahlvorstand Fritz Gerdes und seine Helfer im Gebäude der Ortsfeuerwehr einrichten. Auch hier war man am Nachmittag mit der Wahlbeteiligung ganz zufrieden. Wer befürchtet hatte, die Wahlberechtigten könnten sich mit dem ungewohnten Standort nicht zurechtfinden, der wurde widerlegt, betonte Gerdes. 24 hatten schon vorab per Brief gewählt, und bis zum frühen Nachmittag war schon rund die Hälfte der verbleibenden 104 Wahlberechtigten gekommen.
Und das versprach einen entspannten Restnachmittag. Gerdes und Kollegen tranken Fanta aus Tassen und naschten Kekse. Die Arbeit als Wahlhelfer mache Spaß, sagte Ronald Stelljes, der sich schon seit zehn Jahren auf diese Weise engagiere. Und sie habe noch einen weiteren Effekt, denn wer im Wahllokal im Einsatz ist, der handelt sich so manchen Klönschnack ein. Und das sei eigentlich das Beste, denn: „Wann sieht man schon mal das ganze Dorf?“