
Mit einer bundesweiten Kampagne wenden sich Humanmediziner und Tierärzte gegen den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Keime aus agrarindustriellen Anlagen, die resistent gegen Antibiotika seien, bedrohten massiv die menschliche Gesundheit, sagten die Initiatoren am Mittwoch in Hannover. Medikamente schlügen nicht mehr an, Antibiotika blieben wirkungslos.
Rund 250 Ärzte, Pfleger und Pharmazeuten fordern als Erstunterzeichner eines Positionspapiers eine tiergerechte Haltung in bäuerlichen Betrieben, schärfere Kontrollen sowie Sanktionen beim Einsatz von Antibiotika in der Tiermast. Wichtige Antibiotika müssten für die Humanmedizin und die Forschung gegen multiresistente Erreger reserviert bleiben.
Ärzte versuchten oft vergeblich, das Leben und die Gesundheit immungeschwächter Patienten zu retten, sagte die Bremer Internistin Imke Lührs als verantwortliche Sprecherin der Ärzte-Initiative. Neue Antibiotika seien allerdings nicht zu erwarten. Resistente Erreger würden über die Abluft von Ställen, Gülle und Tiertransporte sowie über das Fleisch übertragen. Besonders betroffen sind laut der Initiative Patienten mit geschwächter Abwehrkraft wie Säuglinge und alte Menschen. Aber auch Unfallopfer sowie Menschen in einer Dialyse oder Chemotherapie seien anfällig.
Studien zufolge sterben in der Europäischen Union jährlich rund 25 000 Menschen, weil Antibiotika nicht anschlagen. Der Veterinär-Professor Siegfried Ueberschär warnte davor, „dass Antibiotika demnächst als Waffe gegen bakterielle Infektionen für Menschen und Tiere nicht mehr zur Verfügung stehen“ könnten. Die Massentierhaltung sei zunehmend „nicht mehr vereinbar mit tierärztlichen Grundsätzen“. Weil zu viele Tiere auf engstem Raum gehalten würden, seien die Landwirte gezwungen, Antibiotika einzusetzen, damit sich in den Ställen keine Krankheiten ausbreiten könnten.
In Gegenden mit einer hohen Dichte an Massenställen trügen auch die Beschäftigten von landwirtschaftlichen Betrieben oder Schlachthöfen vermehrt multiresistente Keime in sich, kritisiert die Initiative in ihrem Positionspapier. Ihre „fachlich gute Arbeit“ an den „Begleiterscheinungen der industriemäßigen Tierhaltung“ wirke „letztlich als Stütze eines kranken Systems“, beklagen die Tierärzte.
Das Auftauwasser von Tiefkühlgeflügel oder frisches Hähnchen- und Putenfleisch seien zwischen 22 und 42 Prozent mit resistenten ESBL- oder MRSA-Keimen befallen. 76 Prozent der Schweine und 83 Prozent des Mastgeflügels erhielten Antibiotika, teils über ein Viertel ihrer Lebensdauer. Einige Keime könnten die Resistenz auf andere Bakterien übertragen, das mache die Situation „brandgefährlich“. Niedersachsen sei ein Schwerpunkt der Massentierhaltung, kritisierten die Ärzte.
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