
Macht Windenergie krank? Mediziner warnen vor Infraschall, vor unhörbaren Wellen mit einer Frequenz von unter
20 Hertz, die von den Anlagen ausgehen. „Diese könne eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit bedeuten“, sagt der Hausarzt Thomas Stiller, der in der Nähe von Göttingen zwei Landpraxen betreibt. Gemeinsam mit Kollegen der Initiative „Ärzte für Immissionsschutz“ fordert er für Häuser einen Mindestabstand vom Zehnfachen der Nabenhöhe der Windräder. Dies wären bei den heute üblichen Maßen der Mühlen 1,5 bis zwei Kilometer.
Der geplante Windenergie-Erlass von Niedersachsens rot-grüner Landesregierung sieht dagegen lediglich 400 Meter
Distanz zur Wohnbebauung vor. „Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft reichen die Vorgaben zum Lärmschutz aus, um gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschall zu verhindern“, erklärt Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne).
„400 Meter sind absolut zu wenig“, widerspricht Stiller. Der tieffrequente Schall könne sich auf Dauer bei Menschen negativ auf Nerven- und Hormonsysteme auswirken; Kopfschmerzen, Müdigkeit und Stoffwechselprobleme seien die Folgen. „Nur weil man es nicht hört, ist es noch lange nicht harmlos“, meint der Mediziner.
Nach der vor einem Jahr verabschiedeten Reform des Baugesetzbuchs können die Länder weitgehend selbst die Abstände zu Windanlagen festlegen. So hat Bayern den Rahmen voll ausgeschöpft und die zehnfache Distanz im November gesetzlich festgeschrieben. Diesem Beispiel müsse Niedersachsen folgen, schließt sich die Landes-FDP den Ärzten an. Ausnahmen dürften nur mit Zustimmung der unmittelbar Betroffenen zulässig sein.
„Das würde die in Betracht kommenden Restflächen so drastisch reduzieren, dass die gesamte Energiewende infrage gestellt würde“, warnt dagegen Wenzel. Dann blieben nur noch 0,1 Prozent der Landesfläche für Windräder. Bislang beanspruchen die Anlagen laut Ministerium rund ein Prozent der Landesfläche.
„Uns geht es nicht um die Verhinderung des Ausbaus regenerativer Energien“, betont der FDP-Generalsekretär im Landtag Gero Hocker aus Achim – wohl wissend, dass ein Zwei-Kilometer-Abstand das faktische Aus für neue Windmühlen bedeuten würde. Die Liberalen versprechen sich offenbar von den wachsenden Widerständen vor Ort Rückenwind für die 2016 anstehenden Kommunalwahlen. Hocker bietet denn auch den mittlerweile knapp einhundert Gruppen und Initiativen gegen Windenergie – vom Wattenrat an der Küste bis zum Bürgernetzwerk Energiewende in Südniedersachsen – Hilfe bei der Vernetzung und Gründung eines schlagkräftigen Dachverbands an.