
Erst setzt die Varroamilbe den Bienen so arg zu, dass die Bestände um rund ein Viertel geschrumpft sind – und dann das: Bienenvölker werden– samt der Ernte – gestohlen. Einen Schwerpunkt stellt der Landkreis Stade dar. Während der Obstblüte verschwanden allein von Plantagen im Alten Land 33 Bienenstöcke. Auch in Rastede, Osnabrück in Friesoythe, in Buchholz und in Northeim und Göttingen fehlen Bienenstöcke.
„Insgesamt sind es bislang rund 50 Völker, die uns gestohlen wurden“, sagt Jürgen Frühling, Vorsitzender des Landesverbandes Hannoverscher Imker mit niedersachsenweit rund 5300 Mitgliedern. Dass Imkern ihre Immen gestohlen werden, kommt, vor allem kurz vor der Ernte, immer wieder vor. „Aber dieses Jahr ist es doppelt so viel wie sonst.“, sagt Frühling.
Für Rainer Bohmbach, Sprecher der Polizei in Stade, die mit den Fällen befasst ist, ist die Situation dieses Jahr extrem: „Gefühlt haben wir eine eine Steigerung um 100 Prozent“. Die Täter geben der Polizei Rätsel auf. Der Vorsitzende des Kreisimkervereins Stade, Nico Martens, der im Imkerlandesverband Fachmann für Bienenwanderung ist, hat hingegen einen Verdacht: „Grund für die Diebstähle sind wahrscheinlich die Ausfälle durch die Varroamilbe nach dem milden Winter.“
Das vermutet auch die Geschäftsführerin des Deutschen Imker-Bundes (DIB), Barbara Löwer: „Manche Imker meinen, sie könnten ihre Bestände so auffüllen.“ Und Cord-Henry Lankenau aus Verden, DIB-Präsidiumsmitglied und bei den Hannoverschen Imkern für das Rechtswesen zuständig, hat auch schon öfter davon gehört, dass Imker sich – andernorts – bei anderen bedient haben. „Imker zu sein verpflichtet ja nicht zur Ehrlichkeit.“
Dem widerspricht Jürgen Frühling: „Die Täter bei den unseren Freizeit- und Berufsimkern zu suchen, das halte ich für abwegig“, sagt er. Eher vermutet er Bienenhändler als Diebe, „oder Imkereien, die groß werden wollen“. Frühling ist überzeugt davon, dass ohnehin „nur sehr wenige und professionelle Täter“ für den Immen-Klau verantwortlich sind: „Sie müssen etwas vom Umgang mit Bienen verstehen, und so ein Bienenstock mit dem Ertrag, den lädt man nicht allein auf den Wagen, der wiegt 80 bis 90 Kilogramm.“
Das Alte Land werde von Dieben offenbar als „Selbstbedienungsladen“ gesehen, sagt Jürgen Frühling. Obstbauern zahlten Prämien an Imker, die ihre Bienen zur Bestäubung dort hinbringen: „Zur Apfel- und zur Kirschblüte gibt es die erste große Bienenbewegung der Saison. Dort stehen dann viele Völker auf einer vergleichsweise winzigen Fläche“, sagt Frühling. „Das ist ganz anders als die Rapsblüte in Schleswig-Holstein oder die die nächste große Wanderung, die in die weitläufige Heide führt.“
Jedes Bienenvolk, schätzt Vereinschef Frühling, sei rund 150 Euro wert, „mit Ernte 400 bis 500 Euro“. Organisierte Neben- und Haupterwerbs-Imker sind über ihre Landesverbände versichert – beispielsweise bei der Hamburger Gesellschaft Gaede und Glauerdt. Das Unternehmen kann eine „gravierende Zunahme von Diebstählen nicht bestätigen“, wie Birgit Bonatz sagt.
Möglicherweise werden es mehr, wenn Imker ihre Völker jetzt, nach der Obstblüte, in andere Gebiete bringen wollen – und feststellen, dass die Kästen verschwunden sind.
Diese Erfahrung hat Berufsimker Hartmut Schmidt-Uhlenkamp aus Bremen-Blumenthal vor ein paar Jahren machen müssen: „Mir sind damals Völker in der Mahndorfer Marsch abgeräumt worden – alles in allem ein Schaden von 16 000 Euro.“ Seither zieht Schmidt-Uhlenkamp alle Register: Bienenkästen sind mit Künstlicher DNA markiert, sogenannte Tracker, versteckte kleine Sender, helfen, den Standortwechsel zu verfolgen – nicht zu vergessen die Wildkameras. „Wenn ich meine Bienen jetzt zur Akazienblüte nach Brandenburg gebracht habe, dann sind die 600 Kilometer weg – wenn da was ist, muss ich die Polizei rufen – und der muss ich schließlich was Konkretes sagen können.“
Konkret will auch Jürgen Frühling vom Landesverband Hannoverscher Imker werden: „Nach den Fällen im Alten Land werden wir die Überwachung verstärken“ sagt er, „zum Beispiel mit Respondersystemen.“ Bei der Beschaffung der kleinen Peilsender will der Verband seine Mitglieder unterstützen. Damit gestohlene Bienen wieder heimfinden.