
Zwei vorige Verfahren sind 1997 und 2009 geplatzt. Das Gericht hat keinen Aufwand gescheut, so wurde der Hauptbelastungszeuge in Syrien vernommen. Die Zeit aber arbeitet nicht zugunsten der Justiz – einer der drei mutmaßlichen Täter ist inzwischen tot. Und kurz vor Prozessstart steht fest: Auch der zweite Angeklagte ist am Freitag gestorben.
Bedrückt schaut der verbliebene Angeklagte Hassan K. auf seine Hand, dann hört er dem Vorsitzenden Richter Wolfgang Rosenbusch bei der Verlesung eines Polizeiprotokolls von 1996 zu. Beschrieben wird die Entdeckung eines gefesselt in einem Plastiksack in einem Forst bei Hannover vergrabenen Toten. Der 24-Jährige ist nach Messerstichen in Kopf, Brust und Unterleib verblutet. Zwei Rechtsmediziner sagen als Zeugen über ihre damaligen Befunde zu Todesursache und Identität aus, in diesen Punkten ist der Mordfall für das Gericht klar. Aber lässt sich dem 59 Jahre alten Angeklagten die Tat von 1995 noch nachweisen? Er selber schweigt.
Dem gebürtigen Iraker soll damals die Schwester des späteren Opfers als Ehefrau versprochen worden sein. Als die 17-Jährige aus ihrer Heimat in Niedersachsen eintraf, soll ihr Bruder sich geweigert haben, sie als Drittfrau dem Mann zu überlassen. Aus verletztem Ehrgefühl, so die Anklage, soll es daraufhin zu der tödlichen Abrechnung im Fuhrberger Holz gekommen sein. Erst sollen die Täter ihr Opfer in ein Auto gezerrt und dann im Wald erbarmungslos niedergemetzelt und vergraben haben. Erst im Oktober 1996 stießen Pilzsammler auf den von Tieren freigescharrten Plastiksack.
Kernproblem des Gerichts nach 22 Jahren: Zwar gibt es einen Hauptbelastungszeugen, dieser aber ist schon lange nach Syrien abgetaucht. Wo er sich heute aufhält, ob er noch lebt – Fehlanzeige. Es handelt sich um einen Freund des Opfers, der von den Tätern gezwungen worden sein soll, das Verbrechen mit anzusehen. Zwar wurde er in Deutschland vernommen, setzte sich aber während des ersten Prozesses nach Syrien ab. Auf deutsche Bitten hin wurde er dort 2005 in der nordöstlichen Provinzhauptstadt Al-Hasaka vernommen – heute wütet dort der Krieg.