
Wilhelmshaven. Schäden beim Bau, Mehrkosten und demnächst Kurzarbeit: Der Jade-Weser-Port kommt ein halbes Jahr nach der Eröffnung nicht in Fahrt. In Wilhelmshaven überwiegt dennoch Zuversicht.
Eine Drehscheibe des internationalen Seeverkehrs sollte der Jade Weser Port in Wilhelmshaven werden. "Das hilft ganz Deutschland", war sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zur Eröffnung des einzigen deutschen Tiefwasserhafens am 21. September 2012 sicher. Jetzt ist nach einem halben Jahr Betriebszeit Ernüchterung eingekehrt: Der als "Jahrhundertprojekt" von Niedersachsen und Bremen hochgejubelte Hafen dümpelt vor sich hin. Wegen fehlender Auslastung steht sogar Kurzarbeit bevor.
Betreiber des Milliardenbauwerks ist das europaweit tätige Containerumschlagsunternehmen Eurogate. Es will dort Frachter mit einem Tiefgang bis zu 16,5 Metern unabhängig von den Gezeiten abfertigen. Bis zu vier Schiffsriesen mit maximal je 18.000 Containern können an der 1725 Meter langen Kaje abgefertigt werden. Soweit die Theorie, praktisch sieht es aber mau aus: Nur zwei Schiffe pro Woche werden bislang abgefertigt.
Die Umschlagsziele für das laufende Jahr seien kaum mehr zu erreichen, räumt Eurogate ein. Bis Ende vergangenen Jahres seien in drei Monaten lediglich 26.000 Container im Jade Weser Port in Wilhelmshaven umgeschlagen worden, berichtet die "Welt". Seit Jahresanfang 2013 habe sich an diesen Zahlen nichts geändert. Eurogate habe aber der Hafen-Realisierungsgesellschaft eine Mindestzahl von rund 700.000 Containern für das erste volle Betriebsjahr vertraglich zugesichert. "Nach derzeitigem Stand wird es nur ein Bruchteil davon sein", sagte Eurogate-Vorstandschef Emanuel Schiffer der Zeitung. Die Realisierungsgesellschaft in Wilhelmshaven äußert sich nicht. Deren Chef Axel Kluth hat jedoch seinen Rückzug aus der Geschäftsführung angekündigt.
Die Schleichfahrt im Schongang führt demnächst sogar zur Kurzarbeit im Hafen. Eurogate verhandelt darüber seit Februar mit der Gewerkschaft Verdi. Wie viele der 400 Mitarbeiter betroffen sein werden, steht noch nicht fest. In der Belegschaft arbeiten mehr als 200 Langzeitarbeitslose, die Eurogate speziell für den Job in Wilhelmshaven übernommen und qualifiziert hatte.
Die neue rot-grüne Landesregierung in Hannover will den Hafen jetzt schnell vom Abstellgleis holen. Für Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) ist mit dem zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke von Oldenburg nach Wilhelmshaven schon ein Schritt erreicht: "Ein absoluter Gewinn kommt aber erst mit der Elektrifizierung der gesamten Schienenverbindung, und die ist vielleicht erst 2017/18 abgeschlossen".
Lies will zudem großen Logistikunternehmen die Vorteile des Tiefwasserhafens anpreisen und den Standort international besser vermarktet sehen: "Dafür brauchen wir ein Konzept mit Eurogate und Maersk. Die Zeiten, wo sich Umschlagsprognosen automatisch erfüllten, sind vorbei."
Wilhelmshaven signalisiert unterdessen Gelassenheit. "Es kann noch dauern, bis der Laden richtig läuft. Die Frage ist nicht ob, sondern wann", sagt Oberbürgermeister Andreas Wagner (CDU). Auch einer der Väter des jahrzehntelang geplanten Hafens ist zuversichtlich. "An den Vorzügen kommt kein Reeder vorbei", sagt der Chef der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung, John H. Niemann. "Wir sind bestens an den Straßen- und Bahnverkehr angebunden. Neben dem großen Tiefgang können wir auch ein breites Fahrwasser und kurze Revierfahrt bieten." Die Reeder müssten den Hafen zunächst für sich "erschnüffeln". Die wirklich großen Schiffe würden noch kommen. (dpa)