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Delmenhorst. Den 180 Mitarbeitern dreier Altenheime in Oldenburg und Delmenhorst treibt es die Sorgenfalten auf die Stirn. Die Häuser, in denen sie arbeiten, sind seit März insolvent - trotz herber Gehaltseinbußen in einem harten Job. Jetzt will das Pflegepersonal die Heime übernehmen und vor der Pleite retten. 'Wir können das besser als die bisherige Leitung', sagt der Vorsitzende der Diakonie-Mitarbeiter in Niedersachsen, Manfred Freyermuth.
Noch merken die 250 Bewohner im Büsingstift und am Schützenweg (beide Oldenburg) sowie im Stephanusstift (Delmenhorst) nichts von dem drohenden Aus. Frühstück, Mittagessen, Abendbrot, viel Pflege und Programm. Die Tage der Patienten sind geregelt. In den Personalräumen aber wächst die Angst vor der Arbeitslosigkeit. 'Die Diakonie setzt die Mitarbeiter unter Druck, damit sie Änderungsverträge unterschreiben. Sie sollen auf 20 Prozent des bisherigen Gehalts verzichten, um den Job zu behalten', sagt Freyermuth. Teilweise würden die Pfleger sogar mit Kurznachrichten auf dem Handy drangsaliert. Freyermuth: 'Das ist ganz und gar nicht kirchlich. Das ist unethisch und inkompetent.'
Das Diakonische Werk der evangelisch-lutherischen Kirche in Oldenburg sieht keine Alternative zu einem harten Sparkurs. 'Die Personalkosten machen 80 Prozent unserer Ausgaben aus. Da müssen wir ran, um im Wettbewerb mit privaten Anbietern bestehen zu können', sagt Diakonie-Sprecher Frerk Hinrichs. Er klagt über die vergleichsweise niedrigen Pflegesätze in Niedersachsen. 'Die Politik muss mehr Geld ins System geben', fordert er. Die AOK Niedersachsen bestätigt, dass sich das Bundesland am unteren Ende der Skala für Pflegesätze in Deutschland befindet. Sprecher Klaus Altmann sagt: 'Dann müssen die Heimbetreiber in den Verhandlungen mit uns Krankenkassen auch mal den Mund aufmachen.'
Vor drei Jahren hatten einzelne Einrichtungen der Diakonie im Oldenburger Land schon einmal Finanzprobleme. 'Auch damals haben die Mitarbeiter auf Gehalt verzichtet. Die Diakonie aber hat ihr Sanierungskonzept nie umgesetzt', sagt Freyermuth. Deshalb wollen die Angestellten, die wegen nicht bezahlter Überstunden auch Gläubiger sind, bei der anstehenden Gläubigerversammlung ihr eigenes Konzept vorlegen. 150000 Euro für Überstunden stehen laut Mitarbeitervertretung noch aus. Mit 180 Euro Einlage will sich jeder Einzelne von ihnen an den drei Altenheimen beteiligen.
Dem vorläufigen Insolvenzverwalter Hermann Berding aus Cloppenburg liegen nach eigenen Angaben bislang keine Sanierungskonzepte vor - weder von den Mitarbeitern noch von der Diakonie. 'Ich kann noch nichts über die Chancen für eine Rettung der Einrichtungen sagen. Nur soviel ist sicher: Die Mitarbeiter bekommen noch bis Ende Juni Geld von der Arbeitsagentur', sagt Berding. Das Insolvenzverfahren stehe noch ganz am Anfang, die Gläubigerversammlung sei noch in weiter Ferne. 'So schnell lässt sich keine tragfähige Perspektive entwickeln.'
Manfred Freyermuth macht sich keine Illusionen. 'Auch wenn die Mitarbeiter die Altenheime übernehmen, wird es Gehaltseinbußen geben müssen. Diese werden aber nicht so dramatisch sein wie die Pläne der Diakonie. Wir streben Tarifniveau an', sagt der Mitarbeiter-Vertreter. Wie viele Pfleger, Büroangestellte, Köche und Therapeuten wegen der Angst vor Arbeitslosigkeit schon Änderungsverträge unterschrieben haben, weiß er nicht. 'Das muss jeder für sich selbst entscheiden.'
Nach Informationen der IHK Hannover gibt es deutschlandweit pro Jahr etwa 700 Firmen, die von Mitarbeitern übernommen werden. Dass eine ganze Belegschaft sich gegen den Noch-Arbeitgeber stellt und den Betrieb übernehmen will, ist auch für Nadine Schlömer vom Institut für Mittelstandforschung in Bonn eine Besonderheit: 'Das ist ein interessantes Geschäftsmodell. Normalerweise übernehmen Mitarbeiter das Geschäft, wenn es keine Nachfolge in der Familie gibt', sagt sie. In zwei Wochen will Insolvenzverwalter Berding eine erste Einschätzung über die Chancen der Mitarbeiter abgegeben.
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