
Der Weg führt sie durch ein kleines Waldstück, sie hört Schritte. „Ich dachte erst, das ist ein Freund, der mich überraschen wollte“, berichtet sie am Dienstag im Landgericht Lüneburg. Doch es ist kein Freund. Die 20-Jährige wird von hinten angesprungen und zu Fall gebracht. Der Angreifer würgt sie mit aller Kraft. Sie versucht zu schreien, aber sie bekommt keine Luft, dann wird sie bewusstlos.
Das ist jetzt fünf Monate her, in dem Prozess am Landgericht geht es um versuchten Mord. Der 25-jährige Angeklagte will zunächst keine Aussage machen, kündigt sein Verteidiger an. Kurz nach der Tat hat der junge Mann vor dem Amtsgericht Winsen aber Stellung genommen. Danach soll die gewaltsame Begegnung der beiden jungen Menschen einen ausgesprochen bizarren Auslöser gehabt haben.
Am Abend vor der Tat sei ihm der Gedanke gekommen, sich umzubringen, sagt der junge Mann in Winsen aus. Er habe Probleme mit der Freundin gehabt. „Ich hatte das Gefühl, dass die Beziehung beendet ist.“ Am Tag danach macht er sich mit dem Fahrrad auf den Weg zu dem Badesee bei Maschen im Landkreis Harburg. Er trinkt, hat ein Badetuch und Wein dabei – und ein Seil. Ihm fehlt der letzte Mut für den letzten Schritt. Dann sieht er am Parkplatz die 20-Jährige. „Wie aus dem Nichts kam mir die Idee, dass ich etwas Schlimmes machen muss, um die Kraft aufzubringen.“ Er packt die junge Frau, nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft, um sie zu töten.
„Ich bin erst wieder wach geworden, als ich auf dem Rücken lag“, berichtet das Opfer. Eine Frau habe geschrien, der Täter sei weggelaufen. Dann kommen auch schon ein Krankenwagen und die Polizei. Körperlich übersteht die 20-Jährige den Angriff ohne größere bleibende Schäden. Doch sie sagt auch: „Ich traue mich nicht mehr, alleine aus dem Haus zu gehen, vor allem wenn es dunkel ist.“
„Es ist ein großes Bedürfnis für meinen Mandanten, sich bei Ihnen zu entschuldigen“, sagt der Verteidiger zu der 20-Jährigen nach ihrer Aussage. Der Angeklagte sagt nichts. Mit gesenktem Kopf und kurz geschorenem Haar sitzt er da, Schlosser hat der junge Mann gelernt. Die Zeugin, die Hilfe holte, ist am ersten Prozesstag nicht dabei. Sie ist krankgeschrieben, das könnte für das Verfahren noch wichtig werden. In dem Wald am See sah sie den Angreifer und sein Opfer, beherzt schritt sie ein. Mehrfach habe sie den Mann angeschrien und mit der Polizei gedroht, berichtet sie später den Beamten. Zwei bis drei Minuten habe der die Frau gewürgt, erst dann habe er von der Bewusstlosen abgelassen.
Doch der 25-Jährige hat den Ablauf in der Vernehmung ein wenig anders geschildert. Nur wenige Sekunden will er die Frau gewürgt haben. „Sie hat ganz leise 'Hilfe' gerufen.“ Erst als er von seinem Opfer abgelassen habe, sei da die andere Frau gewesen, betont er.
Bis zum 20. Januar sind zunächst sieben Prozesstermine angesetzt. Sollte die Kammer den Schilderungen des Angeklagten folgen, so könnte es am Ende des Verfahrens möglicherweise statt um versuchten Mord nur noch um gefährliche Körperverletzung gehen.
dank dem spender.