
Die größte der evangelischen Landeskirchen in Deutschland steht vor einer schweren Wahl: Unerwartet muss das Kirchenparlament in Hannover Ende November über die Nachfolge von Bischöfin Margot Käßmann entscheiden, die nach einer Alkoholfahrt im Februar zurück getreten war. Fast elf Jahre war die beliebte und profilierte Theologin Aushängeschild der Kirche nicht nur in Niedersachsen. Käßmann hinterlässt große Fußstapfen, die Erwartungen an einen Nachfolger sind hoch. Die Auswahl der Kandidaten durch den Kirchensenat ist inzwischen praktisch abgeschlossen - doch etliche Namen, die genannt wurden, wurden auch sofort wieder dementiert.
Amtsmüde hat Käßmann sich nie gezeigt, im Gegenteil betonte sie immer wieder den Spaß an ihrer Arbeit als Bischöfin. "Da ist ein Stückchen Abschied, da ist Trauer dabei", hatte die 52-Jährige vor kurzem zu ihrem Rückzug gesagt. "Ich habe viel gestaltet in den Jahren, da war soviel, was mir am Herzen gelegen hat."
Die Wahl der vierfachen Mutter zur damals jüngsten deutschen Bischöfin war 1999 eine Sensation. Mit ihrer sympathischen Art und ihrem sozialen Engagement gewann Käßmann schnell die Herzen vieler nicht nur kirchentreuer Menschen. Nur Monate vor der verhängnisvollen Autofahrt war die mediengewandte Theologin noch zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aufgestiegen - auch dieses Amt legte sie nieder.
Engagiert evangelisch
"Wir brauchen einen Mann oder eine Frau, der engagiert evangelisch ist und Profil bilden kann", sagt der Vorsitzende des Landessynodalausschusses, Jörn Surborg, zur Nachfolgefrage. "Das ist für die größte Landeskirche der EKD wichtig."
Käßmanns Stellvertreter im Bischofsamt plädierte allerdings vor kurzem unmissverständlich für einen weniger medienpräsenten Nachfolger und eine Abkehr vom Personenkult. Käßmann sei zu sehr zur Identifikationsfigur geworden, sagte Bischofsvikar Hans-Hermann Jantzen. "Niemand kann mit seiner Person für die Wahrheit, für das Leben, für die Liebe gerade stehen." Der medial geförderten öffentlichen Meinung, es hänge einzig und allein von der persönlichen Authentizität ab, ob eine Botschaft rüberkomme, müsse theologisch energisch widersprochen werden, sagte Jantzen.
Für Käßmanns Nachfolger als Bischof in Hannover wurde inzwischen über mehrere Kandidaten spekuliert. Genannt wurden der EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte (61), der EKD-Militärbischof und lippische Landessuperintendent Martin Dutzmann (54) sowie der Hildesheimer Superintendent Helmut Aßmann (52).
Der Name einer Frau kursiert bislang nicht
Dutzmann wies die Gerüchte zurück, Schindehütte äußerte sich nicht weiter, Aßmann bestätigte immerhin, dass es eine Anfrage gegeben habe. Der Name einer Frau als Nachfolgerin kursiert bisher nicht. Die Kandidatensuche sei Aufgabe des Kirchensenats, des leitenden Organes der Landeskirche, erklärte Kirchensprecher Johannes Neukirch. Die deutschlandweite Suche befindet sich seinen Worten nach auf der Zielgerade. Anfang Oktober sollen die Kandidaten den beiden Fraktionen im Kirchenparlament präsentiert werden.
Die Wahl selber wird dann bei der Synodentagung vom 23. November an in Hannover erfolgen. Der neue Bischof braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Erhält keiner der Kandidaten auf Anhieb die Mehrheit, sind mehrere Wahlgänge nötig, die sich über mehrere Tage hinziehen können. Die Amtsübergabe selber ist voraussichtlich erst Anfang kommenden Jahres, dann ist Käßmann von ihrem Studienaufenthalt an einer US-Universität zurück und kann persönlich von ihrer Kirche Abschied nehmen. Käßmanns Nachfolge an der EKD-Spitze trat vorübergehend der rheinische Präses Nikolaus Schneider bis zur Neuwahl im Herbst an. Dabei gilt er als aussichtsreichster Kandidat.