
Aurich·Oldenburg. Noch ist die Ursache für die Belastung von Tausenden Eiern mit Polychlorierten Biphenylen (PCB) nicht geklärt. PCB stehen im Verdacht, krebserregend und erbgutschädigend zu sein. Die Ermittlungen der Behörden konzentrieren sich auf Altlasten im Boden. Unterdessen kritisiert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch die Grenzwerte als irreführend.
Die Verbraucher sind irritiert. Angeblich geht von den mit PCB belasteten Eiern aus Niedersachsen keine akute gesundheitliche Gefahr aus, obwohl die Grenzwerte für das Gift überschritten sind. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in Berlin, das Verbraucherschutzministerium in Hannover und die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch erklären den Widerspruch: Nicht das einzelne verseuchte Frühstücksei stelle eine Gefahr für die Gesundheit dar. Entscheidend sei vielmehr die Menge an PCB, die ein Mensch im Laufe seines Lebens im Fettgewebe einlagert. Denn PCB bauen sich anders als andere Schadstoffe nicht ab.
Die Konsequenzen aus dieser übereinstimmenden Erkenntnis aber sind unterschiedlich. Während das BfR und das Ministerium betonen, dass keine akute Gefahr von den PCB-Eiern ausgehe, warnt Foodwatch vor der langfristigen Belastung durch PCB. PCB gelten nicht nur als krebserregend, sondern auch als erbgutschädigend."Grenzwerte haben immer auch ein politisches Ziel", erklärt BfR-Sprecherin Miriam Ewald. Es ginge darum, die Belastung durch PCB so gering wie möglich zu halten. Deshalb seien die Grenzwerte relativ niedrig. "Eine kurzzeitige Überschreitung des Grenzwertes stelle noch keine Gefahr für den Verbraucher dar", betont die Sprecherin im Verbraucherschutzministerium, Natascha Manski. Das sieht auch Foodwatch-Sprecher Martin Rücker so. Problematisch findet der Verbraucherschützer die Festlegung der Grenzwerte auf der Basis der vorhandenen PCB-Belastung. Rücker: "So liegt der PCB-Grenzwert für ein Ei deutlich niedriger als der für einen Aal." Aale ließen sich sonst nicht verkaufen, weil es kaum noch unbelastete Aale gebe. Die Grenzwerte seien also irreführend.
"Vor allem berücksichtigen die Grenzwerte nicht den Konsum des Einzelnen", kritisiert Rücker. Anders gesagt. Wer viele Eier oder Aale isst, ist potenziell eher gefährdet. Die Grenzwerte würden lediglich den durchschnittlichen Konsum berücksichtigen, der im Einzelfall um ein Vielfaches überschritten wird. Er fordert deshalb niedrigere Grenzwerte: "Nur so können wir jeden Einzelnen vor PCB schützen." Denn vor PCB schütze auch das Biosiegel nicht. Rücker: "PCB kommt überall in der Umwelt vor, also auch auf Biohöfen." Besonders tückisch sei, dass man das Gift weder riechen noch schmecken könne, auch trotze es anders als Keime wie etwa Ehec großer Hitze. Auch hartgekochte Eier können also eine Gefahr für den Verbraucher darstellen.
In Deutschland sind PCB seit 1989 verboten. "In den vergangenen 20 Jahren ist die Belastung der Umwelt durch PCB deshalb deutlich zurückgegangen", sagt BfR-Sprecherin Ewald. "Das ist die gute Nachricht." Die schlechte Nachricht aber sei, dass PCB sich nur sehr, sehr langsam abbaue und längst in der Nahrungskette angekommen sei. PCB entsteht bei Verbrennungsprozessen. Jahrzehntelang wurde der Stoff in der Industrie bei der Herstellung von Farben und Kunststoffen sowie als Kühl- und Hydraulikflüssigkeit verwendet.
In Niedersachsen sind drei Legehennen-Betriebe im Landkreis Aurich und einer im Landkreis Oldenburg von der PCB-Belastung betroffen. Im Landkreis Aurich handelt es sich um dioxinähnliche PCB, im Landkreis Oldenburg um nicht dioxinähnliche PCB. Insgesamt gibt es mehr als 200 unterschiedliche PCB. Im Landkreis Aurich wurden zwei konventionelle und ein Biobetrieb gesperrt, im Landkreis Oldenburg ein Bio-Betrieb. Während für den Betrieb im Kreis Oldenburg laut Ministerium noch keine konkreten Ergebnisse vorliegen, hatten die Behörden im Landkreis Aurich erhöhte PCB-Werte in Ei- und Bodenproben gefunden.
Ursache unklar
Die Ursachenforschung konzentriert sich derzeit auf die Bodenproben. Offenbar gehen die Behörden von Altlasten aus. Eine vorsätzliche Verseuchung der Betriebe wird ausgeschlossen. "Bislang gibt es keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen", sagt die zuständige Staatsanwältin in Oldenburg, Kathrin Schmelzer. Die Anklagebehörde steht nach eigenen Angaben in engem Kontakt mit dem Landesamt für Verbraucherschutz. Ein Strafverfahren sei aber nicht ausgeschlossen.
Unterdessen gibt es Kritik an der Informationspolitik der niedersächsischen Behörden. Es habe keine offizielle Warnung gegeben, sagt ein Behördensprecher aus Utrecht in den Niederlanden. Dorthin waren 214950 der insgesamt 243000 PCB-Eier aus dem Kreis Oldenburg geliefert worden.
Ende 2010 hatte es den letzten Skandal um PCB-Eier aus Niedersachsen gegeben. Bis heute ist die Ursache nicht eindeutig geklärt. Das Landesamt für Verbraucherschutz ging damals davon aus, dass die Kontamination auf das Futtermittel zurückführen sei. Es handelte sich dabei um Ökomais aus der Ukraine. Im aktuellen Fall konnte bislang kein PCB im Futter der Legehennen nachgewiesen werden.