
Für das kinderlose Paar waren Jack und Socke mehr als Meerschweinchen. „Für uns ist ein Tier ein Familienmitglied, nicht nur ein Sachgut“, sagt der 34-Jährige kurz vor Beginn des Zivilverfahrens vor dem Amtsgericht Hannover. Seine Frau nickt und lächelt verlegen. 877,73 Euro Schadenersatz verlangen die beiden von ihrer Tierärztin, weil sich bei Jack und Socke nach der Kastration am 2. Mai 2013 Abszesse an den Hoden bildeten. Socke starb rund drei Wochen später an den Folgen der Entzündung. Jack überlebte, musste aber eine Woche lang in der Tierärztlichen Hochschule behandelt werden.
In der knapp zweistündigen Verhandlung am Freitag wurde zunächst die Verhältnismäßigkeit der Schadenersatzforderung geklärt. Schließlich kostete das neue Partnertier für Jack nur 24 Euro. Richterin Catharina Schwind hielt eine Summe von 570 Euro für angemessen, doch die Tierärztin lehnt eine Einigung ab. „Sie empfindet es als ehrenrührig, dass ihr hier ein Behandlungsfehler unterstellt wird“, sagte ihr Anwalt. Aus Sicht der Tierärztin sind die Besitzer selbst verantwortlich für Sockes Tod. Sie hätten nach dem Eingriff die Hinweise zur Hygiene und Wundversorgung missachtet.
„Ich mache mir solche Vorwürfe“, soll die 35-Jährige gesagt haben, als sie elf Tage nach der Kastration mit ihren Lieblingen die Praxisräume zum Fädenziehen betrat. Dazu die Tierärztin: „Die Tiere waren beide hochgradig verwahrlost. Es war alles verklebt.“ Kopfschütteln auf der Gegenseite, die zuvor all ihre Hygiene-Maßnahmen aufgezählt hatte. Eine Auszubildende der Praxis, die als Zeugin gehört wurde, bestätigte allerdings im Wesentlichen die Version ihrer Chefin. Am 15. Mai 2013 operierte sie die beiden Nager erneut, um die eitrigen Wucherungen zu entfernen. Danach blieben sie neun Tage in ihrer Obhut und wurden rund um die Uhr versorgt, wie die Ärztin beteuert. Vom Wärmebett und Drainagen für den Wundfluss ist die Rede.
Die Kläger sind überzeugt, dass in dieser Zeit etwas grundlegend schiefgelaufen sein muss. Am 24. Mai habe die Tierärztin angerufen und gesagt, sie habe die Lage nicht mehr unter Kontrolle, schildert der 34-Jährige. Auf dem Weg von der Praxis in die Notaufnahme der Tierklinik hätten beide Meerschweinchen „fürchterlich gestunken“. Die Richterin lässt am Ende der Verhandlung offen, ob sie noch ein tierärztliches Sachverständigen-Gutachten einholen wird. Die Entscheidung soll am 24. März verkündet werden.