
Hannover. An der Uni Hannover stehen 22 Professuren und das Institut für Meteorologie auf der Kippe; in Göttingen ist das Aus für das international renommierte Lichtenberg-Kolleg nicht mehr abzuwenden; in Braunschweig droht das ersatzlose Auslaufen von befristeten Juniorprofessuren. „Seit Ende 2020 werden immer mehr Hiobsbotschaften aus den Hochschulen bekannt“, beklagte die Grünen-Abgeordnete Eva Viehoff aus Loxstedt am Donnerstag im Landtag einen finanziellen Kahlschlag bei Forschung und Lehre. „Das rüttelt an den Grundfesten des Wissenschaftsstandorts Niedersachsen.“ Das Land drohe in die Zweitklassigkeit zu stürzen.
Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion bezog sich auf die seit dem vergangenen Jahr geltende Sparauflage im Haushalt, wonach alle Ministerien mit Ausnahme des Kultusressorts einen pauschalen Beitrag leisten sollen. 2020 betrug diese „globale Minderausgabe“ ein Prozent. Im laufenden Jahr sind es 1,25 Prozent, was den 17 größeren Hochschulen in Niedersachsen ein Minus von insgesamt knapp 25 Millionen Euro beschert. Die Unis Hannover und Göttingen müssen mit jeweils rund 3,3 Millionen Euro weniger auskommen; bei der Uni Oldenburg fehlen 1,94 Millionen Euro, bei der Jade-Hochschule mit ihren Standorten Wilhelmshaven, Oldenburg und Elsfleth 659.000 Euro. Die Etats sinken dadurch allerdings nicht unter das Niveau der Vorjahre; sondern es fallen die – unter anderem für Lohnzuwächse eingeplanten – Steigerungen geringer aus.
So wies denn auch Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) die Vorwürfe zurück. Zwischen 2015 und 2017 seien die laufenden Zuführungen an die Hochschulen um 4,09 Prozent oder rund 72,7 Millionen Euro gestiegen. Zwischen 2018 und 2020 betrage das Plus 7,47 Prozent oder rund 140,6 Millionen Euro. Jetzt stehe man allerdings nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie vor einer finanziellen Hürde. „Hier müssen wir oft genug das Machbare und das Wünschenswerte miteinander versöhnen. Hierzu gehören gelegentlich ebenso unangenehme wie schwierige Abwägungen“, meinte der Ressortchef. Ein Teil der jetzigen Sparverpflichtung beruhe aber auch auf „Altlasten“ seiner grünen Amtsvorgängerin Gabriele Heinen-Kljajic wie etwa auf der Abschaffung der Studiengebühren.
„Sie schüren Unruhe an den Hochschulen“, hielt Thümler den Grünen vor. Die Landesregierung dagegen entwickle die Wissenschaft weiter, schaffe die Grundlage dafür, dass alle niedersächsischen Hochschulen Stiftungshochschulen werden könnten. „Damit stärken wir nicht nur ihre Hochschul-, sondern auch ihre Finanzautonomie.“ Auch den Sanierungsstau, den der Deutsche Gewerkschaftsbund kürzlich auf 4,3 Milliarden Euro beziffert hatte, gehe man aktiv an, erklärte der Minister. Dazu stärke man den Technologietransfer und wolle unternehmerische Tätigkeiten von Forschenden erleichtern.
„Wenn man die Regierung so hört, ist eigentlich alles ganz schick“, lästerte der FDP-Abgeordnete Lars Alt. „Aber dann hört man die Hochschulen. Da herrscht nur noch Frustration. Die fühlen sich ausgebremst.“ Alt verwies auf die geballte Kritik aus den Universitäten, so von der Landeshochschulkonferenz und der Wissenschaftlichen Kommission. „Unsere Hochschulen könnten noch viel mehr leisten, wenn man sie nur lassen würde“, sagte der Liberale mit Blick auf Beiträge im Kampf gegen Corona oder den Klimawandel.
Auch SPD-Wissenschaftsexpertin Silke Lesemann betonte den „konkreten gesellschaftlichen Nutzen wissenschaftlicher Forschungen und Innovationen für das Gemeinwohl“ in der Pandemie oder beim Thema Mobilität. „Umso wichtiger ist es, dass wir in Niedersachsen unsere Hochschulen weiterhin stärken. Nur so sichern wir dauerhaft eine qualitativ hochwertige Hochschulbildung, holen und halten wir exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Niedersachsen“, meinte die promovierte Historikerin. „Dies gilt ausdrücklich unter Einbeziehung der Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften, zu deren Lasten Kürzungen allzu häufig gehen.“ Bei Ausstattung und Sanierung der Unis gebe es „noch viel Luft nach oben“, sagte Lesemann und forderte mit Blick auf den CDU-Koalitionspartner, mögliche Spielräume der Schuldenbremse zu nutzen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte ebenfalls vor einem „Kaputtsparen“. Studierende und Uni-Beschäftigte müssten die „völlig unangebrachten Kürzungen“ ausbaden, schimpfte GEW-Landesvizechefin Sabine Kiel.
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