
Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) sprach von einem Erfolg. „Wir haben gehandelt. Niedersachsen ist auf einem guten Weg“, sagte die Ressortchefin bei der Präsentation des neuen Nährstoffberichts am Freitag in Hannover. „Gemeinsam mit den Landwirten haben wir konsequent umgesteuert.“ Der Mix von Maßnahmen zum Wasserschutz greife. Dies müsse man bei den von der EU und vom Bund geforderten strengeren Düngeregeln berücksichtigen, forderte Otte-Kinast. Statt pauschaler Reduziervorgaben müsse das Verursacherprinzip gelten.
Bis zum 3. April muss Deutschland die neue Düngeverordnung verabschieden, sonst drohen hohe Strafzahlungen an Brüssel. Niedersachsen will allerdings den Entwurf von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) bis dahin noch maßgeblich entschärfen. Da kommen frohe Botschaften für Otte-Kinast gerade recht: Zwei von sieben Landkreisen im tierhaltungsintensiven Westen haben beim Stickstoff-Überschuss auf ihren Feldern die rote Sünderliste verlassen. Dass es beim Zuviel an Phosphat umgekehrt aussieht, dass die Zahl der betroffenen Landkreise und Städte erneut, nämlich von fünf auf acht stieg, konnte aus Sicht der Ministerin die positive Tendenz nicht trüben.
„Hohe Phosphatanteile verursachen in Gewässern Sauerstoffmangel durch zu viele Algen und führen letztendlich zum Tode von Fischen und andere Lebewesen“, kritisierte dagegen Agrarexpertin Miriam Staudte aus der Grünen-Fraktion. Auch den trotz des Rückgangs immer noch hohen Stickstoff-Überschuss dürfe man nicht hinnehmen, erklärte die Abgeordnete: „Wer weiterhin zu hohe Nitratmengen akzeptiert, nimmt damit Umweltschäden in Kauf und ist dafür verantwortlich, dass wir wegen der kostspieligen Filterung immer mehr für sauberes Trinkwasser zahlen müssen.“ Grüne und die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordern eine drastische Reduzierung der Tierbestände.
Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Schwetje bevorzugt dagegen einen „Dreiklang“ aus einer besseren Verteilung von Gülle in den Ackerbauregionen, nährstoffreduziertes Futter und weniger Tiere. Auch Güllelager und eine größere Verwertung in Biogasanlagen könnten die Überschüsse senken. „Wir Bauern setzen alle Hebel in Bewegung, um die Düngevorgaben zu erfüllen“, betonte Niedersachsens Landvolk-Vizepräsident Holger Hennies. Seit Monaten demonstrieren Landwirte bundesweit unter anderem gegen hohe Umweltauflagen. In Niedersachsen lassen sich allerdings die Folgen der Überdüngung gut ablesen: Mehr als die Hälfte, nämlich 396 der 767 Grundwasser-Gütemessstellen gerade auch in Trinkwassergebieten, weisen bedenkliche Nitratkonzentrationen von über 50 Milligramm pro Liter aus. 18 der 37 Landkreise, immerhin drei weniger als im Jahr zuvor, überschreiten zudem den Grenzwert beim Sickerwasser, das sich unterhalb der Wurzelzone befindet. Will man diesen Wert auf unter 50 Milligramm drücken, müsste man dort jährlich 48.000 Tonnen Stickstoff einsparen.
Laut Nährstoffbericht reißen die Kreise Ammerland und Emsland bei Stickstoff anders als noch im Vorjahr nicht mehr die zulässige Obergrenze. In den Kreisen Rotenburg, Oldenburg, Vechta, Cloppenburg und Grafschaft Bentheim fallen dagegen trotz der Verbringung von Gülle in andere Landesteile teilweise deutlich mehr als die erlaubten 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar an. Landesweit sank das Düngesaldo, also der Unterschied zwischen tatsächlicher Aufbringung und berechnetem Bedarf, von 50.000 Tonnen auf 31.000 Tonnen.
Bei Phosphat sind zu den bisherigen Kreisen, in denen die zulässige Menge von 17 Kilogramm pro Hektar überschritten wurde, nämlich Cloppenburg, Emsland, Grafschaft Bentheim, Oldenburg und Vechta, noch die Kreise Rotenburg sowie die kreisfreien Städte Delmenhorst und Wilhelmshaven hinzugekommen. „Das ist ein Wermutstropfen“, sagte Heinz-Hermann Wilken von der Düngebehörde, die bei der Landwirtschaftskammer angesiedelt ist. Gründe für den Anstieg seien die Trockenheit und damit verbundenen Ernteausfälle. Um die Überhänge auszugleichen, brauche man rund 91.600 Hektar Fläche. Noch dramatischer wird es, wenn 2023 die erlaubte Ausbringung auf zehn Kilo pro Hektar sinkt. Dann werden die Landkreise Ammerland, Diepholz, Verden und der Heidekreis ebenfalls zu Kandidaten. Die benötigte Ausgleichsfläche steigt auf fast 158.000 Hektar.