
Hannover. Die umstrittene Absenkung der Förderabgabe auf Erdöl und Erdgas beschäftigt jetzt die EU-Kommission. Zwei Mitglieder der Bürgerinitiative „NoMoorGas“ aus Ottersberg (Kreis Verden) und Groß Meckelsen (Kreis Rotenburg) haben bei der Brüsseler Wettbewerbsbehörde Beschwerde wegen einer „mutmaßlich rechtswidrigen Beihilfe“ durch das Land Niedersachsen eingelegt. Die millionenschweren Rabatte für die Förderkonzerne belasteten den Landeshaushalt und damit die Steuerzahler; außerdem seien sie klimaschädlich und benachteiligten die Wind- und Solarbranche, begründet der Brüsseler Rechtsanwalt Raphael Weyland die Eingabe. „Der Wettbewerb um Energiedienstleistungen ist verfälscht“, heißt es in der Beschwerde, die dem WESER-KURIER vorliegt.
Mit den Stimmen von SPD und CDU hatte der Landtag Ende Januar einen vertraulichen Vergleich mit den Förderkonzernen gebilligt. Darin gesteht die rot-schwarze Landesregierung den Unternehmen eine erhebliche Absenkung der Förderabgaben und sogar einen rückwirkenden Verzicht zu. Zuletzt mussten die Unternehmen bis zu 18 Prozent des Marktwerts der geförderten Menge bei Erdöl, bis zu 27 Prozent bei Erdgas berappen. Für 2020 erstattet die Regierung nun komplett die Zahlungen über 30,3 Millionen Euro. Im laufenden Jahr soll die Abgabe auf fünf Prozent sowohl für Öl als auch Gas sinken, was im Haushalt ein Minus von 33,61 Millionen Euro ausmacht. Ab 2022 sind dann zehn Prozent als Abgabe vorgesehen, allerdings mit zahlreichen Ausnahmen nach unten. Das Finanzministerium beziffert die möglichen Einnahmeverluste des Landes bis 2030 jährlich auf rund 19 Millionen Euro.
Die Rabatte sollen Rechtsstreitigkeiten mit den Konzernen verhindern. Ansonsten drohe ein Prozessrisiko mit einem Ausmaß von mehr als einer Milliarde Euro, rechtfertigte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) das Entgegenkommen. Im Dezember 2018 hatte das Bundesverwaltungsgericht das Land Mecklenburg-Vorpommern zur Rückzahlung von zu Unrecht kassierten Abgaben verdonnert. Die dortige Regierung hatte den Förderzins weit über den im Bundesberggesetz festgeschriebenen Regelsatz von zehn Prozent angehoben.
Das sei überhaupt nicht mit der Lage in Niedersachsen vergleichbar, zumal es hier schon immer Ausnahmen nach unten gegeben habe, kritisierten die Grünen den Vergleich als „servilen Kniefall“ vor der Förderindustrie. Auch der ehemalige FDP-Wirtschaftsminister Jörg Bode sprach von einem „dreckigen Deal“.
Grünen-Haushaltsexperte Stefan Wenzel geht jetzt noch einen Schritt weiten. In einem Brief an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) und Ressortchef Althusmann stellt er unverhohlen die Frage nach einer Strafbarkeit der Vorgänge in den Raum.
„Das Vorhaben ist rechtswidrig und sittenwidrig“, schreibt Wenzel. Die Regierung rechne den Marktwert der geförderten Rohstoffe nach unten. Die Absenkung der Zinssätze „unter Beibehaltung der zahlreichen Ausnahmen führt zu einer Förderabgabe auf Ramschniveau“. Dies verstoße nicht nur gegen den Sinn des Bundesberggesetzes. „Eine weitergehende Absenkung der Förderabgabe stellt zudem einen Untreuetatbestand nach Paragraf 266 Strafgesetzbuch dar.“ Danach wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft, wer gegen die ihm obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen zu wahren, verstößt.
Das Wirtschaftsministerium weist diese Vorwürfe als absurd zurück. Weder für eine Sittenwidrigkeit noch für einen Straftatbestand gebe es irgendwelche Anhaltspunkte, erklärte eine Sprecherin von Ressortchef Althusmann. „Der Entscheidung der Landesregierung liegen sachliche Erwägungen zu Grunde.“ Im Übrigen habe der Landtag den Vergleich mit der Industrie gebilligt. Die Beschwerde bei der EU, der sich in Kürze offenbar auch ein niedersächsischer Öko-Strom-Produzent anschließen will, entbehre ebenfalls jeder Grundlage. „Die aktuellen Anpassungen der Niedersächsischen Verordnung über die Feldes- und Förderabgabe basieren auf den im Bundesbergesetz definierten Kriterien zur Festsetzung der Abgabesätze. Eine ‚rechtswidrige staatliche Beihilfe‘ ist nicht erkennbar.“