
Beim ersten Mal hat Jack Lindner noch gedacht: klar, ein Versprecher, kann ja mal passieren. Als „Frau Lindner“ hatte ihn ein Kind im Unterricht angesprochen. Aber es sollte nicht das letzte Mal bleiben. „Es ist gerade in der Anfangszeit noch häufiger passiert“, sagt der angehende Grundschullehrer. In solchen Momenten merkt der 23-Jährige, dass es eine gute und richtige Entscheidung war, beim Projekt „Rent a teacherman“ mitzumachen, zu Deutsch „Leihe dir einen männlichen Lehrer aus“.
Denn dass er anfangs häufiger mit „Frau Lindner“ angesprochen wurde, „nie bös‘ gemeint“, führt er darauf zurück, dass die Schüler es gar nicht anders kennen als so: Vorne, am Pult, da sitzt eine Lehrerin, eine Frau. Einen Mann als Lehrkraft erwarten viele Grundschüler nicht. Dieselbe Erfahrung, also als „Frau“ angesprochen zu werden, sagt Lindner, hätten andere Kommilitonen, die ebenfalls bei „Rent a teacherman“ dabei sind, auch gemacht.
Das Teacherman-Projekt der Universität Bremen gibt es seit 2012. Mit im Boot ist das Bildungsressort, deren Sprecherin Annette Kemp sagt: „Wir schicken männliche Studierende in die Grundschulen, um den Kindern zu signalisieren: Erziehung und Bildung ist nicht nur Frauensache.“ In 19 Bremer Grundschulen fehlten damals bei Projektbeginn männliche Lehrkräfte. „Und da ich einige fähige, junge Männer in meinen Seminaren hatte, war klar: Das sind starke Typen, mit denen könnte das klappen“, sagt Projektleiter Christoph Fantini von der Universität Bremen.
Jack Lindner, heute im fünften Semester, ist seit März 2019 ein Teacherman. Er ist wie alle Projektteilnehmer an der Uni als Honorarkraft für 20 Stunden im Monat angestellt. Das macht fünf Stunden pro Woche, heißt: Er ist einen Vormittag in der Woche in der Schule. In seinem Fall ist es die Grundschule Arsten, die noch einen zweiten Standort hat, den Lindner bereits während seines Freiwilligendienstes nach dem Abitur kennengelernt hatte.
Aktuell macht Lindner Kinder aus der zweiten bis vierten Klasse in Kleingruppen für die Mathe-Olympiade fit. Er hat auch schon Projektwochen begleitet und einmal einer Kollegin im Sexualunterricht assistiert. Da hat er mit den Jungs aus der Klasse über das Thema Pubertät gesprochen. Ganz schön gelöchert hätten sie ihn mit der Zeit, sagt Lindner, ganz gezielt mit Fragen, die sie der Lehrerin nicht gestellt hätten, etwa: „Was passiert bei einem Samenerguss?“ Oder: „Warum passiert das?“ Gerade in diesem sensiblen Bereich schult das Projekt die Teilnehmer besonders gezielt.
Fantini berichtet von Teacherman, die Leseclubs gegründet oder eine Theater-AG aufgemacht hätten. „Einer hat sogar eine Näh-AG angeboten“, sagt Fantini, „auf die fragenden Blicke der Jungs in der Klasse hat er gesagt: ,Wollt ihr, dass eure Mama bis an euer Lebensende eure Socken stopft, Knöpfe annäht und Hosen flickt‘. Die AG ist tatsächlich zustande gekommen.“ Wichtig ist Fantini und den Teacherman, dass sie Stereotype aufbrechen und nicht reproduzieren. „Deshalb sollen die Studenten auch nicht unbedingt die Fußball-AG oder den PC-Raum übernehmen.“
Nach knapp acht Jahren zeigt das Teacherman-Projekt Wirkung: Im Herbst 2020 gibt es nur noch neun Grundschulen im Land Bremen ohne männliche Lehrkraft.