
Die Organisatoren sind längst auf der Zielgeraden: Am Sonntag startet das 115. Duhner Wattrennen. „Eine weltweit einmalige Pferderennsportveranstaltung auf dem Meeresgrund, bei der Traber und Galopper um Sieg und Platz kämpfen.“ So kündigt der Verein für Pferderennen auf dem Duhner Watt das sportliche Spektakel an. Während die Touristikmanager von der Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH „circa 30 000 Zuschauer” erwarten, gehen die Ausrichter von „rund 15 000“ Besuchern aus. Peter Höffken von der Tierrechtsorganisation Peta würde es am liebsten sehen, wenn niemand hinginge.
Pferderennen seien „grundsätzlich tierschutzwidrig“, sagt Höffken. Seine Organisation hat im Vorfeld der Schau zwei große Plakate in der Cuxhavener Innenstadt aufgehängt, um darauf aufmerksam zu machen. Außerdem kündigt Peta an: „Wir werden uns für ein Ende des Duhner Wattrennens einsetzen.“ Wie dieses Ziel erreicht werden soll? „Aufklärung der Öffentlichkeit, Social Media, Plakate eben und schließlich die Abstimmung mit den Füßen, die ethische Entscheidung: Ich gehe da nicht mehr hin. Das wäre das Optimum.“ Dass zwar Sporen und Peitsche untersagt, wohl aber sogenannte Reitklatschen zugelassen sind, spreche für sich und gegen den Tierschutzgedanken.
Ralf Drossner, in dessen Händen die Öffentlichkeitsarbeit für das Rennen liegt, nimmt das kommentarlos zur Kenntnis. Er und große Teile der Rennvereinsspitze sind neu auf ihren Posten. Erstmals wird auch Jos van der Meer seines Amtes als Präsident walten, das Henry Böhack zuvor 42 Jahre lang innehatte. Bewegung ist normal in einem Sportverein, für zusätzliche Impulse hatte Peta mit Strafanzeigen nach den Rennen 2014 und 2016 gesorgt.
Die Aktivisten legten den Behörden Fotos vor, die den Einsatz verbotener Hilfsmittel wie Zungenbänder und Zugwatte für die Ohren der Pferde nachweisen sollten. Ein eigens von Peta hinzugezogener Sachverständiger analysierte die Aufnahmen und stellte „eindeutig Tierquälerei“ fest. Und das, obwohl das Cuxhavener Kreisveterinäramt den Ausrichtern wenige Tage nach dem Rennen bescheinigt hatte: „Keines der kontrollierten Pferde war mit Zungenband oder herausziehbaren Ohrstöpseln ausgestattet. Auch andere tierschutzrechtliche Verstöße wurden beim Duhner Wattrennen 2016 nicht festgestellt.“
Verschärfte Kontrollen
Zu dieser Auffassung sei zwischenzeitlich auch das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) gelangt, das für die Staatsanwaltschaft Stade von Peta vorgelegte Fotos begutachtet hat. „Die Aufnahmen lassen nichts erkennen, das als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz zu werten wäre“, teilte der Sprecher der Behörde, Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, am Freitag auf Nachfrage mit: „Das Verfahren aus dem Jahr 2016 wird eingestellt.“ Im Fall des 2014er Rennens hingegen kam das Laves bei der Sichtung von Fotos zu anderen Erkenntnissen. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft in diesem Frühjahr Beschuldigte namentlich ermittelt: eine Reiterin und einen Reiter aus Nordrhein-Westfalen. „Sie haben sich inzwischen zu den Vorwürfen eingelassen“, sagt Breas. Ob Anklage erhoben werde, sei aber nach wie vor unklar.
Gegen den Wattrennverein bestehe keinerlei Verdacht. Die Ausschreibung für die Reitsportteilnehmer enthält den Hinweis: „Für die Trabrennen gilt die Trabrennordnung“ mit dem bedeutsamen Zusatz: „Achtung: Sonderregelung bei den Hilfsmitteln.“ Ein Hinweis auf den Tierschutzerlass von 1998, der Zungenbänder und sogenannte akustische Peitschen aus dem Pferdesport verbannt. Der frühere Vereinspräsident hatte im vergangenen Jahr gesagt: „Die Auflagen waren uns nicht bekannt.“
Um Verstöße zuverlässiger zu erkennen, hatte das Landwirtschaftsministerium in Hannover angekündigt, der Kreisveterinärbehörde Unterstützung durch das Laves zukommen zu lassen. Schon im vergangenen Jahr hatte Ralf Drossner gesagt, seien die Kontrollen verschärft worden. Am Sonntag seien nun sieben Veterinäre am Start, um das Wohl der Rennpferde zu gewährleisten.
Erstes Rennen beginnt um zehn Uhr
Gut 120 Teilnehmer sind registriert beim Wattrennverein. Ab acht Uhr ist Einlass. „Das erste Rennen geht schon um zehn Uhr los“, sagt Drossner, „wir haben ein enges Tidenfenster, deshalb haben wir das Rahmenprogramm eingekürzt.“ Deshalb hat auch Ehrengast Karl-Heinz Klare, Vizepräsident des niedersächsischen Landtags, einen frühen Auftritt. Im vergangenen Jahr hatte Sozialministerin Cornelia Rundt an Ort und Stelle das „hochkarätige Sportereignis in wunderbarer Natur“ gelobt. Mit von der Partie war 2016 auch die Landesbeauftragte für den Tierschutz, Michaela Dämmrich. Der Termin für das Rennen 2018 steht bereits fest: Sonntag, 22. August.
Am Rande des Rennens, das laut Eigenwerbung „international zu den skurrilsten Traditionsveranstaltungen“ zählt, hält sich berittene Polizei bereit, notfalls in die Hufe zu kommen. Und ganz am Rande des Geschehens stehen die Neuwerk-Kutscher mit ihren Touristenfuhrwerken. „Wenn man von Duhnen kommt, muss man die Rennbahn in einer der Pausen überqueren“, sagt Wattwagenfahrer Kai Stelling. Ihn betrifft das Rennen nicht, weil er Neuwerk von Sahlenburg aus ansteuert.„Pferde“, weiß der Kutscher, „mögen das Watt. Wovon die erst so ein bisschen erschlagen sind, das ist die Weite, aber das geht Menschen ja auch so, wenn sie das noch nicht kennen.“ Für die Kutschpferde sei das gemächliche Wattwandern geradezu eine Wohltat: „Das Geläuf federt, das ist gut für die Gelenke“, sagt Stelling. „Bei den Reitpferden ist das eine ganz andere Welt. Die regen sich gegenseitig auf, und die Reiter auch.“
Was Herr Bovenschulte hier sagt ist eine ...