
E-Deb klingt nicht besonders clever, soll es aber sein: Der elektronische Datenermittlungsbeleg, das papierlose Knöllchen, wird beim Polizeikommissariat Wildeshausen erprobt. Die Kooperation mit dem Landkreis Oldenburg soll die Arbeit schneller und zuverlässiger machen – für die Polizei und für die Mitarbeiterinnen in der Ordnungsbehörde. Zwei Monate nach dem Start des landesweit einzigartigen Pilotprojekts zeigt sich die Polizeidirektion Oldenburg sehr zufrieden. Siegfried Bluhm, Leiter des Straßenverkehrsamtes beim Landkreis Oldenburg, schließt sich dieser Einschätzung an. „Ein paar Vorschläge für Ergänzungen und Verbesserungen an das beteiligte Softwareunternehmen haben sich aber schon ergeben.“
Das Programm, das als Smartphone-App-Anwendung konzipiert ist, „enthält bestimmte Straftatbestände“, die Polizei und Kommunalbehörden immer wieder unterkommen. „Ein paar Delikte fehlten aber, die werden jetzt aufgespielt. Zum Schluss soll die gesamte BKatV enthalten sein“, sagt Bluhm und meint die Bußgeldkatalog-Verordnung, die auflistet, welche Fehler wie geahndet werden.
Zunächst ist eine einjährige Erprobung vereinbart. Innenminister Boris Pistorius (SPD) war persönlich dabei, als in Wildeshausen der Überlassungsvertrag für vier Smartphones der Kreisbehörde unterzeichnet wurde, die nun in den Händen der Polizei sind. Demnächst sollen mobile Drucker das Equipment ergänzen: damit, wie gewohnt, zur Vorwarnung ein Bon hinter den Scheibenwischer geschoben werden kann. Bewährt sich das elektronische Modell, könnte es landesweit zum Einsatz kommen.
Noch bleibt E-Deb dem kleinen ordnungsbehördlichen Geschäft vorbehalten: der Erfassung von Verkehrsdelikten im Ordnungswidrigkeitenbereich. „Für die Sachbearbeitung bei der Bußgeldstelle ist es wichtig, dass die Unfallaufnahme der Polizei übermittelt wird“, erklärt Siegfried Bluhm. Dazu gehörten etwa die Beschreibung von Örtlichkeiten und die Übermittlung Zeugenaussagen. Das Prozedere beschränke sich aber „auf normale Ordnungswidrigkeiten, das Szenario Unfallgeschehen bleibt zunächst komplett ausgeklammert“, sagt Bluhm. Derzeit sei es noch nicht möglich, die erforderlichen Unfallskizzen über das Smartphone zu erstellen.“ Auch das Verfassen umfangreicher Unfallberichte sei nicht einfach: „Das Smartphone lässt sich schlecht als Schreibmaschine benutzen.“
Eine Entlastung zeichne sich aber dennoch bereits ab, auch wenn sie „schwer messbar“ sei, wie Siegfried Bluhm sagt. „Bisher war auch bei uns so, dass die Polizisten bei Wind und Wetter den Block gezückt und die verschiedenen Tatbestände aufgeschrieben haben. Die Zettel wurden später mit der Post zu uns ins Ordnungsamt geschickt, dann dauerte es zwei, drei Tage, bis wir die Anzeigen hatten.
Dann mussten die Daten in unsere elektronische Datenverarbeitung übertragen werden, ehe irgendwann die Polizeizettel vernichtet wurden.“ Die beiden letzten Schritte auf dem Verwaltungsweg zur Zahlungsaufforderung könnten wegfallen. Bei der Übermittlung per Handy liege die Anzeige am nächsten Tag dem Amt vor. „Stellt sich heraus, dass es um einen Straftatbestand geht, leiten wir das an die Staatsanwaltschaft weiter.“
Einen weiteren Vorteil räumt Melissa Oltmanns ein: Die Sprecherin der Polizeidirektion Oldenburg weiß, dass „mitunter durch die schlechte Lesbarkeit aufgrund der handschriftlichen Erfassung“ Fehler entstanden seien. Nun kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Zumal die Bußgeld-App Sicherheitsvorkehrungen mitbringe: Eine exorbitante Geschwindigkeitsübertretung beispielsweise könne nicht mehr versehentlich einem Radfahrer angelastet werden, ohne dass eine Warnmeldung erscheine. Zugleich werde es einfacher, beschreibt Bluhm, reihenweise Verstöße zu Protokoll zu nehmen: Ein Autofahrer, der zu schnell ist, keinen Gurt angelegt hat und das Handy in der Hand hält – „so was ist ohne Probleme abzuarbeiten mit der App“.
Warum das Knöllchen-Projekt in Wildeshausen erprobt wird? „Wir haben 2016 die elektronische Akte eingeführt“, sagt Siegfried Bluhm. Die vielen Strafzettel hätten einfach nicht dazu gepasst. Das örtliche Polizeikommissariat habe das genauso gesehen, Kontakt zu dem beteiligten Softwareunternehmen habe man sowieso gehabt – „und beim Land gab es parallel auch Überlegungen in diese Richtung“, schildert Siegfried Bluhm, wie sich alles gefügt habe. „In einem Jahr kann man mehr sagen.“
Der Landkreis Oldenburg bearbeite im Durchschnitt 40 000 Anzeigen im Jahr. 2017 seien es nur 35 000 gewesen, weil die kommunale Tempoüberwachung aus Krankheitsgründen längere Zeit ausgefallen sei, sagt Siegfried Bluhm. Die Einnahmen hätten bei knapp 1,87 Millionen Euro gelegen. Darin enthalten seien außer Tempo- auch Abstandsmessungen auf den Autobahnen 1 und 28. Die haben freilich nichts mit E-Deb zu tun, ebenso wenig können Überschreitungen von Lenk- und Ruhezeiten im gewerblichen Verkehr damit geahndet werden.
Die Online-Vernetzung mit dem Bundesamt für den Güterverkehr sei aber späterhin denkbar, vermutet Bluhm und setzt auf eine papierlose Zukunft des Knöllchens. In den beiden ersten Monaten, in denen die Polizei statt des Knöllchenblocks das Handys gezückt hat, seien 184 Verwarnungen (bis 55 Euro) und 57 Bußgeldverfahren fällig geworden.
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