
Mitten in der politischen Sommerpause hat die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen die Gülleverordnung verschärft. Genau genommen handelt es sich um die sogenannte Verbringungsverordnung – und die hat es in sich. Im Kampf gegen die enormen Nitratüberschüsse auf Niedersachsens Feldern verordnet das Land den Landwirten zum Schutz des Grundwassers neue Auflagen.
Künftig müssen sie den Behörden jeden Monat melden, wie viel Gülle, mit welchen Inhaltsstoffen woher kommt und wohin geht. Der niedersächsische Bauernverband Landvolk protestiert. „Wir müssen wissen, wer wie viel Gülle weitergibt, was drin ist und wo sie landet“, erklärt Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne).
Erst Anfang des Jahres hatte Niedersachsen seine Düngebehörde personell verstärkt, um das Nitratproblem verstärkt anzugehen. Meyer: „Um unser Grundwasser zu schützen, und den schwarzen Schafen bei der Düngung auf die Schliche zu kommen, wird 2017 die Zahl der Kontrollen verdoppelt.“
Jährlicher Nährstoffüberschuss
Nach Angaben der niedersächsischen Landwirtschaftskammer enthalten die Nährstoffe aus der Viehhaltung und aus Biogasanlagen jährlich 320.000 Tonnen Stickstoff und 165.000 Tonnen Phosphat. Neben Gülle und Gärresten wird noch zusätzlich Mineraldünger auf die Felder verteilt.
So ergibt sich ein jährlicher Nährstoffüberschuss von 70.000 Tonnen Stickstoff und 30.000 Tonnen Phosphor, der hierzulande zu viel gedüngt wird. In der Folge kommt es insbesondere in viehreichen Regionen zu erhöhten Nitrat- und Phosphorwerten im Grund- und Oberflächenwasser.
Der niedersächsische Bauernverband Landvolk protestiert gegen die neue Verbringungsverordnung. Der Vorsitzende im Ausschuss Pflanze, Jürgen Hirschfeld, sieht darin eine „Schikane ohne jeglichen Mehrwert“. Bereits heute würden Landwirte im Süden Niedersachsens, die die Gülle aus dem Nordwesten auf ihre Ackerflächen verteilen, genau erfahren, welche Nährstoffe in Gülle, Gärresten und Geflügelmist enthalten sind.
"Der Trinkwasserschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"
„Der Minister verdonnert mit seinem ausuferndem Misstrauen die Ackerbaubetriebe lediglich zu zusätzlichen und zudem gebührenpflichtigen Meldungen an die Behörde“, kritisiert er die neuen Auflagen als zu bürokratisch. Der Minister indes sieht in der neuen Verordnung eine Chance, nicht nur die Umweltbelastungen zu reduzieren, sondern auch den Einsatz von Mineraldünger.
„Wir kommen damit den Wünschen vieler Landwirte nach“, weist er den Vorwurf der Schikane von sich. Die Daten müssten allerdings zeitnah an die Behörde gemeldet werden, damit mögliche Umweltschäden schnell erkannt werden, betont Meyer. Wenn Niedersachsen das Nitrat-Problem nicht in den Griff bekommt, drohen hohe Strafzahlungen an die Europäische Union. Vor allem in den viehreichen Regionen des Landes wird regelmäßig gegen die Nitrat- und die Wasserrahmenrichtlinie der EU verstoßen.
„Der Trinkwasserschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich alle, auch die Landwirtschaft, verpflichtet fühlen müssen“, betont Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). Ein Kollaps der Wasserversorgung wäre unverantwortlich. Schon heute drohten den Wasserversorgern die Brunnen verloren zu gehen, warnt Wenzel.