
Hannover/Delmenhorst. Wer in niedersächsischen Städten und Gemeinden mit Wohnungsmangel seine Räume ohne Genehmigung an Touristen oder Feriengäste vermietet, riskiert künftig ein Bußgeld von bis zu 100 000 Euro. Das sieht das neue Zweckentfremdungsgesetz der SPD/CDU-Koalition vor, zu dem der Bauausschuss des Landtages am Montag eine Expertenanhörung durchführt. Es soll noch vor der Sommerpause vom Parlament verabschiedet werden. Kommunen mit angespannter Wohnsituation können danach einschreiten, wenn der Wohnraum mehr als zwölf Wochen pro Jahr tage- oder wochenweise entgeltlich als Ferienwohnung vermietet oder sonst für eine Fremdbeherbergung verwendet wird.
Das soll den Missbrauch von normalen, bezahlbaren Wohnungen als lukrative Touristenunterkünfte über umstrittene Internet-Plattformen wie Airbnb stoppen. Die Umwandlung von mehr als 50 Prozent der Wohnfläche für gewerbliche oder berufliche Zwecke können die Kommunen ebenfalls per Satzung einschränken. Dies richtet sich nicht zuletzt gegen die Vermietung an Monteure oder Prostituierte. Auch ein ununterbrochener Leerstand von länger als sechs Monaten gilt laut Novelle als illegale Zweckentfremdung. „Eine vermehrte Wohnungsumwandlung in zentralen oder denkmalgeschützten Ortslagen kann dort zu Wohnraumverknappung und steigenden Mieten führen, was die Verdrängung alteingesessener aus dem Stadtzentrum zur Folge hat“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs aus dem Ressort von Umwelt- und Bauminister Olaf Lies (SPD)
Im Blick sind dabei vor allem die Ballungsräume Hannover, Oldenburg, Göttingen, Braunschweig und Wolfsburg sowie der südliche Speckgürtel von Hamburg. Besonderes Augenmerk gilt zudem den ostfriesischen Inseln, wo Ferienunterkünfte den normalen Wohnraum dermaßen verknappen, dass sich ihn kaum jemand noch leisten kann. Das neue Gesetz ermächtigt Städte und Gemeinden, die Mangelgebiete per Satzung selbst zu bestimmen. Eigentümer, Pächter und Vermittler werden verpflichtet, Auskünfte zu erteilen und Behördenvertretern notfalls Zugang zu gewähren.
Zur Anhörung im Landtag werden unter anderem Delmenhorsts Oberbürgermeister Axel Jahnz, sein Kollege Frank Ulrichs aus Norderney sowie Göttingens Sozialdezernentin Petra Broistedt erwartet. Angekündigt ist auch der Präsident des Niedersächsischen Städtetags, Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge. Die kommunalen Spitzenverbände befürworten wie der Mieterbund neue Befugnisse gegen die Zweckentfremdung. Heftiger Widerspruch gegen die Pläne dürfte dagegen vom ebenfalls eingeladenen Vertreter von Airbnb Deutschland kommen. Entgegen den ursprünglichen Plänen des Ministeriums fehlen in dem Gesetzentwurf größere Befugnisse für Kommunen bei Überbelegung und Schrottimmobilien.
Im vergangenen August noch hatte Ressortchef Lies bestimmte Mindeststandards für Größe und Ausstattungen angekündigt. Das sollte eigentlich ein schnelleres Eingreifen gegen Zustände wie im berüchtigten Wollepark in Delmenhorst ermöglichen. Die Bewohner dort mussten wochenlang ohne Wasser und Strom auskommen, weil eine dubiose Eigentümergemeinschaft die Rechnungen nicht bezahlt hatte. „Ein solches Wohnraumschutzgesetz kommt noch“, kündigte der Minister im Gespräch mit dem WESER-KURIER an. Dies sei vermutlich allerdings erst im Herbst der Fall. Wegen des enormen Drucks auf dem Wohnungsmarkt habe er auf Wunsch der Kommunen aber erst das Zweckentfremdungsverbot vorgezogen. „Da herrscht echter Handlungsbedarf.“
Der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Christian Meyer, kritisierte dagegen dieses Aufsplitten. „Unwürdige, unhygienische Wohnverhältnisse nehmen in Niedersachsen deutlich zu. Daher brauchen wir schnell mehr Möglichkeiten gegen schlimme, oft überbelegte Bruchbuden und Abzocke.“ Der ehemalige Verbraucherschutzminister witterte denn auch einen handfesten Koalitionskrach. „Dass die SPD in ihrem Gesetzentwurf auf das soziale Thema Wohnraumschutz auf Druck der CDU verzichtet hat, ist ein Skandal.“
Man verwehre den Kommunen weiter, bei Missständen angemessen einzugreifen, meinte Meyer mit Blick auf die Lage in Delmenhorst, Bruchbuden für Mitarbeiter der Fleischindustrie und Erkrankungen von Tuberkulose wegen schlechter Wohnverhältnisse. „Der SPD ist das Thema menschenwürdiges Wohnen anscheinend nicht so wichtig.“