
Hannover. Das im Herbst mit vielen Vorschusslorbeeren aufgelegte Corona-Unterstützungsprogramm der Landesverwaltung für die überlasteten Gesundheitsämter der Kommunen entwickelt sich nicht wie erhofft. Mit lediglich 451 tatsächlich verlagerten Vollzeitstellen für die Nachverfolgung von Infektionskontakten wurde das von der SPD/CDU-Regierung angestrebte Ziel von 1400 Landesbediensteten weit verfehlt. Und jetzt zieht nach Informationen des WESER-KURIER auch noch das Finanzministerium, das bisher den Löwenanteil der Helfer stellte, mit Billigung des rot-schwarzen Kabinetts seine Finanzbeamten aus den Gesundheitsämtern wieder ab. Der Niedersächsische Landkreistag (NLT) schlägt Alarm.
„Mit dem neuen Kabinettsbeschluss sollen die Finanzbehörden sukzessive entlastet werden, da die Finanzamts-Mitarbeiter jetzt wieder für ihre originären Aufgaben gebraucht werden“, bestätigte eine Sprecherin des für die Verteilung zuständigen Innenministeriums den ab Februar geplanten Rückzug. Mit ihren dezentralen Dienststellen hätten die Finanzämter ab November sehr schnell wichtige Hilfe für die Kommunen geleistet. Nun aber müssten die Finanzbeamten ihre angestammten Arbeiten „im Rahmen der Corona-Bekämpfung und für die Steuerbürger meistern“, erklärte die Sprecherin. Ziel sei aber auch, dass „der entsprechende Personaleinsatz möglichst durch andere Ressorts erbracht wird“.
Es sind also nicht nur liegengebliebene Steuerbescheide, die das Umdenken bewirken. Hintergrund ist demnach auch der Ärger von Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) über seine Kabinettskollegen. Die anderen Ressorts hätten selbst viel zu wenige Beschäftigte abgestellt, lautet der inoffizielle Vorwurf. Im Visier ist dem Vernehmen nach insbesondere Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU). Dieser habe aus seinem Bereich gerade mal ein Zehntel des errechneten Personalbestandes abordnen lassen. Bei der jetzt vom SPD/CDU-Kabinett beschlossenen Verlängerung des Programms über Ende Januar hinaus sollen daher die anderen Ministerien stärker in die Pflicht genommen werden.
288 Vollzeitstellen hat das Finanzministerium seit November an die Gesundheitsbehörden verlagert. „Das war und ist eine sehr wertvolle und wirksame Hilfsmaßnahme“, lobt NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer im Gespräch mit dem WESER-KURIER. „Die Finanzbeamten erfreuen sich vor Ort einer großen Popularität.“ Wie auch die Soldaten der Bundeswehr hätten sie eine erstklassige Arbeit abgeliefert. Und damit dürfe nicht plötzlich Schluss sein, fordert Meyer. „Wir haben die Landesregierung gebeten, die Finanzbeamten nicht abrupt abzuziehen, sondern für einen geordneten Übergang zu sorgen.“ Die Landkreise befürchten, dass es aus den anderen Häusern nicht immer einen adäquaten Ersatz geben könnte. „Wir brauchen niemand, der widerwillig abgeordnet wird“, warnt der NLT-Chef. „Bei der Aufgabe ist eine große Sorgfalt erforderlich. Davon hängt im Zweifel die Gesundheit von vielen Menschen ab.“
Vorgabe des Kabinetts vom November war, dass drei Prozent der Landesbediensteten in die Gesundheitsämter entsendet werden sollten. Ausgenommen waren Polizisten, Lehrkräfte und der Justizvollzug. Doch mit Ausnahme des Finanzministeriums hielten sich einige andere Ressorts vornehm zurück. So sollte das Kontingent des Wissenschaftsministeriums mit seinen nachgelagerten Universitäten und Kultureinrichtungen laut Berechnung des Kompetenzzentrums im Innenministerium eigentlich mehr als 500 Stellen betragen. Tatsächlich abgestellt wurden laut Aufstellung, die dem WESER-KURIER vorliegt, nur 59. Auch alle anderen Ressorts blieben danach im unteren zweistelligen Bereich. Allerdings lagen die Zahlen der gemeldeten Mitarbeiter teilweise weit über denen, die dann tatsächlich zum Einsatz kamen. So wollte die Staatskanzlei von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zwar pflichtgemäß zehn Bedienstete vorübergehend abgeben. Sie wurden bisher aber noch nicht abgerufen.
Denn umgekehrt machten längst nicht alle Kommunen vom Angebot der Landesregierung Gebrauch. Nach Angaben des Kompetenzzentrums für Großschadenslagen war das zum Beispiel der Fall, wenn diese Landkreise oder kreisfreien Städte bereits selbstständig Personal temporär für die Kontaktnachverfolgung eingestellt haben oder „wenn durch Organisationsanpassungen entsprechende Ressourcen innerhalb der eigenen Behörden geschaffen“ wurden. Das bestätigt auch NLT-Chef Meyer: „Einige Landkreise haben von Anfang an auf die Bundeswehr gesetzt.“