
Hannover. Für viele klingt es immer noch recht altbacken. Hauswirtschaft genießt nicht gerade einen modernen, attraktiven Ruf. Dabei wächst der Bedarf an entsprechender Expertise – ob bei gesunder Ernährung, ökologischem Waschen, körperlicher Hygiene oder auch beim sparsamen Umgang mit dem verfügbaren Einkommen. Dennoch mangelt es an Fachkräften und geeignetem Nachwuchs. Niedersachsen will jetzt mit politischen Initiativen und neuen Ausbildungsangeboten gegensteuern.
„Ohne professionelle hauswirtschaftliche Kompetenzen geht es in vielen gesellschaftlich relevanten Bereichen einfach nicht“, erklärte Agrar- und Verbraucherschutzministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) im Gespräch mit dem WESER-KURIER. „Wir haben in Niedersachsen einen großen Bedarf an hauswirtschaftlichen Versorgungsdienstleistungen.“ Gerade in der Corona-Krise leiste die Hauswirtschaft einen wichtigen Beitrag, etwa wenn es um Hygieneanforderungen gehe. „Doch qualifizierte Fachkräfte fehlen zunehmend – zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern oder der Gemeinschaftsverpflegung“, beklagte die Ressortchefin, die selbst eine staatlich geprüfte Hauswirtschaftsleiterin ist. „Familien mit Kindern und gerade auch Senioren stehen in Not- und Bedarfslagen oft alleine da.“
Für den Beruf Hauswirtschafter/in braucht es eine dreijährige Ausbildung, die in Niedersachsen von der Landwirtschaftskammer (LWK) organisiert wird. Die landesweiten Absolventenzahlen sind allerdings stark rückläufig: von 503 im Jahre 2012 auf 270 im vergangenen Jahr. Zwar gibt es an der Universität Osnabrück inzwischen eine rege Nachfrage beim Studiengang Lehramt an berufsbildenden Schulen für Hauswirtschaft und Ökotrophologie. Aber noch fehlen die entsprechenden Berufsschüler. In den Haupt- und Realschulen ist Hauswirtschaft – anders als früher – längst kein Pflichtfach mehr.
Eine Imagekampagne soll nun bei jungen Leuten mehr Lust auf die vielseitige Ausbildung wecken. So schickt das an der LWK angesiedelte Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft (ZEHN) aktive Azubis als Werbebotschafter an die Schulen. Die SPD/CDU-Koalition flankiert dies in dieser Woche mit ihrem Landtags-Antrag „Hauswirtschaft stärken“. Darin fordert Rot-Schwarz nicht nur ein Konzept zur Qualitätssicherung „hauswirtschaftlicher Dienstleistungen in Privathaushalten, Wohngruppen sowie in stationären Einrichtungen“. Sie will auch Existenzgründungen in diesem Bereich fördern. Außerdem sorgt sich die Koalition um den Erhalt der Angebote an den Berufsschulen.
„Wir wollen damit unterstreichen, wie wichtig dieses Thema gerade für uns in Niedersachsen ist“, begründete SPD-Fraktionschefin Johanne Modder den Vorstoß. „Die Hauswirtschaft leistet substanzielle Beiträge zu gesellschaftlichen Herausforderungen in verschiedensten Lebenswelten wie der Versorgung älterer Menschen, der Integration und der Inklusion“, heißt es in dem Antrag. „Es ist neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit von besonderer Bedeutung, dass Kindern in Kitas und Schulen der sparsame Umgang mit Ressourcen, die Grundkenntnisse der Nahrungsmittelzubereitung und Informationen zu einer wirtschaftlichen Haushaltsführung vermittelt werden.“
Für die Agrarexpertin der Grünen-Fraktion, Miriam Staudte, setzt die Koalition allerdings falsche Akzente. So werde die Wiedereingliederung von arbeitssuchenden Hauswirtschafterinnen komplett vergessen. „Im Bereich der über 50-Jährigen gibt es ein hohes Risiko erwerbslos zu werden.“ Bei Dienstleistungen in Senioren-Privathaushalten werde das heikle Thema der osteuropäischen Haushaltshilfen ausgeklammert. Und in der Ernährungspolitik müssten sich Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und ihre niedersächsische Kollegin Otte-Kinast endlich der dramatischen Zunahme von übergewichtigen Kindern widmen, forderte Staudte. „Hier wären Initiativen für eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein effektiver Schritt. Doch die Ministerinnen kneifen vor der Zuckerlobby.“
Wie das meiste von Ihnen: Ahnungslose und faktenfreie ...