
Hannover. Da bekommt der Begriff „Joint Venture“ eine ganz besondere Bedeutung. Gemeinsam fordern Niedersachsens Oppositionsparteien Grüne und FDP die kontrollierte Freigabe von Cannabis für Erwachsene. „Eine Entkriminalisierung ist dringend geboten“, sagte Grünen-Fraktionschefin Anja Piel am Mittwoch in Hannover. „Die Verbotspolitik ist gescheitert“, pflichtete ihr FDP-Kollege Stefan Birkner bei, ein ehemaliger Staatsanwalt und Richter. Die rot-schwarze Landesregierung winkte sofort ab. „Es gibt aktuell kein Bestreben, die Rechtslage zu ändern“, erklärte der Sprecher von Sozialministerin Carola Reimann (SPD).
„Wir wollen weniger Schwarzmarkt und mehr Verbraucherschutz“, sagte Piel. Illegal erworbenes Cannabis habe oft einen gefährlich hohen Wirkstoffgehalt und sei mit gesundheitsgefährdenden Substanzen gestreckt. Prävention, Jugendschutz und Kontrolle seien auf dem Schwarzmarkt nicht möglich. „Der Dealer fragt nicht nach dem Alter.“ Birkner verwies auf die Belastung der Behörden durch die gegenwärtige strafrechtliche Verfolgung, von der bundesweit rund 130 000 Menschen betroffen seien. „Die Verfahren sind teuer, binden Polizei und Gericht und verlaufen meist im Sande.“ Bislang wird nur der Besitz geringfügiger Mengen zum Eigenverbrauch nicht bestraft. Aus medizinischen Gründen – etwa zur Schmerztherapie – dürfen bundesweit rund 14 000 Patienten legal mit Cannabis versorgt werden.
In ihrem Parlamentsantrag schlagen Grüne und Liberale, die sich nach der Landtagswahl noch einem gemeinsamen Bündnis verweigert hatten, ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zum regulierten Verkauf von Marihuana in Niedersachsen vor. Danach sollen lizensierte Stellen wie Apotheken mit entsprechend qualifiziertem Personal die Drogen ausschließlich an Erwachsene über 18 Jahren abgeben können. Die Mengen dürfen nur für den eigenen Konsum bestimmt sein; Weitergabe an Dritte ist strafbar. Die berauschenden Produkte sollen ähnlich wie Medikamente mit einer Dosierungsanleitung und Warnhinweisen versehen werden. Erwerb und Besitz durch Kinder und Jugendliche bleiben untersagt.
Die begleitenden Wissenschaftler sollen das Konsumverhalten und die Auswirkungen auf den kriminellen Straßenhandel erheben. Gleichzeitig soll das Projekt Erkenntnisse für Prävention und Suchthilfe liefern. Als Standort kämen die urbanen Zentren wie Hannover, Osnabrück oder Göttingen in Betracht, meinte Piel. Dass diese Städte dann massenhaft zum Ziel von Kiffer-Touristen würden, sei nicht zu befürchten, betonte Birkner. Ein solcher Modellversuch umfasse lediglich einen örtlich begrenzten Teilnehmerkreis.
Der grün-gelbe Vorstoß basiert auf ähnlichen Einzel-Anträgen aus der vergangenen Legislaturperiode. In der damaligen rot-grünen Landesregierung waren Legalisierungswünsche des kleinen Koalitionspartners stets an den Genossen gescheitert. Die neue Große Koalition zeigte sich in der Ablehnung sofort einig. Eine Sprecherin von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) verwies auf die gesundheitlichen und psychischen Risiken von Cannabis. Außerdem würde eine Freigabe dazu verleiten, die Droge mal auszuprobieren.
In Bremen hatte jüngst die Abkehr der Sozialdemokraten von Liberalisierungsbestrebungen zu einem handfesten Krach mit dem grünen Koalitionspartner geführt. Auch in der Hansestadt war zunächst an ein Modell zur regulierten Abgabe sowie an einen lockereren Umgang mit Cannabis-Konsumenten gedacht.
Grüne und FDP in Niedersachsen wollen die Hoffnung auf ein Umdenken nicht aufgeben. In den Fraktionen von SPD und CDU gebe es durchaus eine differenzierte Haltung zur kontrollierten Freigabe, so Birkner. „Wir werden dafür werben, dass insgesamt ein Wandel in der Haltung stattfindet.“ Weitere gemeinsame Initiativen inhaltlicher Art wollten weder der FDP-Fraktionschef noch seine Grünen-Kollegin ausschließen; zur Regel sollen sie aber auch nicht werden.