
„Es ist ein langsamer und qualvoller Tod“, sagt Oliver Krone vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildvogelforschung (Leibniz-IZW) in Berlin. Auch, wenn die Jagd auf den Seeadler in Europa verboten ist, trifft die bleihaltige Munition den König der Lüfte über den Umweg der Nahrungskette.
„Die Bleivergiftung ist inzwischen die Haupttodesursache der Seeadler in Deutschland“, erklärt der Forscher. Niedersachsen will die bleihaltige Munition verbieten. Doch ganz so einfach ist die Änderung des Jagdgesetzes nicht. „Ich wünschte, das Schießen mit Blei wäre Vergangenheit“, seufzt Krone.
Schuss muss tödlich sein
Tatsächlich hat der Agrarausschuss des niedersächsischen Landtages einer entsprechenden Änderung des Jagdgesetzes mit den Stimmen der rot-grünen Mehrheit bereits zugestimmt. Selbst wenn der Landtag dieser Empfehlung folgt, muss die Europäische Union noch ihr Okay geben, und das ist keineswegs sicher.
Denn das bleifreie Schießen ist in der Jägerschaft und in der CDU umstritten, weil bleifreie Kugeln als weniger zielsicher gelten. Damit das Wild nicht leidet, müsse der Schuss tödlich sein, alles andere sei Tierquälerei, meint der Sprecher der Landesjägerschaft Florian Rölfing und fordert „ausreichend lange Übergangsfristen“ bei der Einführung der bleifreien Munition.
Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) hingegen verweist auf das Verbot der bleihaltigen Munition in den landeseigenen Wäldern, das bereits seit 2014 gilt. „Die Landesforsten zeigen, dass es geht“, sagte Meyer kürzlich in einem Interview mit dem WESER-KURIER.
Auch für den Menschen gefährlich
Die Landesregierung will das bleifreie Schießen mit dem Argument des Verbraucherschutzes durchsetzen. Denn nicht nur für den Seeadler können die Munitionsreste gefährlich sein, sondern auch für den Menschen. „Am Ende der Nahrungskette steht der Mensch“, warnt denn auch Oliver Krone vom Leibniz-IZW vor einem allzu häufigen Verzehr von Wild, das mit herkömmlicher Munition erlegt wurde.
Eine Bleibelastung kann zu Nierenschäden und Bluthochdruck führen. Bei Kindern besteht die Gefahr der irreversiblen Schädigung des Nervensystems mit lebenslangen Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten. 30 Seeadler aus Niedersachsen hat das Leibniz-IZW auf ihre Todesursache hin untersucht.
Vier von ihnen starben den Angaben zufolge nachweislich an einer Bleivergiftung, bei neun besteht der Verdacht einer Vergiftung, und zwei starben an einem Insektizid namens Carbofuran. „Das Gift stammt nicht aus der Landwirtschaft. Da sind Kriminelle am Werk und legen Köder aus“, erklärt Forscher Krone.
Toxikologische Untersuchung bei begründetem Verdacht
Der Naturschutzbund (Nabu) fordert, dass die Strafverfolgungsbehörden endlich durchgreifen, um die illegale Verfolgung der Greifvögel zu stoppen. „Die Verfolgung ohne staatliche Ausnahmegenehmigung zum Beispiel mit Gift, Fallen und Waffen ist nach dem Jagdrecht und dem Naturschutzrecht eine Straftat“, betont Holger Buschmann, der Landesvorsitzende des Nabu in Niedersachsen.
Bei einem begründeten Verdacht müsse zwingend eine toxikologische Untersuchung durchgeführt werden. Tatsächlich fühlten sich dafür aber weder Polizei noch Behörden zuständig. Zuletzt hatte der Nabu einen toten Seeadler in der Elbtalaue gefunden und zur Untersuchung ins Veterinäramt nach Lüneburg gebracht.
Dort sei der Kadaver jedoch nicht auf eine Bleivergiftung hin untersucht worden, sondern auf Vogelgrippe. Zuvor sei ein Bussard mit Verdacht auf Bleivergiftung in Cuxhaven wegen der Überlastung der Labore durch die Vogelgrippe gar nicht untersucht worden.
Nabu forderte Runderlass
In der Region Hannover sei eine toxikologische Untersuchung von zwei Bussarden mit der Begründung abgelehnt worden, dass diese nicht bezahlt werde. Der Nabu forderte deshalb einen Runderlass für eine verpflichtende Untersuchung in begründeten Verdachtsfällen auf Staatskosten sowie eine Stabsstelle Umweltkriminalität bei der Staatsanwaltschaft.
Das Landwirtschaftsministerium hat das Landesamt für Verbraucherschutz (Laves) in Oldenburg daraufhin angewiesen, Wildvögel bei Vergiftungsverdacht auf Kosten des Landes Niedersachsen zu untersuchen. Bislang fanden derlei Untersuchungen nur auf Anforderung der Kommunen statt, deren Untere Naturschutzbehörden und Veterinärämter für den Greifvogelschutz zuständig sind.
Bußgeld oder Haftstrafe von bis zu fünf Jahren
Bei einem Verdacht auf eine Straftat, sei der Fall zwingend an die Staatsanwaltschaft abzugeben, betont die Sprecherin im Landwirtschaftsministerium Lisa Marie Kreh. Nur selten kommt es wie im Fall eines Jägers aus dem Landkreis Stade zu einer Anklage. Dem Mann wird vorgeworfen, einen Seeadler erlegt zu haben.
Im Falle einer Verurteilung droht dem Angeklagten mindestens ein Bußgeld oder sogar eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Bereits vor zehn Jahren hatten das Land, Jäger, Landwirte und Naturschützer eine gemeinsame Erklärung gegen die illegale Verfolgung von Greifvögeln in Niedersachsen unterzeichnet. „Was als Meilenstein zum Schutz der Könige der Lüfte gefeiert wurde, entwickelte sich zum Papiertiger“, beklagt Nabu-Sprecher Philip Foth.