
Es soll ein neues Format für Niedersachsen werden, ein wenig abgekupfert bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Passend zum Schulanfang und zum Ende der parlamentarischen Sommerpause stellte sich Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstag den Fragen der Medien. Regelmäßig soll dies künftig stattfinden, jeweils nach dem Jahreswechsel und nach den Sommerferien. Aber dann auch künftig mit Weil als niedersächsischem Ministerpräsidenten? „Ich bin gerne dabei und zwar auf Dauer“, wischte Weil gleich zu Beginn wieder einmal lächelnd alle Spekulationen über einen Wechsel nach Berlin beiseite.
Über Sachpolitik wolle er hier im vollgepackten Raum der Landespressekonferenz reden, speziell über den Klimaschutz, gab Weil seinen eigenen Fahrplan vor. „Für Niedersachsen ist das Thema mit großen Hoffnungen und mit hohen Risiken verbunden“, erklärte der Regierungschef. Schließlich stünden die beiden größten Branchen des Landes, nämlich die Automobil-Industrie und Landwirtschaft, vor riesigen, aber notwendigen Transformationsprozessen. Während Volkswagen mit seinem massiven Umbau auf E-Mobilität auf einem guten Weg sei, komme der Agrarwirtschaft eine ganz spezielle Rolle zu: Sie sei zum einen Opfer des Klimawandels – Stichwort Dürre. Zum anderen zähle sie aber auch zu den Verursachern – Stichwort Gülle.
Eine gute halbe Stunde beantwortete Weil brav und souverän alle Fragen zu Stromtrassen, Tierwohl-Label oder 1.-Klasse-Abteilen in Regionalbahnen. Doch plötzlich tauchte das heikle Thema Partei-Vorsitz wieder auf. Seit Monaten ist der Ministerpräsident als möglicher Retter der siechenden Bundes-SPD im Gespräch, seit Monaten weist er entsprechende Ambitionen zurück, ohne sie allerdings gänzlich auszuschließen. Warum er denn einerseits die bisherige Zurückhaltung der SPD-Promis kritisiere, anderseits sich selbst aber zurückhalte, wollte ein Zeitungsmann mit Blick auf Berichte von einer Veranstaltung in Emden wissen. Er habe am Mittwoch doch lediglich gesagt, dass er das Duo Gesine Schwan und Ralf Stegner nicht wählen werde, erwiderte Weil und betrieb eine launige Medienschelte. „Eine Meldung wäre gewesen, wenn ich das Gegenteil gesagt hätte.“
Dann wurde der Regierungschef ernst: „Wir sind in einer sehr schwierigen Phase, unbestritten“. Fakt sei, dass die bisherige Kandidatenlage „erkennbar für viele Mitglieder noch nicht das letzte Wort gewesen sein sollte“. Daher erwarte er auch, „dass es weitere Namen geben wird, dass sich weitere Teams anbieten werden“. Darunter könne auch eines aus Niedersachsen sein: „Das ist möglich, warten wir’s ab.“ Kompliziert werde die Angelegenheit zusätzlich dadurch, dass viele früh und definitiv erklärt hätten, sie stünden nicht zur Verfügung, meinte Weil. Sprach’s und verwies darauf, dass er selbst immer wieder und schon vor dem Rücktritt von Andrea Nahles zum Ausdruck gebracht habe, wie wichtig ihm sein Job in Niedersachsen sei. „Das ist eine Aufgabe, die mir ans Herz gewachsen ist, die mir richtig Freude macht.“
Der Versuch, weiteres Nachbohren zu stoppen („Damit ist doch jetzt alles gesagt“) scheiterte zunächst. Eigentlich habe sie hier eine wirklich große Nachricht erwartet, bekundete eine Fernsehjournalistin des NDR etwas enttäuscht. „Ja, ich freue mich auf eine weitere gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit als niedersächsischer Ministerpräsident mit der niedersächsischen Landespressekonferenz“, konterte Weil und sah sich dennoch einer weiteren Frageflut ausgesetzt: Ob es stimme, dass ihm Bundesfamilienministerin Franziska Giffey einen Korb gegeben habe? Ob er eine mögliche Kandidatur von Außenminister Heiko Maas kommentieren wolle?
Ob Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius den SPD-Bundesvorsitz könne? Tapfer sagte Weil zu all diesen Punkten einige Worte – ohne allerdings wirklich etwas zu sagen. Die Frage, ob der Posten des Ministerpräsidenten das Amt des SPD-Bundesvorsitzenden ausschließe, beantwortete Weil mit einem klaren „Nicht dass ich wüsste.“ Weder in der niedersächsischen Verfassung noch im Statut der SPD werde man dazu etwas finden. Also doch ein Hinweis auf eine Bewerbung? Keineswegs: Kurze Zeit später relativierte Weil diese Aussage wieder als „abstrakt-allgemeine Einschätzung“.
Erst der Hinweis seiner Regierungssprecherin, auch Kanzlerin Merkel sage bei ihren Auftritten vor der Bundespresse so gut wie nichts zu Parteiangelegenheiten, beendete das Katz-und-Maus-Spiel zu dem leidigen Thema. Weil durfte sich ab da wieder uneingeschränkt als Niedersachsens Ministerpräsident fühlen und sich der Digitalisierung, der Schuldenbremse und ganz zum Schluss auch dem neuen Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte widmen. Er gratuliere seinem „Freund und guten Kollegen“ von ganzem Herzen. „Da hat Bremen einen guten Griff getan.“