
Die Wartezeit-Quote war bislang eine Option für diejenigen, die wegen ihrer zu schlechten Abitur-Note keine Chance auf einen Studienplatz hatten. Wobei schlecht hier relativ ist. Bei einem Schnitt von 1,2 – der fürs Medizinstudium nicht reicht – kann man ja nicht gerade von einer schlechten Note sprechen. Daher ist die Auswahl nach der Abi-Note aus meiner Sicht so eine Sache für sich. Ich plädiere dafür, die Wartezeit-Quote durch eine Talent-Quote zu ersetzen.
Jungen Menschen, die unbedingt Arzt werden wollen und beispielsweise schon durch Rettungsdiensttätigkeiten oder entsprechende Aus- und Fortbildungen gezeigt haben, dass sie es könnten. Allerdings müsste man dies durch Eignungstests absichern.
Im Kreise der KMK-Kollegen müssen wir noch klären, wo diese Quote ansetzen soll. Rechnet man sie auf die von den Hochschulen direkt vergebenen Studienplätze an, oder ersetzt man damit eins zu eins die Vergabe über die Wartezeit? Entscheidend ist erst einmal, dass der neue Staatsvertrag als Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts jetzt in die Vorbereitung gehen kann.
Auch hier hat uns das Verfassungsgericht enge Grenzen gesetzt; eine Erhöhung der Abi-Quote über die bisherigen 20 Prozent, wie zum Beispiel Bayern sie gefordert hat, scheidet jedenfalls aus. Die Vergleichbarkeit der Noten aus den verschiedenen Bundesländern muss sichergestellt werden. Da ist noch eine Menge Gehirnschmalz reinzustecken, aber wir werden sicher zu einer vernünftigen Lösung kommen.
Ich habe inzwischen viele Medizinstudierende getroffen und sie gefragt, ob sie sich schon zu Beginn der Ausbildung später eine verpflichtende Arzttätigkeit auf dem Lande vorstellen können. Das haben alle unisono verneint. Sie lernen in dem jahrelangen Studium ganz viele Bereiche der Medizin kennen; da ist ihnen eine so frühe Festlegung gar nicht möglich. Eine solche Landarzt-Quote wäre im Übrigen nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts eine unzulässige Einschränkung der Berufsfreiheit. Außerdem wäre sie kaum zu kontrollieren, geschweige denn zwangsweise durchzusetzen. Und was nützt mir ein Arzt, der lustlos seine Zeit auf dem Land absitzt und die erste Gelegenheit zur Flucht in die Stadt sucht?
Darüber lässt sich je nach Sichtweise trefflich streiten. Medizinstudienplätze sind jedenfalls ziemlich teuer, man kann sie also nicht mal so eben erhöhen. Wir sehen aber, dass wir künftig einen hohen Bedarf an Ärzten haben, und das nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in kleineren Krankenhäusern. Deswegen wollen wir 200 neue Studienplätze in Niedersachsen schaffen.
Wir werden 40 bis 60 Teilstudienplätze der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) in Vollstudienplätze umwandeln. Bisher legen diese Studierenden an der UMG ihr Physikum ab, wechseln dann an andere Studienorte außerhalb Niedersachsens und nehmen dort in der Regel auch ihre berufliche Tätigkeit auf. Ihr Studium kostet uns also eine Menge Geld; aber am Ende haben wir nichts von ihnen als fertig ausgebildete Ärzte. Durch die geplante Kooperation zwischen Göttingen und dem Klinikum Braunschweig wollen wir das ändern.
Die wollen wir als Aufwuchs an der Universität Oldenburg realisieren. Das wird jedoch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, weil wir dort die Kapazitäten nicht so schnell ausweiten können. Wir müssen die Studierenden ja schließlich für die Ausbildung durch die Kliniken bringen. Außerdem muss Groningen mitspielen, da Oldenburg mit der Rijksuniversiteit einen Modellstudiengang mit derzeit 40 Plätzen betreibt. Bei meiner Reise in die Niederlande vor zwei Wochen haben mir die Verantwortlichen in Groningen zugesichert, die Zahl im Laufe der nächsten Jahre zu verdoppeln. Das geht zwar leider langsam, ist aber immerhin ein Anfang.
Die Niederländer ihrerseits können sich vorstellen, ihre angehenden Ärzte zu uns in die Lehrkrankrenhäuser zu schicken. Sie wollen außerdem unser kompliziertes deutsches Gesundheitssystem verstehen. Neben der Aufstockung der Studienplätze werden wir daher ab 2019 gemeinsam mit Groningen ein grenzüberschreitendes Projekt im Rahmen der Versorgungsforschung angehen. Das beinhaltet unter anderem den gesamten Komplex multiresistente Keime und Antibiotika. Gemeinsam suchen wir außerdem einen dritten internationalen Partner.
Wir haben mehr Geld angemeldet. Ich gehe aber davon aus, dass wir es nicht kriegen.
Wenn man auf die VW-Milliarde aus dem Diesel-Bußgeld schaut, vielleicht. Aber dieses Geld ist nur einmal da, das ist relativ schnell ausgegeben. Nach all den Wünschen könnten wir die Summe bestimmt elf, zwölf Mal verteilen. Mir ist es wichtig, dass wir das Geld langfristig und nachhaltig investieren. Aber in der Haushaltsklausur wird das Kabinett darüber vermutlich noch keine Beschlüsse fassen.
Björn Thümler ist seit November 2017 Minister für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen. Der 47-jährige Historiker sitzt seit 15 Jahren im Landtag und leitete dort von Juli 2010 bis Oktober 2017 die CDU-Fraktion. Thümler lebt mit seiner Familie in Berne im Kreis Wesermarsch.
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Weniger Autos, nicht so groß und ohne Verbrennungsmotor - kein Problem ...