
Walsrode wächst. Zu Beginn des Jahres 2020 soll die Fusion mit der Nachbargemeinde Bomlitz wirksam werden. Mit einem Schlag wächst die Stadt um rund 7000 auf 30.000 Einwohner. Und baut für die Zukunft vor: Denn dem Heidekreis wird bis zum Jahr 2031 ein über dem Durchschnitt (circa acht Prozent) liegender Bevölkerungsrückgang von 12,6 Prozent vorhergesagt. „Wir werden diese Region gemeinsam voranbringen“, sagt Walsrodes parteilose Bürgermeisterin Helma Spöring und gibt zu, „dass das ein bisschen allgemein“ klingt. Konkret lautet ihre Fusions-Formel so: „Walsrode bringt Schulen, Krankenhaus und alles weitere mit, was zur Daseinsvorsorge gehört – Bomlitz hat die Arbeitsplätze.“
Wegen des enormen Einwohner- und damit auch Wählerzuwachses ist sie während der ersten vier Monate im Jahr 2020 nur noch Interimsbürgermeisterin, innerhalb dieser Zeit muss neu gewählt werden. Der Bomlitzer Bürgermeister Michael Lebid (SPD), „scheidet Ende 2019 laut Gesetz aus“, sagt Helma Spöring. Stadtrat und Gemeinderat haben gleichzeitig am 19. Januar über einen Gebietsänderungsvertrag abgestimmt und den „Erlass eines Gesetzes zur Eingliederung der Gemeinde Bomlitz in die Stadt Walsrode“ beim Land Niedersachsen beantragt. Mitte August hatte die Landesregierung beschlossen, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. Wann mit der Entscheidung zu rechnen ist? Schwer zu sagen. „Erfahrungsgemäß könnte dies jedoch noch in diesem Jahr erfolgen“, teilt das Innenministerium auf Nachfrage mit.
Seit laut über den Zusammenschluss nachgedacht wird, informieren Stadt und Gemeinde auf ihren Internetseiten über das Vorhaben. Die Marschrichtung ist klar: „Eines ist jedoch Fakt für die Zukunft unserer Kommunen: Kirchturmdenken macht einsam – Zukunft geht nur gemeinsam!“ Ein „Online-Forum Fusion“ soll helfen, Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zu beantworten.
„Aber es gibt gar nicht viele Fragen“, hat Michael Lebid festgestellt und vermutet, das könne daran liegen, dass vor rund zehn Jahren schon einmal ein Anlauf zu einer Kommunalfusion genommen wurde. Damals ging es um eine gemeinsame Zukunft von Bomlitz und den Städten Walsrode und Bad Fallingbostel, die heute die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Deltaland bilden. Für mehr als eine geschäftliche Beziehung hatte es nicht gereicht: Die Bomlitzer und Walsroder fanden die Idee gut, aber rund 80 Prozent der Bad Fallingbosteler stimmten dagegen.
Jetzt bleiben die Verschmähten unter sich. In den vergangenen drei Jahren ist bereits die Zusammenarbeit verstärkt und der gemeinsame Zweckverband Vogelpark-Region gegründet worden, dessen Hauptaufgaben in der Regionalentwicklung und der Tourismusförderung liegen.
Die Hoffnung, dass der Industriepark Walsrode mit rund 1800 Arbeitsplätzen „zur steuerlichen Stabilisierung“ beitragen würde, habe sich zerschlagen unter dem wirtschaftlichen Druck, sagt Bürgermeister Lebid. Er lebt schon lange damit, dass der Industriepark, das „in wirtschaftlich guten Zeiten geschaffene“, wettkampftaugliche Waldbad und auch der Weltvogelpark Walsrode zwar in Bomlitz liegen, aber der Nachbarstadt zugerechnet werden. „Wir können beide unsere Haushalte nicht ausgleichen“, sagt Michael Lebid. Er setzt auf „Synergien aus der Verwaltungsverschlankung“, mit denen sich in zehn bis 15 Jahren rund zwei Millionen einsparen ließen. Und auf die sogenannte Einwohnerveredlung: „Je mehr Einwohner die Kommune hat, desto höher fällt der Anteil aus dem Finanzausgleich aus.“ Der Zusammenschluss könne „fast zwei Millionen Euro pro Jahr“ bringen. Der Bomlitzer Haushalt weise derzeit ein strukturelles Defizit von ein bis zwei Millionen Euro auf: „Gewerbesteuerzahlung, das ist ein schwankendes Boot“, sagt Lebid, „und wir sind sehr abhängig davon, die Hälfte unserer Einnahmen beruhen darauf.“
In der Begründung des Eingliederungsantrags hatten die Partner darauf verwiesen, dass über die Kreisumlage auch der Landkreis Heidekreis mit Mehreinnahmen rechnen könne. In der neuen Kommune könne mit einer Angleichung der Steuereinnahmekraft gerechnet werden – theoretisch. Die sei in Bomlitz bisher über-, in Walsrode hingegen unterdurchschnittlich ausgeprägt. Auch die fusionierte Stadt Walsrode müsste trotz der Verbesserung noch mit unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen rechnen – bei „zunächst“ vorhergesagter überdurchschnittlicher Verschuldung.
„Materielle Voraussetzung jeder Gebietsänderung sind Gründe des Gemeinwohls“, so gibt es die Landesverfassung vor. Insgesamt 36 Zusammenschlüsse von Kommunen hat es nach Angaben des Innenministeriums seit 2010 in Niedersachsen gegeben. Auf Landkreisebene war die Fusion Göttingens und Osterodes die vorerst letzte. Bei den Städten und Gemeinden hält der Drang, sich zusammenzuschließen, hingegen an: Nach Ministeriumsangaben sind derzeit elf Fusionen geplant. Zu den bereits vollzogenen zählt unter anderem der Zusammenschluss des Fleckens Bruchhausen-Vilsen mit der Gemeinde Süstedt im Landkreis Diepholz. Im Kreis Cuxhaven hat es vier Fusionen gegeben: Cadenberge ging mit Geversdorf zusammen, aus der Stadt Langen und der Samtgemeinde Bederkesa ist die Stadt Geestland geworden und die Samtgemeinde Land Wursten mit der Gemeinde Nordholz zur Gemeinde Wurster Nordseeküste verschmolzen. Die Samtgemeinden Am Dobrock und Land Hadeln firmieren unter dem gemeinsamen Namen Land Hadeln.
Für Bomlitz, sagt Michel Lebid, sei die gemeinsame Zukunft mit Walsrode gewissermaßen eine Heimkehr: „Bomlitz gibt es erst seit 1928, die Gemeinde wurde von Walsroder Kaufleuten gegründet.“