
Ein Förster, so das landläufige Berufsbild, geht mit seinem Dackel durch den Wald und schießt ein Reh. So ziemlich genau das Gegenteil davon findet sich im Forstamt Ahlhorn: Eine Försterin, die kaum Zeit für Waldspaziergänge hat, keinen Dackel besitzt und für die Jagd eher keine Herzensangelegenheit ist. Stattdessen hat sie aus ihrem Areal mit viel Einsatz und Kreativität eine Attraktion gemacht, für die Besucher inzwischen selbst von weither anreisen. „Ein Forstamt muss mehr sein als die Verwaltung einer Holzfabrik“, sagt Regina Dörrie. So hat sie alte, teilweise vergessene Schätze der Natur, wieder ausgegraben, aufpolieren und wiederbeleben lassen.
Das Fischgeschäft der Ahlhorner Teiche tief im Forst öffnet um 14 Uhr. Manchmal bildet sich schon eine Stunde vorher eine Schlange vor dem Verkaufsladen: Für Feinschmecker aus der Region ist die Adresse ein Geheimtipp. Forellen, Lachsforellen, Aal und Karpfen gibt es hier frisch geräuchert. Der Herzog von Oldenburg ließ die knapp 500 Hektar große Teich-Anlage, heute ein besonders wertvolles Naturschutzgebiet, vor 115 Jahren bauen, um die Bevölkerung mit Fisch zu versorgen. Zuletzt wurden hier Besatzfische für Angelvereine gezüchtet. „Immer wieder klingelten Spaziergänger sonntags beim Fischmeister und fragten: ‚Wo kann man hier Fisch kaufen?’ Und wir mussten dann sagen: ,Wir haben nix." Das fand ich blöd“, erzählt Regina Dörrie. So kam ihr die Idee für die Räucherei und den Fischladen. Früher wusste kaum jemand, wo die Teiche lagen, heute nehmen die Kunden stundenlange Anfahrten dafür in Kauf. Das Ehepaar Bruns aus Lingen kommt mit einer prallen Einkaufstüte aus dem kleinen Laden: "Wir essen wenig Fleisch und kaufen hier Räucherfisch für die ganze Woche ein", erzählen sie. Fleisch hätten sie auch kaufen können. Denn im Fischgeschäft des Forstamts gibt es auch Wild.
Vom Urwald Baumweg an der Bundesstraße 213 wussten jahrzehntelang nicht viele Niedersachsen. Dabei gehört der 61 Hektar große Bereich mit seinen uralten, erstaunlich bizarr geformten Eichen und Buchen schon seit 1938 zu den besonders geschützten Waldgebieten im Forstamt Ahlhorn. Von der jahrhundertelangen Beweidung durch Schafe und Schweine hatten die Bäume ihre urwüchsigen Formen erhalten. Seit 120 Jahren wird der Wald nicht mehr bewirtschaftet. Seltsam krumm gewachsene und viele abgestorbene Bäume, überwuchert mit Moosen und Schlingpflanzen, bestimmen das Bild. Heute ist der sich selbst überlassene Urwald besonders für Niederländer eine Attraktion: „Bei denen gibt es nicht viele alte Bäume“, berichtet Regina Dörrie, „deshalb sind die Holländer hier Stammgäste.“ Auch die Einheimischen entdeckten den Schatz vor ihrer Haustür wieder. Das alles war möglich, weil die rührige Försterin den Urwald für die Bürger öffnete. Sie ließ einen Parkplatz bauen und organisierte Führungen. „Allein durch den Urwald zu laufen, ist ziemlich gefährlich“, sagt sie. „Da fällt häufig mal ein großer Ast runter oder ein ganzer Baum um.“
„So alte Schätze wieder für die Bevölkerung verfügbar zu machen, ist wie Silber polieren“, meint Regina Dörrie. 70 Prozent aller niedersächsischen Großsteingräber etwa liegen im Forstamt Ahlhorn. Historische Zeugnisse von europäischem Rang. Die Anlagen waren teilweise überwuchert und kaum noch erkennbar. Dieses Silber wieder aufzupolieren, war selbst für die kreative Beamtin ein hartes Stück Arbeit. Zum Beispiel das Pestruper Gräberfeld: Mit 530 Grabhügeln eine der größten bronze- und eisenzeitlichen Nekropolen in Mitteleuropa. „Keiner wusste eigentlich, wem das Objekt gehört“, erzählt die Forstamtsleiterin. „Viele Politiker ließen sich dort ablichten und kündigten Initiativen an, alle möglichen Vereine wollten sich dort engagieren. Dann habe ich gesagt: Leute, das Gräberfeld gehört dem Forstamt und ich kümmere mich jetzt darum." Die Umsetzung erwies sich jedoch als schwierig.
„Irgendwie muss das zu schaffen sein“, dachte sie und setzte mehrere Kooperationen in Gang. Es kam wieder Leben ins Gräberfeld: Schüler des waldpädagogischen Zentrums befreiten den gigantischen, geheimnisvollen Friedhof von Gestrüpp und Kusseln, der Landkreis Oldenburg beteiligte sich. Und Dörrie organisierte eine Beweidung dieses größten zusammenhängenden Heidegebiets in der Region durch „Diepholzer Moorschnucken“, eine besonders anspruchslose Tierart. Von September bis Mai weiden die Tiere dort. Der Trick dabei: Der Schäfer muss keine Pacht bezahlen, sondern erhält für jedes dort weidende Schaf eine gewisse Summe. So ist die Gräberpflege garantiert.