
Rinder- und Schweinehöfe, die ihre Gülle nicht mehr loswerden, müssen nach den Worten von Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) notfalls ihre Bestände reduzieren oder sogar ganz dicht machen. „Wenn ein tierhaltender Betrieb die aufnehmende Fläche für den Anfall des Wirtschaftsdüngers einfach nicht hat, dann wird man letztendlich auch sagen müssen: keine Fläche, keine Tiere. Oder weniger Tiere“, erklärte Otte-Kinast am Mittwoch in Hannover. Es gelte, die Vorschriften der vor zehn Monaten verschärften Dünge-Verordnung umzusetzen. „Die Betriebe müssen dieser nachkommen. Das wird auch wehtun.“
Nach dem jüngsten Nährstoffbericht für den Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 reißen acht Landkreise im tierhaltungsintensiven Westen die zulässige Obergrenze für Stickstoff: In Ammerland, Cloppenburg, Emsland, Grafschaft Bentheim, Leer, Oldenburg, Rotenburg und Vechta fallen trotz der Verbringung von Gülle-Teilmengen in andere Landesregionen mehr als die erlaubten 170 Kilogramm pro Hektar an.
Landesweit kamen 475.000 Tonnen organischer und mineralischer Stickstoffdünger auf die Felder – 68 174 Tonnen mehr als der errechnete Bedarf. Vier der genannten Landkreise verstoßen zudem gegen das bis 2022 gültige Phosphat-Limit von 20 Kilogramm pro Hektar. Ab 2023 sinkt diese Grenze auf zehn Kilo; dann würden nach den heutigen Werten zwei weitere Sünderkreise hinzukommen.
Zwar sank der Anfall von Gülle und Mist aus der Haltung von Rindern, Schweinen und Hühnern wegen eines kleinen Rückgangs der Tierbestände leicht auf 47,66 Millionen Tonnen. Erstmals aber wurden jetzt auch pflanzliche Gärreste aus Biogasanlagen in die Gesamtmenge eingerechnet. So betrug das Aufkommen aller Hinterlassenschaften 59,31 Millionen Tonnen – 0,66 Millionen Tonnen mehr als im vorangegangenen Zeitraum 2015/16.
Folge der Überdüngung: Die Hälfte aller Grundwasser-Gütemessstellen weisen eine bedenkliche Nitratkonzentration von mehr als 50 Milligramm pro Liter aus. Nur zwei Prozent der niedersächsischen Oberflächengewässer erfüllen die Qualitätsziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie. „Hier gibt es nichts zu beschönigen“, gab die Ministerin zu. „Für uns ist das ein klarer Handlungsauftrag.“
Das Land werde daher in den besonders belasteten Regionen Risikogebiete ausweisen, kündigte die Ressortchefin an. Dort wolle man die Kontrollen verschärfen und vermehrt Bodenproben ziehen. Landwirte, die sich nicht an die Regeln hielten, werde man zunächst intensiv beraten, in letzter Konsequenz aber auch mit Sanktionen belegen.
Die Auswahl der Gebiete und der notwendigen Maßnahmen erfolge in enger Absprache mit dem Umweltministerium. Dessen SPD-Ressortchef Olaf Lies bezeichnete den Nährstoffbericht als „besorgniserregend“. Man wolle die Bauern nicht gängeln; notwendig sei aber maximale Transparenz, um die Überschüsse wirksam reduzieren zu können.
Die FDP-Fraktion warnte dagegen vor einem „Höfesterben durch ausufernde Bürokratie“. Zwar gebe es regionale Probleme, meinte der Abgeordnete und Landwirt Hermann Gruppe. Aber die Dünge-Verordnung mache „zum Teil völlig sinnlose Auflagen“. Diese zwängen insbesondere viele kleine Betriebe zum Aufgeben.
Wirksamer seien eine moderne Technik zum passgenauen Einsatz des Düngers sowie Lagerkapazitäten für Gülle in den Ackerbauregionen der östlichen Landesteile. Auch Ministerin Otte-Kinast erachtet solche Lagerbehälter für sinnvoll; ihr Vorschlag für eine finanzielle Förderung in Höhe von zehn Millionen Euro jährlich scheiterte jedoch am Widerstand ihres CDU-Parteifreundes und Finanzministers Reinhold Hilbers.
Jetzt wollen Agrar- und Umweltressort zumindest die Vergabe von Baugenehmigungen für solche Lagerstätten vereinfachen. Grüne und ein Bündnis aus Umweltverbänden kritisieren allerdings den zunehmenden Gülle-Tourismus. Lagerbehälter könnten natürlich nicht die benötigten Flächen vergrößern, wandte die Abgeordnete Miriam Staudte ein. Ergänzende Aufbereitungsanlangen, in denen der Gülle das Wasser entzogen werde, seien teuer und energieaufwendig, also nicht rentabel.
Greenpeace, Nabu und BUND forderten eine deutliche Einschränkung der intensiven Tierhaltung sowie einen Masterplan für sauberes Wasser. Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke dagegen versprach eine konsequente Umsetzung des neuen Düngerechts: „Unsere Landwirte nehmen die Herausforderung an.“ Allerdings seien die erforderlichen Investitionen gerade für kleinere Betriebe nicht immer zu verkraften.