
Auf der Leinwand ist eine Plastikschachtel für Tabletten zu sehen. Die Fächer für die einzelnen Wochentage sind mit zahlreichen Tabletten, die teilweise zu groß zum Schlucken erscheinen, gefüllt. Das Foto erstaunt einen Großteil der Anwesenden im Saal – stimmt sie nachdenklich.
„Warum muss ich so viele Tabletten schlucken?“ Dieser Frage gingen die Landfrauen Hambergen mit Hilfe der beiden Referenten Ruben Bernau und Dr. med. Tim Müller auf den Grund. Im Schützenhof Wallhöfen saßen rund 70 Zuhörerinnen, die gespannt dem Vortrag folgten.
Dem Foto, das zu Beginn der Veranstaltung gezeigt worden war, folgten weitere erschreckende Fakten und Zahlen zum Thema „Multimedikation im Alter“. Ein Pflegebedürftiger zum Beispiel schlucke im Durchschnitt elf Tabletten pro Tag, erklärte Ruben Bernau. Weiter führte er an, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Krankenhauseinweisungen durch Medikamente bedingt seien. 43 Prozent der Patienten würden nie zu ihrem Tablettenmix beraten, weder durch den Apotheker noch durch ihren Arzt, fügte Ruben Bernau weiter an. Doch wie kommt es überhaupt zu dieser Multimedikation und wie kann sie vermieden werden? Welche Möglichkeiten hat ein Arzt, die Pillenflut einzudämmen?
Die meisten Patienten würden die Medikamente über Jahre ansammeln, erzählte Bernau. Das heißt, zu der einen Krankheit kommt die nächste und schon schlucke der Patient zwei Tabletten am Tag. Die Kommunikation unter den Ärzten sei nicht gegeben, sagte der Referent. Im Schnitt würden sieben bis acht Fachärzte pro Jahr konsultiert, davon frage kaum einer nach anderen Medikamenten, stellte Bernau fest. Wechselwirkungen mit anderen, regelmäßig eingenommenen Medikamenten würden so nicht berücksichtigt. Schlimmstenfalls würden die Nebenwirkungen nicht einmal mit den Medikamenten in Verbindung gebracht, sondern als neue Symptome aufgenommen und mit einem wieder anderen Medikament behandelt, führte er weiter aus. Ein Teufelskreis. Nebenwirkungen sollten generell überwacht werden, erklärte der Arzt.
Eine Liste aller verordneten Medikamente, die auch dem Facharzt vorgelegt wird, könne da Abhilfe schaffen. Bernau rät, diese Liste etwa alle zwei Jahre mit dem Hausarzt durchzusprechen. Er kenne Fälle einiger Patienten, die Tabletten nehmen, die gar nicht mehr nötig seien. In der Praxis Bernau und Müller in Hambergen hängt die sogenannte Priscus-Liste. Auf dieser Liste stehen Medikamente, die ältere Menschen gefährden könnten.
Auch die Medikamentenabhängigkeit kam zur Sprache. Bernau berichtete von Schlafmitteln, sogenannte Benzodiazepine. Diese verwende seine Frau als Anästhesistin als Narkosemittel. Damit sei kein erholsamer Schlaf gegeben, sondern eher narkoseähnliche Zustände. Weiterhin führte er die Z-Drugs auf, wie Zolpidem und Zopiclon. Um klar zu machen, wie abhängig diese Mittel machen können, zog Bernau den Vergleich zu einem Heroinsüchtigen. Diese Sucht sei von der Stärke und Schnelligkeit des Abhängig machen es ähnlich. Das Absetzten der Medikamente müsse unter Aufsicht eines Arztes geschehen.
In der anschließenden Diskussion wurde Kritik am Krankenkassensystem und den langen Beipackzettel laut.
Für die Landfrauen Hambergen war die Multimedikation im Alter ein aktuelles und wichtiges Thema. Ruben Bernau beschäftigt sich schon mehrere Jahre mit dieser Thematik und gibt sein Wissen an Kollegen weiter. Es war das erste Mal, dass er seinen Vortrag vor medizinischen Laien hielt. Sein Kollege Dr. med. Tim Müller stellte sich als neuer Arzt in der Praxis Bernau vor. Seit April verstärkt er das Hamberger Ärzteteam.
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