
Osterholz-Scharmbeck. Normalerweise stellt im Saal fünf Strafrichter Marcus Lemke die Fragen. Jetzt war es mal ganz anders. Der Richter musste zwar nicht auf der Strafbank Platz nehmen, nur davor, vor dem Mund ein Mikrofon. Ihm gegenüber bediente der Zehntklässler Malte Cassens die Regler eines Aufnahmegerätes. Schüler der Klasse 10.1 des Gymnasiums in der Loger Straße nahmen dabei den Richter ins Visier. Und sie hatten einen Fragenkatalog mitgebracht. Alle Fragen drehten sich um den Rechtsstaat.
Der Hintergrund: Die Klasse 10.1 nimmt an einem Wettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung teil. „Die Schülerinnen und Schüler müssen sich in der zehnten Klasse im Rahmen des Themas Verfassungsprinzipien laut Lehrplan ausführlich mit dem Rechtsstaat befassen“, sagte dazu Isabelle Kuhn, Fachlehrerin für Politik und Wirtschaft. Ihr sei dabei wichtig, dass sich die Jugendlichen vertieft und eigenständig mit dem Unterrichtsgegenstand auseinandersetzen, so die Fachlehrerin. Und das, so Kuhn, würden sie sehr engagiert tun. „Darum haben wir uns auch dazu entschlossen, am Wettbewerb der Bundeszentrale teilzunehmen.“
So hatte sich die Klasse daran gemacht, auf der Basis der von der Bundeszentrale vorgegebenen Frage „Geht hier alles mit rechten Dingen zu?" ein sechsminütiges Radio-Feature zu erarbeiten. „Damit ist auch viel außerunterrichtliches Engagement gefragt“, sagte Isabelle Kuhn. Im Unterricht hätten die Schüler bisher einige aktuelle Fälle aus Deutschland und dem Ausland ins Auge genommen. „Das waren Fälle, bei denen die Geltung des Rechtsstaats infrage gestellt worden ist.“ Darauf bezogen seien dann Fragen erarbeitet worden, erklärte die Lehrerin.
Eine weitere Vorgabe war, einen Experten zu interviewen. „Wir haben uns dann gefragt, wer ein Experte für den Rechtsstaat ist“, berichtete der 15-jährige Malte. Man sei schnell darauf gekommen, dass dafür ein Richter gut in Frage komme. „Ich habe in den Ferien hier im Amtsgericht nachgefragt. Die haben mir gesagt, dass sie das gerne machen würden und mich an Herrn Lemke verwiesen. Das hat alles super geklappt“, lobte Malte. So zogen die Zehntklässler jetzt mit ihren Fachlehrern Isabelle Stolle und Moritz Stolle zum Gericht.
Eine Frage an den Juristen drehte sich darum, ob der Rechtsstaat in Gefahr sei, weil bei einer Pegida-Demonstration sogar Polizisten ein ZDF-Team daran gehindert hätten, Aufnahmen von der Demonstration zu machen. Er denke nicht, dass man davon sprechen könne, dass deshalb der Rechtsstaat schon in Gefahr sei, entgegnete darauf Richter Lemke. Wobei er von allen Polizeibeamten absolute Verfassungstreue erwarte, fügte Lemke hinzu. Nach seiner Einschätzung sei es hier vor allem die Unwissenheit der Polizisten gewesen, verbunden mit einer gewissen Hilflosigkeit, die dazu geführt habe, dass das Fernsehteam an seiner Arbeit gehindert worden sei. Er könne, so Lemke, keine strukturelle Unterwanderung der Behörden erkennen. Vielleicht sei der Vorfall auch etwas aufgebauscht worden.
„Was halten Sie von dem Handeln der Behörden im Falle der Abschiebung von Sam A.? Denken Sie, dass die Behörden teilweise glauben, nach dem Willen des Volkes handeln zum müssen und dadurch gegen Gesetze verstoßen?“, war eine weitere von neun Fragen. Die letzte lautete, ob der Rechtsstaat tatsächlich in Gefahr sei. „Ich denke der Rechtsstaat in Deutschland ist nicht in Gefahr“, ist die Überzeugung des Richters. „Unser Grundgesetz bewahrt diesen Rechtsstaat.“ Das Grundgesetz könne nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages und des Bundesrates geändert werden. Das seien sehr hohe Hürden, so der Jurist.
Selbst durch die in jüngster Zeit zu beobachtende Zunahme rechtspopulistischer Ansichten sehe er keine Gefährdung des Rechtsstaats, betonte Lemke. „Ich denke, wir leben in einer wehrhaften Demokratie und sind durch das Grundgesetz auch in der Lage, unseren Rechtsstaat zu verteidigen gegen etwaige Versuche der Einflussnahme rechtspopulistischer Strömungen.“ Zufrieden zeigte sich Malte im Rückblick mit den Antworten des Richters: „Ich habe mir das zu Hause noch einmal in Ruhe angehört. Das kam extrem authentisch rüber.“ Der 16-jährigen Tina Porsch gefiel die Herangehensweise ans Thema: „Wir konnten sehr selbständig arbeiten.“ Und ihr habe gefallen, die Meinung eines Richters zu hören. „Sonst haben wir ja nur Texte.“
Interessant sei auch gewesen zu sehen, wie eine Gerichtsverhandlung abläuft. Zu Beginn ihres Besuches hatten die Schüler nämlich einen kleinen praktischen Einblick bekommen, wie der Rechtsstaat auf der Ebene eines Amtsgerichts funktioniert: Die Klasse nahm an einer Gerichtsverhandlung teil. Wegen Trunkenheit im Verkehr sollte sich ein Vollersoder verantworten. Der aber erschien nicht, dagegen dessen Verteidiger. Der Anwalt verwies darauf, dass sein Mandant nicht verhandlungsfähig sei. Staatsanwältin und Richter verständigten sich darauf, dem Angeklagten nun einen Strafbefehl von 30 Tagessätzen zu zehn Euro ins Haus zu schicken. Hinzu kam eine Führerscheinsperre von neun Monaten, was eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung nach sich zieht.
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