
Landkreis Osterholz. Die Matte ist ab. Endlich. Es fühlt sich erleichternd an, und diese Empfindung stellt sich schon auf der Fahrt zum Friseur ein. Im Radio berichtet ein Sender über die Öffnung der Salons, befragt frohe Kunden, die es geschafft haben, einen der frühen Termine zu ergattern. Gehören die Glücklichen mit den ersten Terminen etwa zu den Privilegierten? In Bremen, ist zu hören, sollen bis Ende März keine Termine bei den Friseuren mehr frei sein.
Fast drängt sich der Vergleich mit der Vergabe eines Impftermins auf. Doch gleich meldet sich das schlechte Gewissen. Die Verknüpfung verbietet sich eigentlich von selber. Eine Frisur ist doch schon etwas anderes als ein möglicherweise lebensrettender Piks. Die Freude ist trotzdem groß. Nach fast drei Monaten – ja es ist ein Worst-Case-Szenario – kann man sich wieder sehen lassen und sieht selber auch wieder etwas. Und für manchen bedeutet der Friseurtermin ein Stück mehr Freiheit, mehr Lebensqualität. Obwohl: Viel Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen gibt es derzeit ja nicht. Irgendwie ist der Wunsch nach einem Haarschnitt aber absolut nachvollziehbar.
„Was soll gemacht werden?“, fragt Saskia Ullrich, den schützenden Umhang elegant über den Kopf schwingend. Die übliche Frage nach einem Kaffee kommt nicht. Das Servieren ist verboten. Und auch eine weitere Sache ist untersagt: das Blättern in Zeitschriften. Wer sich in Sachen Königs- und Fürstenhäusern, schnelle oder praktische Autos oder Modetrends auf Stand bringen will, muss das woanders tun. Hier und heute gibt es einen frischen Haarschnitt, nichts anderes. Dafür ist es auch zu hektisch. Es geht Schlag auf Schlag.
Das Telefon klingelt. Die Mitarbeiter kümmern sich nebenbei auch darum. „Nein. Heute ist nichts mehr frei“, sagen sie oder: „Was soll denn gemacht werden? Wir können nicht alles anbieten.“ Und auch an der Tür und im Eingangsbereich geben sich zwischendurch die Kunden die Klinke in die Hand. Manche sind auf gut Glück gekommen, erfolglos. Normalerweise kümmert sich die Auszubildende um viele Dinge drumherum. Doch die ist nicht da – ausgerechnet an diesem Tag.
„Wir machen alle Überstunden“, erklärt Saskia Ullrich. Und das wird wohl noch einige Zeit so bleiben. Für einen absehbaren Zeitraum ist das machbar, findet sie. Jedenfalls besser als zu Hause zu sitzen. Drei Filialen betreibt Andreas Evers unter dem Namen Haarschnitt, eine in Worpswede. Wie bei allen Friseurläden waren auch seine Mitarbeiter in Kurzarbeit, bekamen weniger Geld. Zehn Wochen waren es insgesamt. „Am Anfang war es wie Urlaub“, sagt Saskia Ullrich. Doch dann sei die Zeit immer länger geworden. „Wir sind alle froh, dass es weitergeht“, sagt sie und rubbelt die Haare mit einem Tuch. Waschen ist Pflicht. „Aus hygienischen Gründen“, weiß der Stuhlnachbar und die Friseurinnen nicken. Auf den Tischchen stehen Sprühflaschen mit Desinfektionsmitteln. Nach jedem Kunden wird der Arbeitsplatz gesäubert. Dabei soll die Gefahr, sich beim Friseur mit dem Virus anzustecken, gering sein. Jedenfalls hat das eine Dame gehört oder gelesen.
Immerhin, die Gespräche mit den Friseurinnen und Friseuren sind möglich, und die Kunden machen Gebrauch davon. Manchen merkt man an, wie sehr sie sich auf diesen Moment gefreut haben. Eine Unterhaltung kann Balsam für die Seele sein. Die Themen sind aber schon ein wenig anders als sonst. Die Friseure hören sich geduldig an, dass der Lockdown doch übertrieben sei. Ein anderer Kunde findet ihn zu lasch. Und natürlich geht es um zu lange Haare – oder die mehr oder weniger erfolgreichen Eigenversuche, sie selber zu schneiden. Klar merken das die Profis. Doch Saskia Ullrich nimmt es gelassen. „Das bekommen wir alles wieder hin“, versichert sie. Im Notfall gerät der Schnitt eben mal kürzer als gewohnt. Haare wachsen wieder nach. Für manche zu schnell. Da merkt man, dass Haarlängen relativ sind: Wer einen Bürstenschnitt gewohnt ist, für den sind drei Zentimeter schon eine Mähne.
Gudrun Leker ist eine von denen, die sich über einen Termin am Montag freuen durften. Zwölf Wochen ist ihr letzter Haarschnitt her. „Ich war aber eisern und habe meinen Pony nicht gekürzt“, erzählt sie. Dabei ist sie mit ihrer relativ kurzen Frisur alle vier Wochen bei ihrem Stammfriseur in Worpswede. Dafür fährt sie sogar aus Grasberg in das Künstlerdorf. Eigentlich vermisse sie wenig. Vielleicht wäre es schön, einfach wieder in ein Geschäft zu gehen. Jetzt fielen einige Geburtstage an und es wäre für sie schwer, Geschenke zu kaufen. Mit Onlinehandel habe sie es nicht so. Doch der Friseurbesuch tue ihr schon richtig gut. Aber: Die Situation mit der Pandemie sei nun mal für alle neu. „Da müssen wir eben durch.“ Dabei gehe es uns doch vergleichsweise gut. „Vielleicht wir ruhig sein. Es gibt Menschen, denen es viel schlechter geht.“ Auch Privilegien sind halt relativ. Für die schneidende Zunft ist die Öffnung ein Lichtblick in schweren Zeiten. Gut, dass es sie gibt. Wir haben sie vermisst.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.