
Landkreis Osterholz. Vor dem Fenster breitet sich eine kleine Oase aus. Sie ist jetzt nicht mehr grün, sondern bunt. An diesem Tag scheint die Sonne durch die Blätter. Zwischen der Hecke und der Terrasse liegt noch ein Teich. Der ist nicht gleich zu sehen, aber um den wird sich Volker Leopold ab Dezember mehr kümmern. Das hat er sich fest vorgenommen. Doch nicht nur: Volker Leopold freut sich vor allem darauf, wieder mehr Zeit für sein Herzhobby Fußball zu haben. „Die U65 trainiert auch vormittags“, sagt er. Und dann ist da ja noch seine Enkelin. Für sie nimmt sich Volker Leopold ebenso mehr Zeit.
Aber ein paar Wochen muss sich der 63-Jährige noch gedulden. Noch ist Volker Leopold Rettungsdienstleiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Landkreis Osterholz und war von 1999 bis 2017 zusammen mit Angelika Krause Geschäftsführer. Zum 1. Dezember ist nun Schluss. Dann dürfte auch mehr Zeit sein, ein ausgiebigeres Frühstück zu genießen – so wie an diesem Sonnabend. Auf dem Tisch stehen Brötchen, Käse, Marmelade und Honig, Tomaten und Gurken. Die frisch gekochten Eier an jedem Platz wirken wie die Krönung des Ganzen.
Volker Leopold greift jetzt immer mal wieder zu den Gurken und Tomaten vor sich. Sie sind so etwas wie die kulinarische Kulisse für Erzählungen und Einschätzungen aus einem erlebnis- und abwechslungsreichen Berufsleben beim Roten Kreuz. Dies begann wie bei vielen Menschen aus Volker Leopolds Generation, die heute bei einer der Hilfsorganisationen in Deutschland beschäftigt sind: entweder als Zivildienstleistender oder als auf zehn Jahre Verpflichteter im Katastrophen- und Zivilschutz.
Im Jahr 1976 hatte Volker Leopold seine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann beendet. Nun musste er sich entscheiden: Leistet er seinen Wehrdienst ab, macht er Zivildienst oder verpflichtet er sich bei einer der Hilfsorganisationen wie dem DRK, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk (THW)? Letztlich machte das Rote Kreuz das Rennen: Volker Leopold verpflichtete sich für den Zivil- und Katastrophenschutz. „Meine Heimat ist der Ortsverein Ritterhude“, sagt er, während er eine Brötchenhälfte schmiert. Ausschlaggebend sei unter anderem der überaus bescheidene Sold gewesen, den der Bund an seine Soldaten und die Zivildienstleistenden gezahlt habe. Der Vorteil als Verpflichteter beim DRK sei, dass er zwar 200 Pflichtstunden im Jahr habe leisten müssen, jedoch weiter seinem Beruf nachgehen konnte.
Aber es sollte alles anders kommen: Von Oktober 1976 durchlief Volker Leopold die damals üblichen Ausbildungen in Erster Hilfe sowie die sogenannten Sanitätskurse der Stufen A bis C. „Ich wurde an den Rettungsdienst herangeführt“, blickt er zurück. Wobei: Der Rettungsdienst im Landkreis ist mit dem heute nicht mehr zu vergleichen. So waren beispielsweise die Rettungswagen nur mit einem Menschen besetzt, und es hieß, den Patienten so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu bringen. „Load and go“ heißt dieses Prinzip bis heute.
Wenn sich Volker Leopold an seine nächsten Schritte in Richtung seiner späteren Tätigkeit erinnert, muss er unweigerlich schmunzeln. Ende der 1970er-Jahre hatte der damalige Oberkreisdirektor Hans-Dieter von Friedrichs entschieden: Der Landkreis Osterholz soll ab 1. Januar 1979 eine eigene Leitstelle für die Feuerwehr und den Rettungsdienst mit Standort Pennigbüttel bekommen. Volker Leopold bewarb sich auf eine der ausgeschriebenen Stellen als Disponent. Aber: Das DRK konnte einen ausgebildeten Kaufmann gebrauchen. Am 1. Februar 1979 fing der junge Mann im Haus an der Bördestraße an.
Für den eingefleischten Rotkreuzler begannen Jahrzehnte, in denen in erster Linie die Qualität des Rettungsdienstes verbessert wurde. Alsbald waren die Zeiten vorbei, in denen es einen „Krankenwagenfahrer“ für die Menschenrettung gab. Das Rote Kreuz stellte zusätzliches Personal ein, es gab bessere Autos und die Ausbildung wurde optimiert. „Wir haben viel in die Ausrüstung und die Ausbildung unserer Leute investiert“, blickt Volker Leopold zurück, „die Entwicklung im Rettungsdienst ist schon enorm.“
So gehörten ab den 1980er-Jahren jeweils ein Rettungssanitäter und ein Rettungshelfer zu einer Rettungswagenbesatzung. Die Rettungshelfer waren Zivildienstleistende, von denen Volker Leopold nach eigener Einschätzung „mindestens 1000“ eingestellt hatte. Über noch eine Begebenheit muss Volker Leopold heute ein bisschen schmunzeln: In den 1980er-Jahren bekam das Rote Kreuz die ersten Geräte zum Messen der Herzfrequenz. Aus heutiger Sicht unglaublich: „Es war vorher nicht zu kontrollieren, ob der Patient noch lebt.“ Dies endlich feststellen zu können, sei selbst für die Ärzte „eine Sensation“ gewesen.
Im Jahr 2014 ein weiterer Sprung. In Niedersachsen trat das Notfallsanitäter-Gesetz in Kraft. Damit hatte die Notfallversorgung nach jahrelangem Kampf endlich ihren anerkannten Lehrberuf, den auch das Rote Kreuz Osterholz ausbildet. Gleichwohl ist die Diskussion über die Kompetenzen der Notfallsanitäter längst nicht beendet. Aber Volker Leopold weiß, dass etwas in Bewegung ist: „Wir sind mit unserem ärztlichen Leiter Rettungsdienst dabei, das aufzubrechen.“
Er nippt an seinem Kaffee, sortiert seine Erinnerungen und hat denn auch ziemlich schnell einige weitere parat. Der scheidende Rettungsdienstleiter erwähnt die Inbetriebnahme der Rettungswache in Schwanewede als dritten Standort neben den bis dato anderen beiden in Osterholz-Scharmbeck und Lilienthal. Inzwischen gibt es mit Hambergen und Worphausen zwei weitere Wachen.
Von diesen kommt Volker Leopold zum Aufbau des Notarztsystems im Jahr 1994. Bis dahin hatten die niedergelassenen Ärzte diese Aufgabe übernommen. „Das ging aber nicht mehr“, meint Volker Leopold. Der jeweils alarmierte Mediziner könne schlecht alles stehen und liegen lassen, wenn die Praxis voller Patienten sei. Seit nunmehr 26 Jahren kommen die Notfallmediziner mit dem eigenen Fahrzeug. „Das machen wir sehr erfolgreich“, blickt Volker Leopold zurück.
Ein Stück Gurke, einen Schluck Kaffee – der Rotkreuzler kommt auf eines der einschneidenderen Themen zu sprechen, den Aufbau der Notunterkunft für Flüchtlinge auf dem Gelände der ehemaligen Lützow-Kaserne in Schwanewede. „Das ging von 0 auf 100 innerhalb weniger Tage.“ Allerdings hätten es die Osterholzer nicht alleine gestemmt. Der Aufbau und auch der Betrieb der Einrichtung war eine Aktion, an der sich auch die beiden DRK-Kreisverbände Bremervörde und Wesermünde beteiligten.
„In der Spitze mussten wir dort über 1200 Menschen versorgen“, sagt Volker Leopold. Dann bekommt seine Stimme einen weichen Tonfall. „Die schönsten Momente waren die, wenn ich die Kinder lachen gesehen habe.“ Sie seien traumatisiert und verschreckt in Schwanewede angekommen. Schon nach wenigen Wochen hätten sie sorglos miteinander gespielt. „Die Angst in ihren Augen war wirklich verschwunden.“
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