
So ein bisschen war der Verein ihr Baby, sagt Katja Schauland. In den ersten drei, vier Jahren nach der Gründung war er für sie ein Vollzeitjob. „Bis er aus den Kinderschuhen war und auf eigenen Beinen stehen konnte“, sagt sie. Fast auf den Tag genau elf Jahre nach der Gründung wird es jedoch still um den Kulturverein Granatapfel. Mit dem Ende des Jahres 2020 hat auch er sich aufgelöst. Gründe dafür sind der Wegzug der Vorsitzenden Katja Schauland nach Schleswig-Holstein und nicht zuletzt auch die Corona-Situation, die Veranstaltungen zeitweise unmöglich machte.
„Es fiel mir sehr schwer, ich habe sehr lange damit gehadert“, sagt Schauland, die seit der Gründung am 30. Dezember 2009 Vorsitzende des Kulturvereins war, über die Entscheidung. Granatapfel, das war Tanz, Kultur und Musik über alle Altersgruppen hinweg, für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Ob Programmbeiträge für das Europafest und die polnische Partnergemeinde Ostrzeszów, Kulturreisen für ältere Menschen, Ukulelen-Orchester oder eine Rollatoren-Tanzgruppe – die Angebote waren so vielfältig wie die Teilnehmer selbst. Am Tag der Regionen war der Verein, dem eigene Räume an der Weyher Straße in Brinkum zur Verfügung standen, auch regelmäßig mit seiner Geschichtswerkstatt vertreten, genau wie am Tag des Denkmals. Das Kinderkulturfest in der Gemeinde bestritt Granatapfel auch, zudem war er Pate zweier Spielplätze in Stuhr. Dort gab es offene Jugendarbeit; Kinder, Eltern und Großeltern konnten vorbeikommen.
Besonders gern blickt Katja Schauland auf das Ferienprojekt des Kulturvereins in dem Pflegeheim zurück, in dem sie als Leiterin des Sozialen Dienstes und Musik-Geragogin angestellt war. Sechs Jahre lang verbrachten um die zehn Kinder ihre Ferien in der Einrichtung, von 8 bis 14 Uhr bastelten, tanzten und sangen sie täglich zusammen mit den dortigen Bewohnern. Ausflüge nach Worpswede beispielsweise gehörten zum Programm. „Dreimal im Jahr war es das Highlight für Senioren und Kinder“, sagt Schauland. Als größte Errungenschaft nennt sie die Anerkennung vom Landkreis als Träger der freien Jugendhilfe. Das sei nur wenigen eigenständigen Vereinen vorbehalten, in der Regel steht ein Träger oder Dachverband darüber. „Das war eines der größten Highlights, die wir uns erarbeitet haben“, sagt Schauland. Die Bestimmungen sind klar definiert: Das Angebot muss seit mindestens drei Jahren bestehen, es muss weitestgehend kostenlos und offen sein für Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Lebenssituationen. Und Katja Schauland betont: „Bei uns wurde Inklusion gelebt.“
Die Diplom-Kulturwissenschaftlerin war bei der Gründung von Granatapfel noch Kulturbeauftragte der evangelischen Kirchengemeinde Brinkum, weshalb der Verein zunächst im alten Pfarrhaus zu Hause war. Geld hat er vor allem durch seine Veranstaltungen und durch Spenden und Förderungen generiert. Das Organisationsteam war laut Schauland zu sechst, hinzu kamen zwei bis zehn Helfer je nach Veranstaltungsformat. Doch ohne Programm keine Einnahmen. Und ohne Veranstaltungen keine Förderung, sagt Schauland.
Das war letztlich auch dem Schwesterverein Fikus zum Verhängnis geworden. Dieser war 2011 vor allem aus Versicherungsgründen für die Tanz- und Musiksparte des Kulturvereins aus der Taufe gehoben worden. Die Jugendtanzgruppe, der Seniorentanz und die Querbeet-Tänzer trainierten in dem Seniorenheim, in dem Schauland arbeitete.
Auch in ihrer neuen Wirkungsstätte Schleswig-Holstein will sich die 45-Jährige Vereinen anschließen, die sich der kulturellen Teilhabe widmen, denn ohne, sagt sie, „geht nicht“. Wieder sollen alle möglichen Alters- und Personengruppen eingebunden sein, auch – und das ist Schauland ein besonderes Anliegen – Sterbenskranke. Schon die biografische Gruppe im Kulturverein Granatapfel befasste sich mit Trauerarbeit, in ihrem Masterstudium der Palliative Care spürt Schauland genau diesem Ansatz der kulturellen Teilhabe für Menschen in ihrer letzten Lebensphase derzeit nach.
Ihr bisheriges Leben in Stuhr aufzugeben, sei ihr nicht leicht gefallen. Zunächst überlegte Katja Schauland, Granatapfel und auch die Tanzsparte Fikus aus der Ferne weiterzuführen, da für den Vorsitz beider Vereine niemand gefunden worden war. Doch das wäre schwierig geworden – gerade jetzt in Corona-Zeiten mit einem systemrelevanten Beruf in der Pflege. Sicher hätte es Möglichkeiten gegeben, den Kulturverein auf breitere digitale Füße zu stellen. „Kultur kann sich immer Nischen suchen“, sagt Schauland. Hätte sie noch vor Ort gelebt, wäre das sicher auch mit dem Kulturverein Granatapfel passiert.
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