
Einen dicken Stapel Papier hielt Ulrike Buck in den Händen. 1100 Unterschriften, nicht nur von Weyhern, die der Nabu gesammelt hat, um die geplante Erweiterung des Gewerbegebietes Dreye-West III zu stoppen. Allein 182 Weyher Bürger haben bislang die Online-Petition unterstützt, sagte die Beisitzerin für die Naturschützer am Dienstag im Ausschuss für Bau, Planung und Umwelt. „Sie sollten sich das unbedingt angucken“, sagte Ulrike Buck in Richtung der Fraktionen von SPD und CDU. Rund 40 Zuschauer verfolgten die Diskussion in der Mensa der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Kirchweyhe. Es wurde wahrlich gekämpft auf Seiten der Umweltschützer. Dennoch standen CDU- und SPD-Fraktion fest hinter der Erweiterung in Richtung der jetzigen Ausgleichsfläche des Gewerbegebietes. Sie gaben ihr Ja für die Änderung des Flächennutzungsplans. Drei Gegenstimmen kamen von den Grünen und der FDP.
Ulrike Schneider vom P3-Planungsteam fasste die Hintergründe zusammen. Ziel sei, dass sich bestehende Unternehmen entwickeln können, sich neue Betriebe ansiedeln und die bestehende Fläche optimiert wird. Ein Streifen von rund zehn Hektar soll zur Ochtum hin dazu kommen und das Gewerbegebiet bis zu 50 Meter an das Gewässer rücken. Westlich von Dreye-West III soll auf zwölf Hektar „Bestandspflege zur Optimierung“ stattfinden. Ursprünglich sei das Gebiet an der Ochtum Überschwemmungsgebiet gewesen. Neuere Untersuchungen hätten aber gezeigt, dass es „deutlich verkleinert werden kann“, so die Planerin. Der Landkreis habe festgestellt, dass man sich mit den Planungen nicht im Vorsorgebereich für Natur und Landschaft befinde, den der Raumordnungsplan vorgibt. Man würde „allenfalls an den Rändern anstoßen“. Annika Bruck (Grüne) widersprach dieser Aussage in Teilen.
Da die Ochtum Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) ist, bleibt ein Streifen von 50 Metern Abstand bestehen. Auf der Gewerbefläche ist eine Versiegelung von bis zu 80 Prozent möglich, Gebäude dürfen auch länger als 50 Meter lang sein, sagte Schneider. Die Erweiterung bedeute ein Defizit von 294 000 Wertpunkten, wobei ein Punkt bei circa 4,50 Euro liegt. Wie Ulrike Schneider erklärte, seien „in unmittelbarer Nachbarschaft“ zwei Flächen im Besitz der Gemeinde gefunden worden, die den Verlust an Naturfläche auf 11,6 Hektar ausgleichen sollen. Die Signale von Wasserwirtschaft und Landwirtschaft seien positiv.
Der Landkreis Diepholz forderte im Frühjahr 2019 Erläuterungen zu den vom Nabu vorgelegten Daten zur Fauna, schilderte Schneider. Ulrike Buck warf ein, dass damals noch kein Umweltbericht vorgelegen habe. Die Planerin entgegnete, dass dies bei der öffentlichen Auslegung bis März 2019 aber der Fall gewesen sei. Schneider habe den Eindruck, dass die Weyher Kommunalpolitik stets umsichtig gewesen sei, wenn es darum ging, für bestehende Gebiete Konzepte zu entwickeln. So sei es etwa bei GS Agri oder dem Gewerbegebiet Melchiorshausen gewesen.
Der Nabu hatte befürchtet, dass das Antasten der jetzigen Ausgleichsfläche den Lebensraum der per EU-Richtlinie geschützten Rohrweihe gefährden könnte (wir berichteten). Das P3-Planungsteam hatte im Frühjahr untersucht, wie insbesondere das Brutverhalten der dort lebenden Vögel aussieht. Wie Carsten Zippel vom Planungsbüro berichtete, waren bei Beobachtungen an drei Terminen in diesem April, Mai und Juni keine Brutpaare der Rohrweihe gesichtet worden. „Wir konnten nichts finden, was den Verdacht erhärten könnte.“ Ein Brutverdacht bestehe lediglich auf der anderen Uferseite der Ochtum. Im Bereich des Regenrückhaltebeckens habe es paarweise Überflüge der Rohrweihe gegeben, ein Brutplatz sei aber nicht gefunden worden.
Aus den Zuschauerreihen meldete sich der Weyher Nabu-Vorsitzende Thomas Brugger zu Wort. Nicht nur den Naturschützern, auch der Gemeinde und den Jägern sei seit Mitte der 1990er-Jahre bekannt, dass die Rohrweihe auf der südöstlichen Seite brüte. Ornithologen der Ortsgruppe hätten zuletzt zwei Paare gesehen. „Wir beobachten die Ecke seit Jahren“, sagte er. Brugger zweifelte die Aussagekraft der Untersuchung des Planungsbüros an. Die promovierte Biologin Ulrike Buck meinte, für die Kartierung seien laut der verwendeten Methode mindestens sechs bis zehn Beobachtungen vonnöten gewesen. Ein Publikumsgast fragte sich, ob sich das Vorhaben überhaupt rechnet. Die Kosten seien allein durch den Grundstücksverkauf gedeckt, versicherte Steffen Nadrowski, Leiter des Fachbereichs Gemeindeentwicklung und Umwelt.
Wieso müsse man überhaupt an eine Ausgleichsfläche für ein bestehendes Gewerbegebiet heran? Diese Frage beschäftigte einen anderen Publikumsgast, der vorschlug, dass Unternehmen Dächer begrünen könnten. Die SPD-Fraktion nahm den Vorschlag auf. Jutta Timmermann, Nadrowskis Stellvertreterin, versicherte auf die Frage des Bürgers hin: „Es soll eine Ausnahme bleiben.“ Annika Bruck erklärte, dass ihre Fraktion eine Anfrage an die Gemeinde gestellt habe, wo wann Ausgleichsflächen verfügbar wären. Eine Antwort sei bis heute ausgeblieben. Die Grünen-Politikerin bezeichnete die Aussage, die neue Fläche sei hauptsächlich für bestehende Unternehmen im Dreyer Gewerbegebiet geschaffen worden, als „schräg“. Vier von zwölf Hektar seien immerhin für neues Gewerbe bestimmt. Und weiter: Bei GS Agri habe die Verwaltung damals gesagt, es gebe keine Alternative. Als der Landkreis aber sein Veto einlegte, sei dann doch schnell eine Ersatzfläche gefunden worden. Ulrike Buck erinnerte daran, dass der südliche Teil zur Ochtum 1991 bei der Schaffung der Ausgleichsfläche für „hoch schutzwürdig“ erklärt worden sei.
Es sei keine Überraschung, dass der ökonomische Aspekt höher gewertet werde als der ökologische, sagte Steffen Nadrowski. Die Herausforderung sei, die Belange abzuwägen. Annika Bruck kritisierte, dass das Bebauen einer Ausgleichsfläche Tür und Tor öffne, um weiter schützenswerte Flächen anzugreifen – auch in Hinblick auf Windkrafträder. Die Grünen-Fraktion war in der Sitzung bereits vor dem Tagesordnungspunkt zu Dreye-West III mit ihrem Antrag gescheitert, sämtliche Flächen, die im Flächennutzungs- und im Landschaftsplan der Gemeinde sowie im Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises Diepholz als Vorbehalts- oder Vorrangsgebiet für Naturschutz und Landschaftspflege dargestellt sind, nicht zu bebauen.
Rainer Zottmann (SPD) betonte, dass es nach wie vor Tabuflächen gebe. Das schienen Teile des Publikums anzuzweifeln, die ihren Unmut durch Zwischenrufe ausdrückten. „Ich bin skeptisch, neue Gewerbeflächen zu finden“, sagte er. Antje Sengstake (FDP) sagte, sie „werde immer unsicherer“ ob der vielen Gutachten. „Ich halte das Gebiet für schützenswert“, sagte sie und bekam dafür Applaus. Ihre Fraktion werde der Erweiterung dagegen zustimmen, sagte Ingrid Söfty (CDU), die den Vorwurf zurückwies, man habe sich die Entscheidung leicht gemacht.
Annika Bruck hatte sich gewünscht, erst nach einer zweiten Auslegung in die Abstimmung zu gehen. Aber im Verwaltungsausschuss seien Beschlüsse gefasst worden, die darauf hindeuteten, dass die Gewerbegebietserweiterung kommt. Annika Bruck: „Wir haben das hier verloren.“ Nach der Abstimmung kündigte Thomas Brugger an, gegebenenfalls den Rechtsweg zu gehen.
Die Erweiterung von Dreye-West III ist noch einmal öffentlich im Gemeinderat am Mittwoch, 18. Dezember, Thema (18.30 Uhr im Ratssaal des Rathauses).
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