
Weyhe. Waltraut Haferkampf ist sechs Jahre alt, als sie ihre Mutter mitten im Krieg durch einen Fliegerbombenangriff verliert. Ihr Vater ist da bereits tot – gefallen in der Kesselschlacht von Demjansk im Jahr 1942. Inzwischen ist die Erichshoferin 84 Jahre alt und will die ganze Geschichte erzählen. Das tut sie in einem Film zum Volkstrauertag am 15. November, den die Gemeinde produziert. Der eigentlichen Feier erteilt die Kommune in diesem Jahr eine Absage – wegen der Corona-Pandemie.
Von einem Kopfschuss spricht Gemeindearchivar Hermann Greve beim Tod von Haferkamps Vater. In dem von ihm gebauten Haus leben danach dessen Frau und deren Tochter, Waltraud Haferkamp, seinerzeit noch Koch mit Nachnamen. Lange allerdings bleibt dies nicht mehr stehen. 1943 folgt der Angriff von US-amerikanischen Bombern. „Eine Fliegerbombe hat das Haus pulverisiert“, berichtet Greve aus den Erlebnissen Haferkampfs, die mit sechs Jahren plötzlich Vollwaise wird. Sie selbst ist während des Angriffs, bei dem auch die Großmutter umkommt, auf einem Feld in der Leester Marsch und versteckt sich dort in einem Bunker.
Inzwischen ist die Geschichte der Familie zusammengeschrieben und soll als einer von drei Bestandteilen eines Films am Volkstrauertag den Hauptteil ausmachen. „Für sie ist das ein Stück Abarbeitungsprozess“, sagt Greve über die 84-Jährige. Auf die Familie gestoßen ist er, weil sich Haferkamp bei ihm meldete, denn sie stellte beim Besuch des Erichshofer Mahnmals fest, dass die Namen ihrer Angehörigen fehlten: von Mutter, Vater und Großmutter. Und Greve erklärte, dass die Namen an der Kriegsgräberstätte an der Marienkirche erfasst sind wegen der Zugehörigkeit der Familie zum Ortsteil Hörde. Die ganze historische Geschichte gibt es dann am 15. November ab 11 Uhr, erzählt von der professionellen Sprecherin Melanie Neuhöfer. Ergänzt wird der Zeitzeugenbericht im Film „durch Bilder von Weyhe aus der damaligen Zeit – und einen anschließenden Brückenschlag ins Hier und Jetzt“, teilt Gemeindesprecher Sebastian Kelm mit.
Weitere Teile des Films, den die Medienwissenschaftsstudentin Franziska Gröne macht, sind Grußworte des Bürgermeisters Frank Seidel (SPD) und weitere von Manfred Streich vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Aufgezeichnet werden diese im Ratssaal der Gemeinde. Kränze sollen an den Standorten im Gemeindegebiet dennoch abgelegt werden. Wie Tina Fischer, in der Verwaltung zuständig für Kulturarbeit, weiter zum besonderen Ablauf anlässlich des Gedenktages erklärt, wird eine Delegation der Gemeinde Kränze und Gestecke an den neun Mahnmalen und zwei Kriegsgräberstätten an den Kirchen in Leeste und Kirchweyhe platzieren.
Üblich gewesen war es in den vergangenen fünf Jahren, dass die Gemeinde eine Feierstunde im Rathaus organisiert hatte, bei denen es bereits um Familiengeschichten ging. Digital oder analog: Für Greve ist die Form des Gedenkens mit einem ausgesuchten Fokus eine gute Variante. „Nur Trauer zu zeigen, ist mir zu wenig“, sagt er. Man müsse auch eine Botschaft haben – jene Geschichten eben. Und ein Ende scheint dabei noch nicht in Sicht: „Mein Kopf ist voll mit Geschichten von Menschen, deren Leben zerstört worden ist“, sagt Greve. Und das sind reichlich. Für die unmittelbar Getöteten bedeuteten die Kriege Leid, aber auch für die Hinterbliebenen, ebenso die Versehrten – meint auch Fischer. „Den Nachfahren ist etwas Symbolisches wichtig“, sagt sie. Bürgermeister Frank Seidel nannte in dem Zusammenhang insbesondere die persönliche Betroffenheit, die „immer ein Argument“ für eine Gedenkveranstaltung ist. In den früheren Weyher Ortsteilen Kirchweyhe, Sudweyhe und Leeste hätten in beiden Kriegen insgesamt 1100 Menschen ihre Leben gelassen, sagte er.
Der Film, bei dem Fischer von einer „angemessenen Lösung auch für Risikogruppen“ spricht, wird am Volkstrauertag nicht im Live-Stream gezeigt, so Fischer, sondern vorproduziert. Er ist ab dem Tag ab 11 Uhr zwei Wochen lang im Internet unter www.weyhe.de abrufbar.
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