
Kein einziger Walk-Act war geplant. Zumindest nicht von Marcello Monaco, dem künstlerischen Leiter des internationalen Straßentheaterfestivals, der Piazzetta, in Bassum. Und dennoch wimmelte es am Sonnabend in der Innenstadt von Künstlern, die nicht im offiziellen Programm erwähnt wurden. Sie marschierten mit Gummistiefeln, Regencapes und Eimern ausgestattet von einem zum anderen Veranstaltungsort des Spektakels und sorgten für Aufsehen. „ Auf den Eimer stelle ich mich drauf, damit ich besser sehen kann“, schmunzelte der Bramstedter Klaus Pajenkamp. Außerdem sei ein Eimer multifunktionstüchtig, einerseits als leichte und mobile Tribüne, andererseits als schnell hingestellter Sitz für die erste Reihe. Da musste selbst der amerikanische Komiker und Aktionskünstler Jeff Hess lachen. „Tolle Idee“, meinte er und verblüffte seinerseits das Publikum mit einem unsichtbaren Kaugummi, welches dennoch heftige Spuren quer über seinem Gesicht hinterließ. Im Scheibenwischertakt zog er Grimassen, schräg, verwegen und herrlich doof.
Zwei Frauen mit Eistüten in der Hand schafften es nicht, während dieser Darbietung ihre süße Köstlichkeit in Ruhe zu genießen. Von unkontrollierten Schreikrämpfen geschüttelt, verfolgten sie den zähen Kampf des Clowns mit seiner Kaumasse, die ihn mittlerweile mit lang gezogenen Fäden von Händen bis zu den Füßen in schiere Verzweiflung stürzte. Als er zum Schluss tatsächlich seine Befreiung von der klebrigen Masse schaffte, indem er sie einfach wieder in den Mund steckte, schrie das gesamte Publikum entsetzt auf.
Die Künstler der Piazzetta brauchen keine Erklärungen, um verstanden zu werden. Wie Detlef Winterberg. Mit seinem Motto „Reden ist Silber, Schweigen ist witziger“, kämpfte er auf der Bühne mit den Tücken eines Zeltes, was sich nicht zusammenfalteten ließ und eine eigene Dynamik entwickelte. Selbst der aufkommende Wind wurde zur Tücke und ließ das Zelt wie von Geisterhand tanzen. Als ein mächtiger Donner einen Regenguss samt Hagelkörnern aus dicken Wolken schickte, musste er sich geschlagen geben. Gemeinsam mit dem Publikum suchte er Schutz unter dem Vordach der Sparkasse.
Und siehe da, wieder überraschte ein spontaner Walk-Act und versüßte das Warten auf die Sonne: Trotz Regen und kaltem Wind fuhr ein kleines Mädchen, ganz im rosa Outfit – sowohl sie, als auch ihr Rad – in waghalsigen Schlangenlinien, haarscharf an Hindernissen wie Straßenlaterne und Verkehrsschild vorbei und beeindruckte mit Charme und Pokerface. Ihr Ziel: die Kreuzung an der Bremer Straße.
Hohes Niveau
Eben noch schien dort die Sonne, bevor der kalte Hagelschauer die Show des Herrn Winterbergs vermasselte. Ein kleines Hoch, von dicken grauen Wolken umringt, ließ kurz zuvor den blauen Himmel leuchten, fast so, als würde der chinesische Mast, der dort aufgebaut war, in einem blauen Zirkuszelt stehen. Für die Standfestigkeit aber sorgten starke Männer aus dem Publikum und das dies klappte, dafür sorgte der chilenische Akrobat Mistral selbst. Nicht mit großen Erklärungen, sondern durch eine kluge Inszenierung, kurzweilig und amüsant, die das Notwendige – die Stabilität der Stange – mit erstklassiger Unterhaltung verband. Ein fließender Übergang zur eigentlichen Akrobatik, mit welcher der Artist sein Publikum beeindruckte.
„Wir kommen am liebsten am Sonnabend zur Piazzetta“, erzählte Michael Klein aus Oyten, denn am ersten Festivaltag würden die Programme hintereinander laufen und nicht zeitgleich. „Da hat man nicht das Gefühl, etwas zu verpassen“, fügte er hinzu, schnappte seine Kinder, um zur nächsten Bühne zu gelangen. Hier ging es um eine sportliche Putzfrau mit Herdanziehungskraft und einem pfiffigem Butler, der – auf zwei Wischmopps gehend – das Nordic Moppen präsentierte, eine Szene des Duos Schroeckleloecks. Beschwingte Opernhaus-Atmosphäre mit im Walzertakt tanzenden Diabolos und einem verzweifelten Zimmermädchen, welches sich in schwindelnder Höhe in einem Strick verhedderte. Eine perfekte Mischung aus erstklassiger Akrobatik, Theater und Comedy. Ebenso das italienische Team: Disguido – temporeich, atemberaubend, komisch. „Man weiß nie, ob es eine Panne ist oder tatsächlich gewollt“, kommentierte ein Zuschauer die verblüffende Show der beiden Italiener, „sicher ist aber, dass es vorzügliche Unterhaltung ist.“ Das traf auf alle Akteure der Piazzetta zu, von überall her drang lauter Applaus und schallendes Gelächter durch Bassums Innenstadt.
„Nicht nur der einzelne Künstler ist mir wichtig, sondern das Gesamtkonzept des Festivals“, erläuterte Marcello Monaco seinen Anspruch. Deswegen war es eine große Herausforderung, die kurzfristig ausgefallenen afrikanischen Gruppen durch gleichwertige zu ersetzen. Das ist Monaco mehr als geglückt: Das Ensemble Adesa aus Ghana eröffnete das Festival und heizte zu Beginn mit temperamentvollen Rhythmen und mitreißender Fröhlichkeit ein. Akrobatik, mit bunten Bildern, Tanz, gekonnten Sprüngen und eine Biegsamkeit der Körper, die für großes Staunen sorgte. Die Gruppe Asante Kenya beendete den ersten Festivaltag mit Artistik vom Feinsten. Sie bauten menschliche Pyramiden, in einer rasanten Geschwindigkeit, dass der Betrachter, noch in der Überlegung, wie die Figur ausbalanciert wurde, mit einer neuen Pyramide überrascht wurde.
Varieté mit Bürgermeister
Am Abend des ersten Piazzetta-Tags zeigten alle Künstler gemeinsam bei der Varieté-Show „Stelle di Notte“ ein Varieté-Programm auf höchstem Niveau. Dabei ließ es sich Monaco nicht nehmen, Akteure und Gäste persönlich durch das Programm an der Freudenburg zu begleiten und tat dies mit Hilfe seiner Partnerin Daniela Franzen. Er, in seiner Muttersprache Italienisch, sie, als bieder wirkende Frau Hummelstein, ins Deutsche übersetzend. Bassums Bürgermeister Christian Porsch begrüßte die Menschenmenge in der Freudenburg auf Englisch, um sich direkt bei den internationalen Künstlern für die Teilnahme der Piazzetta in seiner Stadt – fernab der Metropolen – zu bedanken. Danach folgte ein spanischer Auftakt mit Javier Simon, der mit seinen edlen, leichtfüßigen, fast schwebenden Pferden eine anmutende Dressur, märchenhaft schön und gekonnt, zeigte.
Und dann überboten die Künstler sich selbst: Antoine, der witzige Butler von Schroeckleloecks und Artistin Caroline Schroeck, das Duo Disguido mit klassischen Filmszenen von James Bond bis zu Titanic, Detlef Winterberg und seiner schrägen Kunst der Persiflagen, die afrikanischen Artisten und Musiker von Adesa, der Komiker Jeff Hess, der chilenische Artist Mistral und Asante Kenya mit ihrer Feuer-Akrobatik Show. Dazwischen Monaco und Frau Hummelstein, gar nicht bieder, sondern sehr moderat und amüsant.
Am gestrigen Sonntag spielten die Gruppen nicht nur parallel zueinander, sondern mehrfach an verschiedenen Orten und beendeten das Festival mit afrikanischem Flair und einem nicht enden wollenden Applaus.
Immer sonnabends möchten wir Sie unter dem Motto "Aufgetischt" auf eine kulinarische Entdeckungsreise in unsere Region mitnehmen. An dieser Stelle haben wir alle Restaurant-Besuche gesammelt.
1) Gasthaus Holschenböhl (Emtinghausen)
2) Ristorante Italia (Bruchhausen-Vilsen)
3) Gasthaus Leinenweber (Bruchh.-Vilsen)
5) Gasthaus Esszimmer (Bruchh.-Vilsen)
6) Die Kastanie (Martfeld-Hollen)
8) To'n Poggenkrog (Bruchh.-Vilsen)
9) Brasserie Horstmann (Bruchh.-Vilsen)
10) Forsthaus Heiligenberg (Bruchh.-Vilsen)
11) Restaurant Akropolis (Bruchh.-Vilsen)
13) Adriatic Grill und Fisch (Achim)
14) China-Restaurant Asia (Verden)
15) Ristorante Da Vito (Achim)
17) Ristorante Davide (Verden)
18) Bellini (Achim)
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.