Hude. Wenn sich ein Vokalquintett 'Quintessence' nennt, dann drängt sich förmlich eine wortklauberischen Deutung auf. 'Der Kern einer Sache', sagt das Lexikon über 'Quintessenz'. Nimmt man die musikbezogene Wortspielerei mit ins Deuten hinein, geht es also um die Essenz, das Wesen des 'Im-Quintett-Singens' an sich.
Nomen est omen? Das A-cappella-Ensemble 'Quintessence' machte seinem Namen beim Konzert in der Elisabethkirche am Sonntagabend ganz gewiss keine Schande: Es brachte sein Publikum zu juchzendem und trampelnden Applaus und kam nicht ohne drei Zugaben von der Bühne - oder aus dem Altarraum. 'Quintessence', das sind Neltje Wiebach, Sopran; Jutta Birkigt, Mezzosopran; Lutz Kaminski, Tenor; Daniel Berg, Bariton und Ralph Baumann, Bass. Wobei alle fünf nicht unbedingt sehr charakteristische Vertreter ihres jeweiligen Stimmfachs sind.
Wohliges Vergnügen
Die Fünf begannen ihr neues Programm 'Five' mit dem titelgebenden 'We Are Five' und mit warmem A-cappella-Klang. Zu hören war ein Schmuse-Sound pur, und ein bisschen Percussion gab es von den Claves als Rhythmus-Ergänzung dazu. Dieser sehr dichte, schöne Klang wurde eines der Markenzeichen des Abends. 'Friend', oder der alte Doo-Wop-Song 'Sh?boom' verbreiteten wohliges Vergnügen.
Sicher wäre so etwas auch ohne die gefühligen Anmoderationen ausgekommen: Die Musik sollte doch möglichst aus sich heraus und ohne Aufforderung, die Taschentücher bereit zu halten, für eventuelle Glückstränen sorgen. Auch die Ausflüge der Sängerinnen in die ersten Sitzreihen bedienten nicht unbedingt das Showbedürfnis des Publikums.
Musik pur ist besser. Und da gab es auch Brillantes, Mitreißendes. Es begann mit 'Penny Lane' von den Beatles, landete bei Bobby Hebbs 'Sunny' und schließlich bei der letzten Zugabe. Diese begann mit hinreißender Vokalvirtuosität als vierstimmige englische Madrigalkunst des 16. Jahrhunderts und führte über 'Can?t buy me love' in swingendes Jazzfeeling - und das fünfstimmig! Da kam 'Quintessence' der Kunst der King?s Singers, von denen der Madrigalteil stammte, sehr nahe; und dass es swingen kann, hatte das Ensemble bereits mehrfach bewiesen. So auch mit der feinen Instrument-Imitationen im 'Walking' der schwedischen 'Real Group', mit der man 'Quintessence' auch bestens vergleichen kann.
A-cappella-Kunst - die Sätze allein waren voller handwerklicher Meisterschaft - gab es auch in den 'Good Vibrations' der Beach Boys oder in Billy Joels 'Honesty' zu hören. 'Zwerge' von 'Ganz schön feist' oder der schuhplattelnde Ausflug nach Bayern mit Hubert von Goiserns 'Koa Hiatamadl' sorgten für einen Stimmungswechsel wie auch die Ausflüge in die alte Schlagerwelt der vierziger und fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts: Friedel Hensch und die Cyprys sangen damals italiensehnsüchtig vom Mittelmeer, Peter Igelhoff war zungenbrecherisch 'Vergnügt'.
Das alles zusammen ließ sich schon mal als große Quintett-Kunst beschreiben. Die große Komponisten-Kunst kam dann auch zu Gehör. Es gab eine Vokalversion der kompletten ersten Peer-Gynt-Suite von Edward Grieg. Darunter war auch die aus der Fernsehwerbung bekannte 'Morgenstimmung'. Aber auch 'Ases Tod', 'Anitras Tanz' und 'In der Halle des Bergkönigs' waren in dieser Bearbeitung zu hören. Dabei erhob sich die schönste Balance des Klangs mit klanglich-dynamischen Abstufungen, ausgekosteter Harmonik und differenzierter Ausdrucksgestaltung, der man vielleicht manchmal mehr romantisch-leidenschaftlichen Überschwang gewünscht hätte. Die Ausflüge in die text-komödiantische Ecke ('Der Fischer' von 'Johann Sebastian von Goethe' etwa) waren indes eher holprig und nicht so überzeugend.