
Extreme Wetterereignisse nehmen in den kommenden Jahren zu. Das erwartet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie der Deutsche Wetterdienst. In besonderer Weise betroffen sind Landwirte im Bremer Blockland: „Bei Starkregen hält die Kanalisation nicht mehr stand und die ganze Kloake wird in die Kleine Wümme eingeleitet“, beklagt Bio-Landwirt Gerd Gartelmann. „Dieser Zustand ist auf Dauer nicht hinnehmbar“, sagt der Blocklander. Zurzeit ist es so, dass bei Starkregen mechanisch gereinigtes Mischwasser – also Regenwasser und Schmutzwasser – in die Entwässerungsfleete eingeleitet wird, die die landwirtschaftlichen Flächen im Bremer Blockland durchziehen. Die Bauern fordern deshalb die Stadt Bremen auf, das Schmutzwassersystem zu überdenken.
„Mischwassereinleitungen werden dann vollzogen, wenn die Mischwasserfracht nicht mehr über das Kanalnetz nach Seehausen abgeführt werden kann“, erklärt dazu Deichverbandsgeschäftsführer Wilfried Döscher. „Diese Mischwasserfracht führt natürlich zu einer starken Belastung des Gewässers. Vor allem zu einem akuten Absinken des Sauerstoffgehaltes“, berichtet der Deichverbandschef unverblümt. Das bestätigt auch Bremens Hüterin der Wasserqualität, Britta Freiheit von der Bremer Umweltbehörde, auf Nachfrage. „Natürlich ist das eine Belastung. Der Stickstoffparameter Ammonium zeigt nach jeder Einleitung erhöhte Werte an“, erklärt Freiheit anhand eines Diagramms. Der Sauerstoffgehalt sinke nach der Einleitung auf null, so die Ingenieurin. Je nach Wetterlage dauere es zwischen drei Stunden und vier Tagen, bis sich das Gewässer erhole.
Allerdings bewege man sich stets im Rahmen der wasserrechtlichen Genehmigungen, unterstreicht der Sprecher der Umweltbehörde Jens Tittmann und verweist auf eine Bundesverordnung mit der Nummer A 128. Danach dürften 20 Prozent des anfallenden Mischwassers in Flüsse eingeleitet werden. Bremen würde diesen Richtwert unterschreiten. Drei bis vier Prozent Mischwasser würden lediglich pro Jahr in Bremer Fleete eingeleitet, heißt es aus der Umweltbehörde. „Nitratwerte werden in allen Bremer Gewässern sicher eingehalten“, ergänzt Britta Freiheit.
Schwappt das Abwasser bei Starkregenereignissen in die Wümme, wirft der Deichverbandschef Döscher verschiedene Pumpsysteme an, um das Schmutzwasser möglichst schnell weiterzuleiten. Dennoch: Das Abwassergemisch sei „schädlich für die Gewässerbiozönose“, warnt Döscher. Also schädlich für alle Lebewesen und Organismen.
„Im Jahre 2000 hat die Hansewasser dieses System durchgedrückt, unter massivem Protest der Bauern. Wir haben uns dagegen gewehrt“, erklärt Gerd Gartelmann am Ufer der Kleinen Wümme. „Wenn man über Umweltschutz nachdenkt, muss man das gesamte System sehen“, ergänzt Bio-Landwirt Bernhard Kaemena. „Bremen muss ein neues System beim Auffangen von Schmutzwasser erdenken“, fordert der Blocklander. „Wir können nicht mehr sagen, wir leiten das Mischwasser in die Lesum und leiten das dann irgendwohin in die Welt – und das interessiert uns nicht. Nein, es interessiert uns!“ Das Wasser werde in die Weser weiter transportiert. „Es ist ja dann nicht weg!“, so Kaemena. Er beobachte indes, dass beim Pumpwerk-Wasserhorst immer mehr tote Fische anschwemmen. „Was da an toten Fischen rausgeholt wird, das kann es nicht sein! Bei Mischwassereinleitungen sterben die Fische ab. Das ganze Ökosystem kippt in dem Moment“, warnt Kaemena.
Das Unternehmen Hansewasser ist für die Abwasserwirtschaft in Bremen zuständig. Auf Nachfrage heißt es dort, dass die Bremer Kanalisation für Regenereignisse bis zu 23 Liter pro Quadratmeter ausgelegt sei. Bei Starkregenereignissen prasseln jedoch auch mal 50 Liter Regenwasser innerhalb einer Stunde von Himmel. Durch den Betrieb von Pumpwerken, Abwassersteuerungssystemen, Speicherkanälen und Rückhaltebecken werde „die Mischwasserentlastung in die Gewässer und insbesondere in die Kleine Wümme so gering wie möglich gehalten“, erklärt der Unternehmenssprecher Oliver Ladeur. „Wir liegen bei 65 Prozent unter den Erlaubniswerten.“ Allerdings verheimlicht die Hansewasser nicht, dass sie nachbessern müsse: „Vor dem Hintergrund der Anforderungen aus der EU-Wasserrahmenrichtline gilt es, die Mischwasserentlastungen in die Blocklandgewässer zu verringern“, räumt der Unternehmenssprecher ein.
Genau hier setzen die Landwirte an. Sie müssten zukünftig für Messergebnisse auf ihren Wiesen und Feldern dafür grade stehen, sagen sie. „Die Einleitungen aus dem überlasteten Kanalsystem werden dabei gar nicht berücksichtigt. Das kann in der heutigen Zeit, wo man so auf Mikrogramm von Stickstoff guckt, nicht mehr die Wahrheit sein“, findet Gerd Gartelmann. Auch sei bislang ungeklärt, wie schmutzig das Wasser sei, das über die Straßen in die Regenwasserkanäle laufe. „Ist das vielleicht so stark konterminiert, dass es unbedingt über Auffangbecken laufen müsste?“, fragt Landwirt Kaemena.
„Was der fade Beigeschmack ist, dass den Landwirten eine Vorschrift nach der anderen reingedrückt wird und die Problematik der Nährstofffracht dann insgesamt auftaucht – und deshalb auch insgesamt betrachtet werden muss“, fordert der junge Agraringenieur Jan Eike Geerken. „Wir wollen niemandem in die Hacken treten, weil wir als Landwirte jetzt in die Schusslinie geraten sind“, betont Bio-Bauer Kaemena. „Aber wir betrachten das als gesamtes Problem der Stadt und nicht nur der Landwirte.“ Die Blocklander Bauern haben jetzt ein bodengeologisches Institut hinzugezogen, um zu sehen, wie sich ihre Böden bei Starkregen verhalten. „Wir bemühen uns jeden Tag darum, zu erkennen, was sinnvoll ist. Dasselbe verlangen wir auch von der Stadt Bremen“, so die Landwirte unisono.
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