
Osterholz-Scharmbeck. Nach der Übernahme durch die Hamburger DS-Produkte GmbH läuft beim Grillhersteller Landmann der Betrieb am Binnenfeld in Osterholz-Scharmbeck in abgespeckter Form weiter. Die verbliebenen kaufmännischen Mitarbeiter sollen in den kommenden Tagen in Workshops zur Positionierung der Marke neu geschult werden. In den Lagerhallen herrscht nahezu Stillstand: Nur etwas mehr als eine Handvoll Lageristen schiebt Notdienst in den insgesamt 26.000 Quadratmeter weiten Trakten. Sämtliche Verträge mit Dienstleistungsfirmen sind aufgekündigt worden, wie die DS-Sprecherin mitteilt.
Wie in den vergangenen Jahren hat Landmann auf den Start der Grillsaison hingefiebert. Das Hauptgeschäft beginnt spätestens im Februar und endet meist schon mit Sommerbeginn. In diesem Jahr jedoch ist für Landmann, Deutschlands Nummer zwei im Grillhandel, alles anders.
Nach der Insolvenz im November 2020 und der Übernahme durch den Höhle-der-Löwen-Investor Ralf Dümmel und seine DS Produkte GmbH steht der Betrieb in der Kreisstadt an einem Scheideweg. Knapp ein Drittel der Belegschaft war im September 2020 entlassen worden. Die Kündigungswelle erfasste 26 Lageristen. Fast alle sind seit 1. Oktober 2020 für ein Jahr in eine Transfergesellschaft gewechselt. 60 kaufmännische Beschäftigte konnten sich zum neuen Arbeitgeber durchschleppen. Ihnen allen steht in diesem Jahr ein Neuanfang bevor.
Fest steht, dass es bei einem der größten europäischen Grillhersteller viel zu tun gibt. Eine klare Linie oder Strategie ist zurzeit schwer erkennbar. Nach der Insolvenz von Landmann Germany brauche die Standortbestimmung Zeit. Das Thema Aufräumen stehe deshalb im Vordergrund, betont DS-Sprecherin Sanja Stankovic. Auch gut drei Wochen nach der offiziellen Firmenübertragung gehe es darum, die Fakten zu ordnen. Das Geschäftsjahr 2021 scheint größtenteils abgehakt zu sein. Die Hoffnungen konzentrieren auf den Online-Verkauf und einen Neustart im Jahr 2022.
Nach der eilig veröffentlichten, vermeintlichen Erfolgsmeldung zur Übernahme vor Weihnachten ist vom Bremer Insolvenzverwalter nichts mehr zu hören. Auf Nachfrage der Redaktion will man weder über den Stand der Dinge, noch über den weiteren Fahrplan des Landmann-Verfahrens Auskunft geben. Sämtliche schriftlich formulierten Anfragen der Redaktion an die Kanzlei bleiben unbeantwortet. Über Vertragsdetails und Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden. „Wir bitten um Nachsicht, dass wir uns in diesem Fall nicht weiter dazu äußern können", heißt es lediglich.
Nach Informationen der Redaktion hat es offenbar einen sogenannten Asset-Deal gegeben. Demnach gehen mit Zahlung des Kaufpreises immaterielle Vermögenswerte wie Kundenstamm, Firmenwert, Namensrechte und Patente an den neuen Besitzer über. Ein Vorteil für den Käufer ist, dass damit Rosinenpickerei möglich ist. Der Hamburger Investor kann sich die für ihn lukrativen Vermögenswerte aussuchen – ohne sämtliche Verbindlichkeiten zu übernehmen. Es wird also die Spreu vom Weizen getrennt. Diese Analyse benötigt aufgrund des Umfangs eine längere Zeit. Der Firmensitz am Binnenfeld samt Büroimmobilie und Lagerhäuser scheint für DS eher uninteressant.
Im überdachten Lagerbereich gibt es offenbar erheblichen Investitionsstau, wie die Redaktion von anderer Stelle erfahren hat. So regnet es an der einen oder anderen Stelle durch. Das Gebäude erfüllt nicht den Anforderungen an einen behindertengerechten Arbeitsplatz. Daran änderte auch der 2012 neu erstellte, etwa fußballfeldgroße Hallenbau nichts. Auch mangelt es an technischen Voraussetzungen, um digitale Technik wie Scanner einzusetzen. Diese Defizite hatten die Landmann-Mitarbeiter bislang durch Teamwork, Erfahrung und mit viel Handarbeit ausgeglichen. Die reine Immobilie verbleibt also zunächst erst mal bei der Besitzerfamilie Hockemeyer.
DS habe lediglich die Geschäftsräume angemietet, wie Unternehmenssprecherin Sanja Stankovic auf direkte Nachfrage erläutert. Die Verhandlungen über die Mietkosten und -konditionen laufen zurzeit. Der Ausgang der Verhandlungen bestimme, wie lange der Betrieb in Osterholz-Scharmbeck weiterlaufe. Dass abgeschlossen wird, ist klar: DS hatte in einer Pressemitteilung den Begriff „mittelfristig“ genannt. Es ist plausibel, dass dieser Zeitraum etwa ein Jahr umfasst und mit dem Start in die neue Grillsaison zusammenfällt.
Die ehemaligen Mitarbeiter von Landmann hatten im Dezember große Erwartungen in den neuen Besitzer gesetzt. Gekündigte Lageristen hatten sich Hoffnungen gemacht, wieder bei Landmann – unter neuer Führung – anzuheuern. Diese Träume zerplatzten mit der kürzlich gemachten Ankündigung, den Firmensitz in Osterholz-Scharmbeck mittelfristig zu schließen. Möglicherweise könnten bei Bedarf einige Fachkräfte für wenige Monate wieder Schichten kloppen. Eine dauerhafte Anstellung am Standort jedoch ist illusorisch.
DS hatte früheren Lageristen angeboten, sich beim firmeneigenen Logistikzentrum in Gallin im Landkreis Ludwigslust-Parchim zu bewerben. Dort würden Bewerbungen von Landmann-Mitarbeitern bevorzugt behandelt werden, wie Sanja Stankovic zusichert. Nur müssten die Bewerber auch bereit sein, nach Mecklenburg-Vorpommern zu wechseln. Nach Informationen der Redaktion tendiert das Interesse der Osterholzer Belegschaft jedoch gegen null, ins knapp 200 Kilometer entfernte Gallin zu ziehen.
Die restlichen kaufmännischen Angestellten sollen auf ihre Aufgaben bei DS vorbereitet werden. Man werde schauen, wo die Interessen und Talente der Kollegen liegen und auch Rücksicht auf Wünsche nehmen, betont die Unternehmenssprecherin. Zunächst sind unter anderem Marketing-Workshops am Binnenfeld geplant. Die Vertriebsspezialisten aus Hamburg wollen sich vor Ort auch detailliert über die Grillmodelle des Herstellers informieren und die Ausstellung am Firmensitz besuchen, so Stankovic.
DS betont, man wolle Mitarbeitern den Wechsel erleichtern. Dazu sollen Möglichkeiten für flexibles und dezentrales Arbeiten geschaffen werden. Zudem können sie tageweise Betriebswohnungen in Hamburg-Stapelfeld in Anspruch nehmen. „Der Zusammenschluss sichert langfristig Arbeitsplätze und bringt zahlreiche Synergieeffekte mit sich, die wir nutzen wollen und werden“, lässt Markus Gahr als Geschäftsführer der Landmann Germany GmbH mitteilen.
Die Firma DS-Produkte
Die Firma wurde 1973 als DS Produkte Dieter Schwarz GmbH gegründet. Das internationale Handelshaus mit Hauptsitz in Hamburg-Stapelfeld ist einer der größten Lieferanten in Europa von Non-Food-Artikeln für Discounter, Versand-, Lebensmittel- und Einzelhandel sowie den TV- und Internetbereich. Mehr als 400 Mitarbeiter haben 2019 einen Umsatz von 260 Millionen Euro erwirtschaftet. Zum Vermögen zählen rund 700 aktive Marken und eingetragene Designs. Das Sortiment umfasst mehr als 4000 Produkte. Geschäftsführender Gesellschafter ist Ralf Dümmel, bekannt als Investor aus der TV-Sendung „Höhle der Löwen“.