
Grasberg. 30 Jahre besteht der Grasberger Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt (Awo), 22 Jahre davon leitet ihn Karl-Heinz Thimm. Er habe das gar nicht gewollt, erzählt er. Schließlich habe er mit der Dorfgemeinschaft Seehausen genug zu tun gehabt. Aber am 13. Februar 1997 folgte er doch seiner Frau Margot in den Grasberger Awo-Vorstand. Er der Vorsitzende, sie die Stellvertreterin. Da lässt es sich kaum vermeiden, dass Awo-Themen am Küchentisch diskutiert werden. Manchmal auch leidenschaftlich. Das hat Thimm schon im Berufsleben zur Genüge praktiziert. Und das Reden. Am 20. Juli wird er zur Awo-Geburtstagsfeier ab 14.30 Uhr im Awo-Garten über die Gründer und die Geschichte des jüngsten Awo-Ortsvereins im Landkreis Osterholz erzählen.
1972 zog Thimm mit seiner Familie von Bremen nach Seehausen. Ein Urgestein im Dorf sollte man meinen. Er grinst und sagt: „Du bist hier im Dorf immer der Neue.“ Einer, der sich seit Jahrzehnten einbringt. Der Awo-Fahrten und Reisen plant oder den Awo-Garten zusammen mit Helfern in Schuss hält. Den Garten, den sie selber angelegt haben und in den die Ehrenamtlichen sommers zweimal im Monat zum Klönschnack mit Kaffee und selbst gebackenem Kuchen einladen, hatte Thimm vor seinem inneren Auge gesehen, als da noch Brennnesseln wucherten. „Es hieß, ich wäre verrückt“, erinnert sich Thimm. Da war er schon Vorsitzender, und die Awo musste ihr damaliges Häuschen ohne Strom und Wasser im Gefkensweg für die Kitaerweiterung aufgeben. Drei Grundstücke bot ihnen der damalige Grasberger Bürgermeister Heinrich Blanke an. 2002 weihten sie in der Findorffstraße 3a ihr neues Domizil ein, diesmal mit Strom und Wasser. Thimm ist noch heute sichtlich zufrieden mit dem Resultat, doch die Freude währte nur einige Jahre.
„Das Haus haben sie uns angesteckt“, erinnert sich Thimm an jenen Anruf am 6. Oktober 2010. Das Awo-Vereinsheim stand in Flammen. „Ich habe gedacht, ich werde wahnsinnig“, beschreibt er sein Gefühl eine Woche vorm Laternelaufen. „Das war das Schlimmste in meinen 22 Jahren“, sagt er. Den Kopf in den Sand stecken ist seine Sache nicht. Die Awo-Leute schufteten wieder und am 12. Mai des darauf folgenden Jahres stand das heutige Vereinsheim.
Dieses für andere Dazusein gehört bei Karl-Heinz Thimm offensichtlich zum Lebensmodell dazu. Er lebte und lebt es als Betriebsrat, Betriebsratsvorsitzender, als ehrenamtlicher Arbeitsrechtler, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft oder SPD-Ratsherr. Eigentlich habe er als Betriebsrat seine Arbeit immer politisch neutral machen wollen. Den Hang zur SPD habe er aber nicht verheimlicht und wie später bei der Awo, ließ er sich vor 27 Jahren beschnacken und trat ein. Widerborstig muss Thimm schon damals gewesen sein. Er sagt: „Ich weiß, was ich will, das ziehe ich normalerweise auch durch.“ Einmal habe er sich mit einem Werksleiter derart angelegt, dass dieser sich auf einen Stuhl stellte und Thimm von oben herab anbrüllte. Noch heute in der Küche verschränkt er die Arme vor der Brust und sagt überzeugend: „Wir haben uns nix gefallen lassen.“
Abschalten vermag der Ruheständler Karl-Heinz Thimm selten. In Gedanken sei er irgendwie immer bei der Grasberger Awo. „Das läuft“, sagt er zufrieden. 157 Mitglieder, Durchschnittsalter 70,2 Jahre. Vor 20 Jahren zählte die Grasberger Awo noch 79 Mitglieder. Diesen Zuwachs verbucht er als seinen größten Erfolg. Viele davon wollen helfen, nur für den Vorstand sieht es anders aus. Wenn da noch zwei Awo-Mitglieder den siebenköpfigen Vorstand verstärken, wäre Thimms Awo-Leben perfekt. Aber: „Es ist schwer, jemanden zur Vorstandsarbeit zu bewegen.“
Überhaupt sei es wie in jedem Verein schwer, neue Mitglieder zu werben. Am Mitgliedsbeitrag kann es bei der Awo kaum liegen. 2,50 Euro pro Person kostet er monatlich, eine Familie ist für vier Euro dabei. Und sofort eintreten müsse ja auch keiner. Jeder könne sich die Gruppen erst einmal als Gast anschauen, aber nach ein paar Wochen frage er dann nach. Sonst sei es ungerecht gegenüber jenen, die ihren monatlichen Awo-Mitgliedsbeitrag zahlen. Überzeugen kann Thimm offenbar. Er sagt: „Die Gruppen, die ich leite, da sind alle ziemlich schnell Mitglied.“
Für ältere Leute versteht Thimm die Grasberger Awo-Angebote, dabei sind die jüngsten Mitglieder zwei und fünf Jahre alt. Und sie sind gefragt, die Awo habe mit ihren Gruppen fast das Limit erreicht. Was den Platz im Awo-Garten oder im Gemeindesaal der Kirche anlangt und die Zahl der Helfer. Sie laden beispielsweise regelmäßig zu Klönschnack, Basteln, Bingo, Geburtstagsfeiern, Spielenachmittagen oder Walking. Karl-Heinz Thimm ist bei vielen Treffen dabei und er ist froh um das eingespielte Team an Helfern. Nur das Spielen, Basteln und Walken liegen ihm nicht so. Die begehrten Preise für die Weihnachtstombola zu basteln überlässt er anderen. Er plant und organisiert mit seiner Frau die Tagesfahrten oder die jährliche Urlaubsfahrt. 42 Frauen und Männer reisen im September mit der Awo für sieben Tage nach Thüringen. Ein monatlich oder jährlich wiederkehrendes Programm.
Für neue Ideen fehlen die Leute, so Thimm. Der Awo-Ferienspaß sei ausgefallen, weil sich keiner gefunden habe, der mit den Kindern spiele. Kindern und Familien schaffen Thimm und seine Mitstreiter einen anderen Höhepunkt im Dorfleben. Im Oktober organisieren sie gemeinsam mit Spielmannszug und Jugendfeuerwehr das Laternelaufen. Vergangenes Jahr seien an die 200 Menschen dabei gewesen.
Zum 30. Geburtstag sieht Karl-Heinz Thimm die Grasberger Awo gut aufgestellt, und ans Aufhören denkt er nicht. Im Gegenteil. Sie sei seine Lebensaufgabe. Und: „Mit 73 könnte ich ja noch ein bisschen machen.“ Weil ihm das nicht genügt, fährt er auch noch den Bürgerbus. Einen festen Termin in der Woche, den brauche er im Rentnerleben.
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