
Mädchenfußball ist bei den Vereinen in der Region eher die Ausnahme als die Regel. Wie entwickelt sich die Sparte beim TSV Eiche Neu Sankt Jürgen?
Oliver Helvogt: Anfang 2017 hatten wir zwei Mädchenmannschaften, ein D-Juniorinnen-Team und eine A-Elf, die kurz vor dem Übergang zu den Frauen stand. Wir wollten mindestens noch eine zweite Mannschaft bei den Mädchen und haben Spielerinnen gesucht. Darum haben wir uns im vergangenen Jahr und im Jahr davor am Tag des Mädchenfußballs beteiligt. Das gab beide Male großen Zulauf, sodass wir heute eine Frauen- und drei Mädchenteams haben und kurz vor dem Sprung zum vierten stehen. Allein im vergangenen Jahr hatten wir 14 Neuzugänge.
Geht das durch alle Altersstufen?
Nein, das wären E-, D- und B-Juniorinnen und eventuell ein zweites E-Team. Wir haben also sehr viele junge Spielerinnen und weiter oben in der Altersstruktur gibt es Lücken. Auch bei der B-Mannschaft hatten wir Zugänge, aber in dem Alter ist es tendenziell schwierig, neue Spielerinnen zu gewinnen. Wir haben jetzt eine 15-Jährige, die hat noch nie Fußball gespielt – es ist allerdings eine Ausnahme, dass jemand in dem Alter völlig neu anfängt. In der D- und E-Klasse haben wir aber rund 30 Mädchen, das ist natürlich super, zumal wir ja nur mit sechs Feldspielerinnen und einer Torhüterin auflaufen. Da haben wir schon fast ein Luxusproblem, weil wir gar nicht alle immer einsetzen können. Wir dürften fünfmal pro Spiel wechseln, aber das ist zu viel, da bringt man den ganzen Spielfluss durcheinander. Aber alle, die da sitzen, wollen ja auch mitspielen.
Ab wann werden die Mannschaften und Spielfelder größer?
Die B-Mädchen, die ja so 14, 15 Jahre alt sind, spielen erst auf einem halben Feld und auch die A-Teams spielen noch nicht auf einem Großfeld. Bei den Jungen geht das schon ab der U15 los.
Ist das ein Problem? Wie lernt man da taktisches Verhalten? Zu sechst auf dem Platz kann man ja schlecht Viererkette spielen.
Man kann eigentlich nur ein 3-3 oder ein 3-2-1 spielen, das sind alle Möglichkeiten, die man hat. Das ist ein Problem, aber es sind einfach meistens nicht genug Spielerinnen da, um auch Gegner zu finden, die dann auch ähnlich stark sind. Man muss als Verein ganz unten anfangen, wir müssen die Spielerinnen im Grundschulalter abholen und dann versuchen, sie lange an den Verein zu binden, um dann nachher die Kette nach oben zu füllen. Dann können auch immer mal wieder einzelne Spielerinnen hoch- oder runterwechseln, das wäre wichtig.
Wie viele bleiben lange dabei und wie viele kommen und gehen auch schnell wieder?
Also in den unteren Klassen haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren vielleicht zwei Mädchen verloren. Eine davon ist dann nach einem halben Jahr wieder zurückgekommen.
Gibt es Kooperationen mit Schulen?
Wir haben bei der IGS Lilienthal/Grasberg und auch in der Grundschule Worpswede, geguckt, ob wir da für Angebote Trainer hinschicken könnten. Aber wir mussten feststellen, dass wir diese Regelmäßigkeit, die dort gefragt ist, nicht leisten können. Das spielt sich in der Mittagszeit ab und man muss schon mindestens zu zweit sein. So eine Arbeitsgemeinschaft (AG) kann sicher auch mal vertreten werden, aber nicht ständig. Das braucht eine Verlässlichkeit, die wir so im vergangenen Jahr noch nicht bieten konnten. Wir würden aber gerne mal einzelne Projekte unterstützen. Die IGS Grasberg bietet inzwischen aber selber eine AG Mädchenfußball an.
Warum bekommen außer Dannenberg und der TSV Eiche die anderen Vereine in der Region keine Mädchenteams zusammen?
Jeder Verein braucht natürlich Menschen, die den Bereich Mädchenfußball fördern. Man muss sich dafür aufstellen und auch neue Mitglieder akquirieren. Es ist ja so, dass auch bei den Jungen oft schon Spieler fehlen. Neu Sankt Jürgen hat in diesem Bereich ab der U12 eine Spielgemeinschaft mit Worpswede. Das macht man ja, weil in dieser Altersklasse alles Verfügbare abgerufen ist. Eigentlich wären Vereine gut beraten, sich mehr auf Mädchen zu konzentrieren, denn da ist noch viel weniger Potenzial abgegrast. Durch den Tag des Mädchenfußballs gibt es ein Angebot, einfach mal vorbeizukommen und sich das anzugucken. Der Zuspruch zeigt, dass es da Interesse gibt.
Wie viele der Mädchen bringen Negativerfahrungen aus Mannschaften, wo sie mit Jungen zusammengespielt haben, mit?
Das ist selten. Wir haben eigentlich keine Spielerinnen, die aus anderen Vereinen zu uns wechseln. Es sind eher die Anfängerinnen, die zu uns kommen. Es gibt eine Spielerin, die gewechselt ist, da lag es aber an Trainingszeiten. Die war zuvor in einer gemischten Mannschaft, hatte dort aber keine Probleme.
Das ist aber eher die Ausnahme.
Ja, ich kenne das von unserer Tochter anders. Sie hatte keine Lust mehr, mit den Jungs zusammen zu spielen, und wollte in eine Mädchenmannschaft wechseln, weil sie schon damals das Gefühl hatte, von den Jungs gar nicht mehr wahrgenommen zu werden. Die haben ihr irgendwann einfach nicht mehr den Ball zugespielt. Da ist dann auch der Trainer wichtig, wenn es – wie oft – ein Mädchen unter 15 Jungs gibt. Leider wird das Mädchen dann oft nicht gleichwertig miteinbezogen. Die bekommt dann oft mal so fünf Minuten Einsatzzeit, wenn die Mannschaft sowieso schon 6:0 führt ...
Wie sind Sie auf der Trainerebene aufgestellt?
Optimal wäre es, wenn nur Mädchen und Frauen trainieren. Bei uns ist es so, dass wir bei den E-Mädchen zwei Trainerinnen haben, die selber bei den Frauen spielen. Die D-Mädchen trainiere ich zusammen mit einer weiteren Spielerin aus der A-Mannschaft und bei den B-Mädchen haben wir zwei Trainer und eine Trainerin. Es ist also immer mindestens eine Frau dabei.
Was muss ein Verein machen, um eine Mädchen-Sparte aufzubauen?
Es wird auf jeden Fall jemand gebraucht, der sich hauptverantwortlich darum kümmert. Es muss jemand koordinieren und gucken, wo man etwa Trainer und Gelder herbekommt. Was für Förderungen gibt es, welche Events kann man machen? Konkrete Summen kann man da kaum nennen. Wir brauchten jetzt für die neu gegründete E-Mannschaft eine Ausstattung und haben dafür Sponsoren gefunden. Die Trikots stellt der Verein komplett, für Trainingsanzüge, Regenjacken oder Taschen müssen die Eltern einen kleinen Anteil übernehmen, allerdings eher als Leihgebühr. Wir nehmen das dann wieder zurück, wenn die Mädchen nicht mehr weiter im Verein bleiben wollen. Das sind 45 Euro zusammen, aber wenn Eltern sich das nicht leisten können, dann sind wir die Letzten, die sagen würden: „Dann kann dein Kind nicht Fußball spielen!“ Was sie selber mitbringen müssen sind Fußballschuhe.
Wie schwierig ist es, Sponsoren zu gewinnen?
Wichtig ist, eine gewisse Sicherheit zu haben und nicht ständig nach neuen Geldgebern suchen zu müssen. Wir haben da mit den Osterholzer Stadtwerken jetzt jemanden gefunden, der als Hauptausstatter für die ganze Mädchenfußballsparte tätig wird. Das ist auch für die andere Seite attraktiv: Die Stadtwerke wollen das über mehrere Jahre machen und finden, dass ihnen die Förderung von Mädchenfußball auch gut zu Gesicht steht. Das ist dann ein Gesamtpaket, weil wir auch in Ausbildung von Trainerinnen und Schiedsrichterinnen investieren wollen. Unser Ziel ist, dass durch das Engagement und unsere Außendarstellung der Mädchenfußball einfach gesellschaftliche Normalität wird.
Das Interview führte Lars Fischer.
Oliver Helvogt
ist der Leiter der Sparte Mädchenfußball beim TSV Eiche Neu Sankt Jürgen und trainiert selber die D-Mannschaft, in der auch seine Tochter Spielerin ist. Abseits des Spielfeldes betreibt er in Worpswede den Bioladen „Moorrübe“. Der Verein zählt über 60 Frauen und Mädchen, die Fußball spielen.