
Borgfeld. Dorte Trumann ist ein Tausendsassa. Je nach Auftrag erledigt sie komplizierte Abrechnungen, trainiert das Gedächtnis ihrer Kunden oder begleitet diese zum Hörakustiker. Indem sie passgenaue Hilfsangebote bucht und kombiniert, unterstützt die selbstständige Seniorenassistentin pflegebedürftige Menschen in ihrem häuslichen Umfeld. Und sie schenkt ihnen Lebensqualität: „Ich erfülle auch mal einen Herzenswunsch“, sagt die 52-jährige Borgfelderin. „Ich bin wie eine bezahlte Tochter mit Fachwissen.“ Den Angehörigen verschafft sie mit ihrer Dienstleistung Luft.
Trumanns Geschäftsmodell basiert auf praktische Unterstützung, aber auch auf fundierte Beratung. „Ziel ist es, dass die pflegebedürftigen älteren Menschen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können und sich wohlfühlen“, sagt die Zweifachmutter. Das setze voraus, dass man sich über das Altern und die Probleme, die damit verbunden sind, Gedanken mache. Trumann weiß aus Erfahrung, dass dies oft nicht der Fall ist: „Viele stellen fest, dass sie plötzlich geistig und körperlich nicht mehr so fit sind.“ Dann sind die Gelenke meist schon steif, andere sind fast blind. Oder ein Sturz führt dazu, dass das Gehen anschließend nur noch mit Rollator möglich ist. „Dann“, sagt die Seniorenassistentin, „wird das Leben zu Hause schwierig.“
So hat es Dorte Trumann in der eigenen Familie erlebt: Ihre Tante verletzte sich bei einem Sturz schwer, der Onkel erlitt einen Schlaganfall. Die Nichte hat nach eigenen Worten alles gemanagt, was nötig war: von den Arztbesuchen bis zum Umzug in eine Einrichtung der Bremer Heimstiftung. „Es ist unfassbar, wie erschlagend das alles ist“, erinnert sich Dorte Trumann. „Ich habe gemerkt, ich kann das.“ Sie habe sich aber auch gesagt: „Es gibt doch sicher mehr Menschen, die keine Kinder in der Nähe haben, oder Familien, die zerstritten sind.“ Die Geschäftsidee war geboren. 2013 hat sich die studierte Wirtschaftsarabistin als Seniorenassistentin selbstständig gemacht. Nicht, ohne sich zuvor bei einem Hamburger Weiterbildungsunternehmen drei Monate zur staatlich anerkannten Seniorenassistentin nach Plöner Modell ausbilden zu lassen. Zum Stundenplan gehörten Psychologie, Gesundheit, Rechtsfragen und Pflege.
Heute begleitet Dorte Trumann bis zu elf Menschen mit unterschiedlichsten Aufgaben. „Diskret, respektvoll und mit größtmöglichem Engagement“, wie die Freiberuflerin sagt. Sie sieht sich als Ergänzung zu Pflegediensten und -heimen. In der Praxisgemeinschaft Borgfelder Landstraße 2 hat sich Dorte Trumann auf 30 Quadratmetern ein kleines Büro und einen gemütlichen Beratungsraum eingerichtet, in dem sie Angehörige oder Kunden empfängt. Einmal wöchentlich schaut sie für je zwei Stunden bei ihren Kunden zu Hause vorbei. „Ich terminiere und begleite dann Arztbesuche, gehe einkaufen oder besuche mit meinen Kunden Kulturveranstaltungen.“ Die Seniorenassistentin verhandelt mit Dienstleistern, vermittelt zwischen Familienangehörigen oder führt eine erste sondierende Demenzdiagnostik durch. Sie kombiniert Hilfen wie die ambulante Pflege, das Hausnotruf-System und Nachtwachen sinnvoll und macht Vorschläge, wie die Wohnung barrierefrei gestaltet werden könnte. Dorte Trumann berät in Sachen Patientenverfügung und macht, wenn gewünscht, einen Termin beim Anwalt, um eine Generalvollmacht zu erteilen.
„All diese Dinge sind in der Summe wichtig, um einen vorzeitigen Heimeintritt zu verhindern“, bestätigt Stefan Görres, der die Abteilung Interdisziplinäre Alterns- und Pflegeforschung im Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaft der Universität Bremen leitet. Görres geht davon aus, dass es im Land Bremen derzeit etwa 150 000 Menschen gibt, die 65 Jahre und älter sind und von der maßgeschneiderten Unterstützung profitieren könnten. „Senioren-Assistenzen sind eine sinnvolle Sache, sie könnten noch stärker professionalisiert und in Anspruch genommen werden“, sagt Görres. Die Vorsitzende des Bremer Pflegerates, Ilona Osterkamp-Weber, indes bestätigt grundsätzlich den großen Bedarf an sozialer Betreuung und Fürsorge. Der Gesetzgeber stelle speziell dafür monatlich knapp 130 Euro zur Verfügung, sagt sie.
Laut Dorte Trumann stehen einem in Pflegegrad 2 eingestuften Pflegebedürftigen jährlich sogar 7700 Euro aus verschiedenen Töpfen zu. Die Seniorenassistentin hilft dabei, die nötigen Anträge zu stellen. Ihre eigene Dienstleistung stellt sie mit 45 Euro je Stunde in Rechnung. Dafür habe sie jeden ihrer Kunden im Blick, dokumentiere Entwicklungen, Bedarfe und Auffälligkeiten. In ihrer Arbeitszeit, die ohne Fahrtzeiten zwischen 30 und 40 Stunden in der Woche beträgt, ist Dorte Trumann flexibel: „Wenn es brenzlig wird, lasse ich nachts das Handy an“, sagt sie. Als besonders intensiv empfindet die ehemalige Leistungssportlerin Phasen, in denen sie Sterbende bis zum Tod begleitet. „Dann gilt es, gut für mich zu sorgen.“ 98 Prozent der Kunden, sagt sie, wissen ihr Engagement zu schätzen: „Das macht diesen Beruf so schön.“
Dorte Trumann (Praxis Borgfelder Landstraße 2) ist erreichbar unter 0160 / 94 71 11 94 oder per E-Mail unter info@seniorenassistenz-bremen.de.
Freiberufliche Seniorenassistenten
In Bremen gibt es laut der Bundesvereinigung der Seniorenassistenten derzeit drei selbstständige Seniorenassistentinnen nach Plöner Modell, in Niedersachsen 25. Deutschlandweit sind es nach Angaben der Vorsitzenden Carolin Favretto 1500. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern erkenne Bremen den Weiterbildungsberuf nicht an. Das Land setze auf die ehrenamtliche Unterstützung durch Angehörige und Nachbarn. Dies erschwere selbstständigen Seniorenassistenten das finanzielle Auskommen, sagt Dorte Trumann. Dabei könnten gerade diese Profis dafür sorgen, dass die gesetzlichen Hilfen bei den Pflegebedürftigen ankommen: „Mehr als die Hälfte der Leistungen werden gar nicht abgefragt, weil es keine Fachleute dafür gibt“, sagt Favretto.
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