
Worpswede. Ein kleines Mädchen mit pechschwarzem Haar, zu zwei Rattenschwänzen locker gebunden, wendet dem Betrachter ihre großen, dunklen und fragenden Augen zu. Selten findet man in Worpsweder Ausstellungshäusern Kinderporträts von Agnes Sander-Plump. In der Galerie Cohrs-Zirus hat man meist Glück, wie auch in der aktuellen Frühjahrsausstellung, die aus Anlass ihres 45-jährigen Bestehens gezeigt wird. Dort sind gleich drei Kinderporträts der Malerin zu sehen. So das oben beschriebene des indischen Mädchens „Rhada mit Blume“, von dem es noch ein zweites Motiv gibt, welches das Mädchen zwei Jahre älter zeigt, mit blauem Halstuch. Agnes Sander-Plump war gebürtige Bremerin, studierte in ihrer Geburtsstadt, dann in Karlsruhe und schließlich bei Lovis Corinth in Berlin. Ab 1926 lebte sie in Worpswede, wo sie 1980 hochbetagt starb. Und just in diesem Jahr erwarb das Galeristen-Paar Ingrid und Wilfried Cohrs-Zirus die neoklassizistische Villa in der Bergstraße.
Zu dem Zeitpunkt war sie etwas heruntergekommen, sodass für die neuen Eigentümer erst einmal eine Sanierung anstand. Gleichzeitig fügten sie rechter Hand einen flachen Ausstellungstrakt an, der den weißen Kubus innen wie außen harmonisch ergänzt. Die Anfänge ihres Ausstellungsbetriebes reichen aber weiter zurück, denn in Barkhausen, mitten im Teufelsmoor, erwarb das Ehepaar ein altes Bauernhaus, auf dessen Diele es Mitte der 1970er Jahre seine erste Ausstellung zeigen konnte. Bald schon aber wechselte es nach Worpswede, wo es seinen Galeriebetrieb im Atelierhaus des Fotografen Rudolf Dodenhoff weiter betrieb. Dort fand 1978 eine denkwürdige Ausstellung statt – zum 100. Geburtstag der Bildhauerin Clara Rilke-Westhoff, die bis dato kaum öffentlich gezeigt worden war.
Der Zeitgenossin und Freundin Paula Modersohn-Beckers fühlt sich das Ehepaar bis heute verbunden, lernte es doch noch deren Bruder Helmut Westhoff kennen und schätzen. Auch von ihm sind malerische Werke in der derzeitigen Ausstellung zu sehen, auch er studierte seiner Zeit bei Lovis Corinth.
Natürlich werden auch Arbeiten von seiner Schwester Clara präsentiert. Es sind die bekannten Porträtbüsten von Rainer Maria Rilke, Paula Modersohn-Becker und die von Heinrich Vogeler. Bei Letzterer ist anzumerken, dass sie der Originalgips ist, den das Ehepaar mit zirka 70 weiteren Gipsen vor vielen Jahren von einem Fischerhuder Dachboden rettete. So kann man es wohl beschreiben, denn es entdeckte dort nicht irgendwelche Gipsarbeiten, sondern den gesamten Nachlass der Bildhauerin. Und diese dienten zum Teil immer wieder als Vorstufen für die allseits bekannten Bronzen, meist Porträtbüsten. Aber auch weniger bekannte Porträts wurden nach diesen Vorlagen gegossen, wie beispielsweise ein besonders schöner Kopf einer jungen Fischerhuder Bäuerin, der ebenso in der Ausstellung gezeigt wird.
Das Galeristen-Paar hat sich in all den Jahren immer wieder der alten Worpsweder Kunst zugewandt. Hat aber auch gerne Zeitgenossen angekauft oder präsentiert. So den Worpsweder Bildhauer Waldemar Otto, von dem eine Auswahl seiner charakteristischen Torsi zu sehen ist. Waldemar Otto arbeitet grundsätzlich figürlich, zumeist in reduzierter Formensprache, den menschlichen Körper nicht in klassischer Schönheit, sondern als zutiefst verletzlich aufgefasst. Ein Werk also mit besonderer Aussagekraft. Waldemar Ottos Vorgänger im Künstlerdorf war Bernhard Hoetger, von dem hauptsächlich kleinformatige Bronzen aus dessen Pariser Zeit um 1900 präsentiert werden. Die figürlichen Arbeiten sind beeinflusst von Dynamik und offenbaren eine bewegte Oberfläche, sind somit also noch dem Impressionismus verpflichtet. Hoetger hat die einfachen Menschen auf den Straßen der Seine-Metropole beobachtet, plastisch geformt und in Bronze gießen lassen – immer mit liebenswertem Blick.
Und dann sind zahlreiche Worpsweder Maler der ersten und zweiten Generation in der Ausstellung vertreten. Otto Modersohn mit seinen Kohle- und Rötelzeichnungen, Paula Modersohn-Becker mit Radierungen, Walter Bertelsmann mit malerischen Blicken in die Hammendiederung, Udo Peters mit seinen vom impressionistischen Impulsen beeinflussten Landschaftsdarstellungen. Oder Lisel Oppel mit ihrer eigenwilligen koloristischen Bildsprache. Es gibt neben Bekanntem auch einiges Unbekannte zu entdecken.
Die Frühlingsausstellung ist bis zum 19. Mai zu sehen, immer sonnabends und sonntags von 11 bis 13 und von 14 bis 18 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung unter 04792/ 17 48.
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