
Grasberg/Lilienthal. Die Tür einfach weiß lassen? Uli Wolff lacht. Das ginge nicht für ihn. Er hat ein Bild daran geschraubt. Er hat es selbst gemalt und es verströmt einen Hauch von Theater. Das winzige Zimmer dahinter tut es auch. Es gleicht einer Mischung aus Fundus, Bühnentechnik und Werkstatt. Jeden Zentimeter nutzt Wolff und für seine Zeichnungen bleibt nur ein Platz an der Decke. Es ist, als ob ein Leben für das Theater auf wenige Quadratmeter verdichtet ist. Wäre es nach den Menschen seiner Jugend gegangen, hätte es das nicht gegeben. Christlich und unangepasst wurde Wolf in der DDR für den Wunsch, Theaterwissenschaft zu studieren, verlacht. Er aber ging seinen Weg, seit Langem gemeinsam mit Gertie Trautvetter. Ihre Bühnenbilder sind seit rund zehn Jahren auf der Freilichtbühne Lilienthal zu sehen. So soll es in diesem Sommer wieder sein, diesmal aber suchen die beiden Bühnenbildner Helfer.
Keine FDJ, keine Jugendweihe und eine Absage an den Wehrdienst mit Waffe – mit dieser Haltung könne er allenfalls Theologie studieren, hörte Uli Wolf in den 1960er-Jahren in der DDR und studierte genau diese an der Humboldt-Universität in Berlin. Ein Semester lang. Dann bekam er von seinem Dekan den Hinweis, die staatliche Uni wolle ihn rausschmeißen. Wolff ging freiwillig. Mal wieder wegen der Haltung. Zur vormilitärischen Ausbildung während des Studiums, Zivilverteidigung genannt, hatte er gesagt: „Das mache ich nicht mit.“
Uli Wolff wechselte an das Ostberliner Sprachenkonvikt und studierte von da an „Theologie unter kirchlicher Obhut und unter Stasi-Beobachtung“. Bis er irgendwann beobachtete, dass er mehr abends in Theateraufführungen saß als morgens in den Vorlesungen. Grinsend meint Wolff: „Da habe ich die Theologie erfolgreich abgebrochen.“ Er begann als Bühnenbeleuchter am Landestheater Halle, schleppte Scheinwerfer, bediente den Verfolger und nennt es Glück, dass er bei einem der besten Beleuchtungsmeister gelernt habe. Aber er wollte weiter, bewarb sich als Puppenspiel-Eleve in Wittenberg und ist bis heute dankbar, dass die Schauspielschule Ernst Busch ihn abgelehnt hatte. Uli Wolff ließ das Puppenspiel und wechselte in den Malsaal, begleitet von der Einsicht: „Hinter der Bühne bist du besser.“
Licht, Tischlerei, Malerei, Kostümplastik, Requisite, Waffenkammer – Uli Wolff lernte all das durchs Tun und in Weiterbildungen, getragen von dem Gedanken: „Meine Universitäten können nur meine Theater sein.“ Wittenberg, Dessau, Greifswald, Berlin, Braunschweig, Oldenburg, Bremen, Lilienthal sollten Stationen seines Lebens als Bühnenbildner und Requisiteur werden.
1986 verließ Uli Wolff die DDR. Zwei Jahre am Westberliner Theater des Westens folgten, dort war er beispielsweise persönlicher Requisiteur von Hildegard Knef, Katja Ebstein oder Hans Clarin. 1990 holte ihn sein ehemaliger Dessauer Malsaalchef nach Bremen als zweiten Bühnenbildner und Requisiteur.
Im Malsaal des Waldau-Theaters traf er 1992 auf Gertie Trautvetter. In Greifswald hatte sie Germanistik und Kunsterziehung studiert, in Gera unterrichtete sie bis zum Berufswechsel. Sie wollte nicht mehr als Lehrerin arbeiten und kam über die Zwischenstation als Sekretärin des Geraer Klubs der Intelligenz in den Theatermalsaal. Nach einem halben Jahr wurde ihr ein Fernstudium für Theatermalerei an der Dresdener Hochschule für Bildende Künste bewilligt. Von da an arbeitete und studierte die alleinerziehende zweifache Mutter und lebte fürs Theater.
Vom Waldau Theater wechselte Trautvetter ans Theater am Goetheplatz. Die Nebenaufträge liefen gut. Das Paar sagte sich: „Jetzt versuchen wir es mal selber.“ Sie wurden Freiberufler und ihre Bremer Wohnung war ihnen zugleich Werkstatt. Laut war es da. Trautvetter erinnert sich: „Straßenbahn, Feuerwehr und Krankenwagen fuhren direkt über den Schreibtisch.“ Also begaben sie sich auf Wohnungs- und Werkstattsuche und das erste Angebot passte. 1995 zogen sie nach Grasberg in die Seehauser Straße. Die Alte Mühle wurde ihr Domizil.
Zwischen 150 und 160 Bühnenbilder hat das Paar in den vergangenen 25 Jahren für Theater- und Musicalproduktionen erschaffen. „Irgendwann haben wir aufgehört zu zählen“, sagt Gertie Trautvetter. Genauso unzählig sind die Stunden, die sie in die Modelle, die kleinen Puppenstuben glichen, gesteckt hat. Nur Fotografien erinnern noch daran. Sie haben die Mühle aufgegeben und räumen aus. Viel Platz bietet die kleine Wohnung nicht, in die sie zum Rentenbeginn ans andere Ende von Seehausen gezogen sind.
In der Mühle sind auch die Bühnenbilder für die Lilienthaler Freilichtbühne entstanden, vom Entwurf über das Modell bis zu Einzelteilen, die per Anhänger zur Bühne gefahren wurden. Hinzu kamen Plastiken und Kostüme, so Trautvetter. Nun haben sie Zeit für die Bilder und Zeichnungen, doch ganz ohne Theater wollen Wolf und Trautvetter auch im Ruhestand nicht bleiben. Die Freilichtbühne bedeute auch soziale Bindung.
Uli Wolff zeigt seinen mit feinen Strichen gezeichneten Entwurf für die Spielzeit 2021. Statt opulenter Stücke mit vielen Darstellern werde es zwei Inszenierungen mit kleiner Besetzung geben und das Bühnenbild soll sich mit wenigen Handgriffen vom Familienstück zum Abendstück umbauen lassen. Für das Bemalen der Kulissen in Lilienthal sucht das Paar Helfer, an die es zugleich sein Wissen über Bühnenmalerei weiter geben kann. Interessierte könne sich bei Dieter Klau-Emken vom Vorstand der Freilichtbühne melden: 0172 953 69 57.
Es hat doch sowieso nichts auf und Personenansammlungen, die es in der Vergangenheit ...